Das Gebiet «Kloos» in Rheinfelden bildet den westlichen Auftakt zur Altstadt. Mittendrin: das ehemalige «Siechenhaus» und die dazugehörige Kapelle. Die dreieckige Parzelle liegt am Kreuzungspunkt der südlichen Kaiser- und östlichen Habich-Dietschy-Strasse. Im Norden trifft sie auf die verkehrsberuhigte Vorzone des Einkaufszentrums Salmenpark. Bis 2028 möchte die Stadt Rheinfelden das Ensemble zu 25 Alterswohnungen transformieren. Der Erhalt und die Integration der bestehenden Gebäude ist Teil der Überlegungen.
Solanellas Van Noten Meister Architekten aus Zürich setzten sich im Projektwettbewerb für Generalplaner:innen im selektiven Verfahren mit ihrem Wettbewerbsbeitrag «Jean-Michel» gegen sieben andere Planungsteams durch. Vor einigen Wochen haben wir bereits darüber berichtet. Nun schauen wir uns das siegreiche Projekt im Detail an und werfen einen Blick auf alle rangierten Projektbeiträge.
Das Ensemble besteht heute aus dem quadratischen Kernbau im Osten, dem ehemaligen sogenannten «Siechenhaus», einem Zwischenbau und der Kapelle im Westen. Der nördliche Teil der Parzelle ist teils baumbewachsen. Sowohl der Gebäudekomplex als auch die eine Baumgruppe sind kommunale Schutzobjekte und im ISOS aufgeführt. Gesucht war neben dem Erhalt und der architektonischen Integration der Struktur in ein neues Raumprogramm, insbesondere eine städtebaulich-volumetrische, aber auch eine aussenräumliche Antwort auf die nicht ganz einfache Lage inmitten des Strassenraums.
JEAN MICHEL
1. Rang / 1. Preis
Architektur: Solanellas Van Noten Meister Architekten
Landschaftsarchitektur: BÖE Studio
Tragwerk: KSL Ingenieure AG
Während Kapelle, Zwischen- und Kernbau erhalten bleiben und die Parzelle weiterhin gegen die Kaiserstrasse schliessen, ergänzt ein Neubau das Ensemble gegen Osten und schafft damit einen gegen Nordwesten halboffenen Innenhof. Der Kern- und Neubau nehmen die neuen Alterswohnungen auf. Der Zwischenbau wird teilweise zu einem offenen Raum – ein Innenhof innerhalb des Aussenraums – rückgebaut und bildet den Übergang zur Kapelle.
Die angrenzenden Aussenräume sind in unterschiedliche Bereiche gegliedert; etwa finden wir einen Gemüsegarten oder eine Wildwiese im Westen, eine chaussierte Fläche mit Baumgestand – den «Gartenhof» im Norden. Ein Wegnetz fasst die unterschiedlichen Räume und erschliesst die Gebäude unkompliziert. Ein südöstlicher Durchgang öffnet das Areal gegen die Strassenkreuzung zu einem kleinen Parkplatz für Autos und Velos. Die Begegnungszone zum Salmenpark hin wird durch Sträucher und Wildhecken sanft vom Areal getrennt; ein grosser Zugang mit Brunnen verbindet die Bereiche.
Die Jury findet grossen Gefallen an der «überraschenden volumetrischen Analyse des Bestandes und dessen baugeschichtlichen Bedeutung für den Ort und den daraus entstandenen Vorschlag des Weiterbauens und Ineinandergreifens.» Teil der Wettbewerbsabgabe des Teams von Solanellas Van Noten Meister Architekten war eine beinahe spielerische, aber inhaltlich nicht minder überzeugende axonometrische Darstellung über den vorgesehenen Umgang mit dem Bestand. Dazu gehörte auch ein Detailgrundrissvorschlag für die Umnutzung des Zwischenbaus zum Innenhof und dessen geplante Verbindung zur Kapelle. Ausserdem: grossartige Modellbilder!
Die verschiedenen Wohnungen im Neubau gliedern sich um einen aussenliegenden Laubengang zum nordwestlichen Hof. Der unterschiedlich breite Laubengang wird im Bestand zu einem Mehrspänner und dient teilweise auch als Vorplatz zu den Wohnungen. So sind beispielsweise die Küchen direkt auf die Laube und den Innenhof ausgerichtet. Eine schöne Idee. Die Wohn- und Schlafzimmer orientieren sich zum Strassenraum.
Konstruktiv handelt es sich bei «Jean-Michel» beim Neubauteil um einen Holzbau mit Sichtbalkendecke. Die schützende strassenseitige Fassade besteht aus in Putz eingelegten Terracotta-Elementen. Terracotta-Ziegel bilden auch die äusserste Schicht des Daches. PV-Module ergänzen den oberen Abschluss. In exponierten Bereichen, wie etwa im Sockelbereich, setzen die Entwerfenden Natursein ein. Hofseitig kommt die Fassade holzig-weicher daher. Die Farbgebung ist gebäude- und materialübergreifend und orientiert sich am Bestand.
DANCING QUEEN
2. Rang / 2. Preis
Architektur: Aita Flury Architekten
Landschaftsarchitektur: Johannes von Pechmann Stadtlandschaft
Tragwerk: Schnetzer Puskas Ingenieure
Im Gegensatz zum erstplatzierten Projekt trennt das Team von Aita Flury Architekten die Gebäude in einzelne Volumen auf. Insbesondere wird ein Teil des Zwischenbaus rückgebaut und damit die Kapelle vom Rest freigestellt. Der bestehende Kernbau bleibt teilweise bestehen und wird ergänzt. Ein nordöstlicher Erweiterungsbau komplettiert die Anlage und schliesst die Parzelle gegen die Habich-Dietschy Strasse.
Zum Hof hin werden der Kern- und Neubau durch eine vorgelagerte Balkon- und Erschliessungsschicht verbunden. Die formale Abwicklung von Fassaden und Gangschicht kommt gewollt oder ungewollt unruhig daher. Ungleich aufgeräumter sind die einzelnen Wohnungen organisiert. Die Schlafzimmer orientieren sich jeweils zum Rücken der Anlage und damit zur Strasse hin – was die Jury aus Lärmschutzgründen zumindest bemängelt, aber grundsätzlich für möglich hält.
Schön ist der breite Durchgang vom Schlaf- in den Wohnbereich vorbei am Bad. Erschlossen ist die Wohnung direkt über die Wohn-Ess-Küche. Daran findet die Jury keinen Gefallen. Da die Balkonschicht zumindest gedanklich zur Wohnung zählt, stören wir uns daran allerdings weniger.
DAS ALLES KOMMT MIT
3. Rang / 3. Preis
Architektur: ARGE kollektive architekt und Norma Tollmann Architektin
Landschaftsarchitektur: EDER Landschaftsarchitektur
Die Frage, wie mit der Kapelle als «Ausreisserin» umzugehen sei, beantwortet das drittplatzierte Projekt in mehreren Ebenen. Auf städtebaulicher Ebene wird der bestehende Kern- und Zwischenbau um zwei in ihrer Grundfläche ähnlich grosse Volumen ergänzt. Sie ordnen sich um einen neuen Innenhof an. Die vierte Seite zur Habich-Dietschy Strasse wird durch einen Treppenturm, der den innenhofbegleitenden, aussenliegenden Laubengang erschliesst.
Die Kapelle verbleibt als Anhängsel an einem Stück Bestandesmauer hängen, hat dafür ihren eigenen, ungleich grösseren baumbewachsenen Aussenraum gegen Nordwesten. Der Jury passt diese Lesart nicht. Bei allem Lob für die effiziente Anordnung und die Haltung, den Bestandesbau in einen klaren Städtebau einzubinden, kritisiert sie den Umgang mit der Kapelle.
Auf einer volumetrischen und grafischen Ebene versucht «das alles kommt mit» die Kapelle hingegen über ein gemeinsames Erscheinungsbild wieder in das Ensemble einzubinden. Auch das sieht die Jury kritisch und sieht das ISOS-Erhaltungsziel in Gefahr.
KONGLOMERAT
4. Rang / 4. Preis
Architektur: Vécsey*Schmidt Architekt*innen
Landschaftsarchitektur: August und Margrith Künzel Landschaftsarchitekten AG
Tragwerk: Schnetzler Puskas
Das Team um Vécsey*Schmidt Architekt*innen ergänzt den Kernbau mit zwei unterschiedlich hohen Flügelbauten und bildet so einen gegen Norden gerichteten, dreiseitig gefassten Innenhof aus. Die Kapelle wird freigespielt, in dem der Zwischenbau rückgebaut wird. Der Innenhof kommt bei dieser Anordnung etwas grösser daher als beim drittplatzierten Projekt. Ansonsten bedient man sich ähnlicher Themen wie etwa einem aussenliegenden Laubengang als Erschliessung.
Die Jury bemängelt die etwas umständliche Organisation des Zugangs über viele Stufen und Rampen. Die vermutlich den Fluchtweglängen geschuldeten doppelten Treppenhäuser in den beiden Anbauten sind organisatorisch nicht ganz nachvollziehbar, zumal ja die Laubengangtypologie genau den Vorteil bietet, vertikale Erschliessungen einzusparen. Vereinfacht betrachtet handelt es sich im Wesentlichen nun um drei Mehrspänner mit Laubengang.
Die Wohnungen selbst allerdings sind gut geschnitten und ganz im Sinne der «Insel», die hier entsteht, bis auf eine innenliegende Wohnung jeweils dreiseitig orientiert.
Text: Simon Heiniger / Architektur Basel
Quellen: Jurybericht vom 06.12.23