PETITION GAV ARCHITEKTUR

«Warum etwas Brauchbares wegwerfen?»

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Barbara Buser ist in Basel eine bekannte Persönlichkeit. Nach Einsätzen im Sudan und in Tansania gründet sie 1995 den Verein Bauteilbörse Basel, wo man heute noch alte und gebrauchte Bauteile kaufen und tauschen kann. Für die Umnutzung der ehemaligen Volksbank zum Unternehmen Mitte gründet Buser 1998 mit Eric Honegger das Baubüro Mitte. Heute heisst die Firma Baubüro in situ AG und beschäftigt rund 60 Mitarbeiter*innen.

Barbara Buser initiiert und realisiert mit verschiedenen Eigentümern Projekte wie grosse Umnutzungen von alten Industrie- oder Gewerbearealen, zum Beispiel das Gundeldinger Feld, das Walzwerk in Münchenstein, den Bahnhof St. Johann, die Neue alte Markthalle in Basel und viele mehr. Sie ist Mitbegründerin des Vereins «unterdessen», der sich für die Zwischennutzung von städtischen und privaten Liegenschaften engagiert, sowie der Genossenschaft «wohnen & mehr» für die Umnutzung des Felix Platter Spitals. Im Gespräch, das wir während der COVID-19-Pandemie online mit ihr führten, wollten wir mehr darüber wissen, woher ihr Interesse an der Arbeit mit alten Materialien und bestehenden Arealen kommt.

Planen und bauen mit dem Minimum
Nach dem Architekturstudium an der ETH Zürich reist Buser durch den afrikanischen Kontinent und engagiert sich in der Entwicklungszusammenarbeit. In den 1980er Jahren baut sie im Sudan Trinkwasserbrunnen und in Tansania Schulgebäude. Die Erfahrungen in armen Ländern prägen ihre Arbeit bis heute. Denn sie lernte, mit reduzierten Mitteln zu bauen und zu planen. Buser sagt: «Durch meine Arbeit in Afrika habe ich realisiert, dass die Qualität der Schweizer Bauten unglaublich gut ist. Umso schlimmer kam mir die Vernichtung dieser qualitativ hochstehenden Bausubstanz durch Abbrüche vor. Ich habe deshalb immer versucht, den Bestand zu erhalten, aus dem Bestand heraus zu planen, mit dem Bestand weiterzuarbeiten.»

«Ich habe den Eindruck, dass die Industrie lieber immer neue Materialien erfindet, während das Bauen mit natürlichen Materialien wie Holz, Lehm und Stroh nicht vom Fleck kommt.»

© Armin Schärer / Architektur Basel

Für Barbara Buser ist klar: Alte Baumaterialien zu verwenden, schränkt die Kreativität im Planungsprozess überhaupt nicht ein! Sie erzählt uns von einem Projekt mit 20 Studierenden der ZHAW, bei dem ihr Büro eine Auswahl von alten Baumaterialien vorgab, die alle im Entwurf verwendet werden mussten. Buser konnte mit den Studierenden 20 unterschiedliche Entwürfe diskutieren.

Auseinandernehmen und neu zusammensetzen
Barbara Buser sieht das grösste Potenzial der Bauteilwiederverwendung im Neubau. «Bis heute wurde die Wiederverwendung als zu kompliziert angesehen, um einen spürbaren Impact zu leisten. Diese Einstellung wird gerade widerlegt, unter anderem durch unsere Arbeiten im Lysbüchel und auf dem Lagerplatz in Winterthur». Man kann aus gebrauchten Bauteilen ein dauerhaftes neues Ganzes zusammensetzen. «Eines meiner Lieblingsprojekte ist ein kleines, hellblaues Gartenhaus, das wir bei der Bauteilbörse Basel vor 25 Jahren aus alten Vorfenstern zusammengebaut haben. Es wird immer noch gebraucht.» Offen blieb für uns die Frage nach den Kosten der Wiederverwertung. Aber es geht nicht nur um die Wiederverwendung alter Bauteile, sondern auch darum, das Potenzial natürlicher Materialien auszuschöpfen: «Ich habe den Eindruck, dass die Industrie lieber immer neue Materialien erfindet, während das Bauen mit natürlichen Materialien wie Holz, Lehm und Stroh nicht vom Fleck kommt.»  

«Bis heute wurde die Wiederverwendung als zu kompliziert angesehen, um einen spürbaren Impact zu leisten.»

Transform | Baubüro in situ: Halle 118, Foto Tom Bissig

Transform | Baubüro in situ: Halle 118 © Foto Tom Bisig

Stadt gestalten
Diese Beispiele verdeutlichen die Haltung von Barbara Buser sehr anschaulich. Gleichzeitig lebt sie ihren Beruf in ganz verschiedenen Facetten aus und wird auch politisch aktiv, um interessante Gebäude und Areale vor dem Abbruch zu bewahren und sie stattdessen neu zu beleben. Barbara Buser ist sich der ökologischen Verantwortung von Architekt*innen bewusst und hat sich stets darum bemüht, dazu einen Beitrag zu leisten. Mit ihrer Energie wird sie sich weiterhin für den Erhalt alter und intakter Gebäude einsetzen.   

«Ich stricke sehr gerne. Es beschäftigt die Hände…» © Armin Schärer / Architektur Basel

Barbara Buser im Quick and Curious-Interview

Stricken oder Hämmern?
«Stricken. Ich stricke sehr gerne. Es beschäftigt die Hände und die Gedanken können frei schweifen.»

Handzeichnen oder BIM?
«Weder noch. Mein wichtigstes Arbeitsinstrument ist das Telefon.»

Margarete Schütte-Lihotzky oder Zaha Hadid?
«Ich wähle Zaha Hadid, weil ich den Namen Margaret Schütte-Lihotzky noch nie gehört habe. Das zeigt, dass frühere Architektinnen totgeschwiegen werden. Zaha Hadid hat Unglaubliches geleistet und eine vollkommen neue, noch nie dagewesene Formenwelt entworfen. Für mich eine Architektin mit ganz grossem A. Ich frage mich, ob sie als Mann nicht viel mehr hätte bauen können in ihrem allzu kurzen Leben.»

Bauen heute oder bauen in der Zukunft?
«Zukunft: Bauen ist immer noch wie Massanzüge zu schneidern. Was wir brauchen, ist aber Prêt-à-porter: seriellen Holzbau oder Lehmbau.»


 Text/Interview: Simon Thorin und Nicola Meier

Dieser Text entstand am Institut Architektur FHNW im Frühlingssemester 2020, im Rahmen der Lehrveranstaltung in Sozialwissenschaften zum Thema «The Image of the Architect». Auf der Suche nach neuen Berufsbildern.

 

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