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Wie lebt es sich im umgenutzten Felix Platter-Spital?

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Den Artikel zur Umnutzung des Felix Platter-Spitals schlossen wir mit folgenden Thesen:
Aus Nachhaltigkeitsgründen ist der Ausbaustandard hochwertig. Auch wären die Wohnungen wohl kleiner und weniger hoch, hätte man statt der Umnutzung einen Neubau errichtet. Doch wie bereits formuliert, sind all diese Thesen schnell aufgestellt, weniger schnell begründet. Deshalb wollten wir wissen, wie es sich nun im ehemaligen Felix Platter-Spital lebt und möchten uns vorab recht herzlich bei Frau und Herr Walter bedanken. Ein ,junges Rentnerpaar’, wie sie sich selbst beschreiben, das so freundlich war uns ihre neue Wohnung zu zeigen und über ihr neues Leben zu berichten.

Die Grundrisse der Wohnungen © ARGE Müller Sigrist, Rapp Architekten

Zuvor haben sie jahrzehntelang mit ihren Kindern in einem Reihenhaus im Neubad gewohnt und dort das Familienleben in ruhiger Umgebung genossen. Im Alter wollten sie sich räumlich verkleinern und haben das Haus ihrem Sohn und seiner Familie übergeben. Beim Spazieren wurden sie wegen der grossen Terrasse auf den Umbau des Spitals aufmerksam, denn diese war ihnen trotz und wegen der Wohnraumverkleinerung wichtig. Eine Genossenschaft fanden sie zudem interessant.

Die mögliche Wohnungsgrösse wird nach Personenzahl (ein Zimmer mehr als Anzahl Personen) und Einkommen festgelegt. So ergab sich für sie eine 3-Zimmer-Wohnung im 2. Geschoss. Die Wohnung ist nicht übermässig gross und bietet wenig Stauraum. Aber mit etwas Kreativität konnten sie die Räume gut organisieren. Wenn gewusst wie, kann auch der Raum zwischen der doppelten Fassade bereichernd genutzt werden. Hier nehmen sie nun mit Freunden den Apéro und das Grosskind hat dort einen Spielbereich.

Der Wohnraum und die doppelte Fassade © Armin Schärer : Architektur Basel

„Weniger Stauraum, mehr Raumhöhe.“

Räumlich findet das Paar den Umbau gelungen, die Treppen und Korridore gut dimensioniert und grosszügig. Auch wenn ihre Wohnung nicht über die Kaskadentreppe erschlossen wird, empfinden sie das Haus als hell und freundlich. Von der im Spital latent vorherrschenden, unbehaglichen Atmosphäre keine Spur mehr. Ziel der Baugenossenschaft war unter anderem ein alters- und familienfreundliches Projekt. Dass die Umsetzung gelungen ist, können sie bestätigen. Das Quartier ist gut an den öffentlichen Verkehr angebunden, sie fühlen sich gut vernetzt. Es gibt mehrere Velo-Keller und eine Einstellhalle, die Entsorgung funktioniere gut und sie geniessen auch die Einkaufsmöglichkeiten und gute Gastronomie in unmittelbarer Nähe. Direkt unter ihrem Balkon wird derzeit Quartiergarten und Kompost angelegt. Lediglich wegen den gemeinschaftlich genutzten Waschräumen war Frau Walter zu Beginn skeptisch, doch findet diese jetzt genial.

Die Terrasse © Armin Schärer : Architektur Basel

„Die soziale Durchmischung findet völlig statt.“

Auf ihrem Geschoss befindet sich auch eine Wohnung für Menschen mit niedrigem Einkommen und da sie diese Nachbarschaft bisher nicht kannten, finden sie den Austausch umso spannender. Während dem Umzug und der Eingewöhnung waren Frau und Herr Walter mit der Verkleinerung ihres Haushaltes und sich selbst beschäftigt, sind nun aber bestrebt, sich zu vernetzen. Doch wie sie aus ihrem alten Quartier wissen, entwickelt sich eine vernetzte und gute Nachbarschaft nicht von heute auf morgen, denn gut Ding will Weile haben. Um das Projekt ,vertical village’ nennen zu können, würde ihnen noch eine Post und ein Markt fehlen, denn an diesen Orten trifft man sich in einem Dorf. Aber sie sind guter Dinge, denn die Baugenossenschaft macht ihrem Namen «wohnen & mehr» alle Ehre und startet, wie auch der Quartierverein, gute Initiativen.

Die Materialität der Eingangshalle © Ariel Huber Photography

Bei einer Umnutzung müssen immer auch Kompromisse eingegangen werden. Da es Balkone nur an den kurzen Ost- und West-Seiten gab, grenzen, dort wo nicht gemeinschaftlich genutzt, verhältnismässig kleine Wohnungen an grosse Aussenräume. Im Fall von Frau und Herr Walter ist dies jedoch in ihrem Sinne. Und auch wenn die Umnutzung aus ihrer Sicht als Bewohner*innen gelungen ist, konnten wir den Anfang der grosszügigen Kaskadentreppe in der Eingangshalle nicht direkt ausmachen und fragen uns, ob diese stark genug frequentiert ist, um bei den Bewohnenden ein Miteinander-Gefühl hervorzurufen. Auch die verhältnismässig wenig gestaltete Materialisierung der zentralen Wohnräume und Küchen, erschliesst sich uns, im Vergleich zur präzise gestalteten Materialität der Eingangshalle, nicht vollumfänglich. Aber diese ist, wie auch Frau und Herr Walter über die neue Möblierung der Eingangshalle von den Innenarchitekten Bravo Ricky sagen, Geschmackssache.

Eingangshalle © Armin Schärer : Architektur Basel

Dass die äussere Gestalt des ehemaligen Spitals gewahrt bleiben konnte und sich die Bewohnenden in den neuen Wohnungen im Inneren wohlfühlen, ist eine Win-win-Situation. Allem voran konnte der Abriss des Gebäudes verhindert werden. Beim Kampf gegen diesen, wurden die Initianten vom Gebäude selbst unterstützt, dessen Gestaltung förmlich artikuliert: „Ich bleibe hier.“ Die Umnutzung des Felix Platter-Spitals zeigt, dass sich die Chancen auf eine Umnutzung für ein Gebäude um ein Vielfaches erhöhen, wenn dieses solide und mit hoher gestalterischer und bautechnischer Präzision und Qualität geplant und gebaut wird. Denn wo kein städtebaulicher, gestalterischer und identitätsstiftender Erhaltungswert, da keine Chance. Unter Betrachtung dieser These fragt man sich, ob eine Umnutzung des neuen Felix Platter-Spitals wohl jemals in Erwägung gezogen werden wird?

Was die Umnutzung abermals zeigt: Die Menschen der Stadt Basel können etwas bewegen. Wenn jemand die Initiative ergreift, unermüdlich für etwas kämpft und den, oftmals steinigen, Weg bis zum Ende geht, kann das unmöglich erscheinendste Projekt bestenfalls umgesetzt werden. Nicht zuletzt macht die Umnutzung des Felix Platter-Spitals Mut. Und für den weiteren Kampf für Umnutzung statt Abriss und Neubau, bleibt uns folgender Satz im Kopf: Wo ein Wille, da ein Weg.

Text: Johanna Bindas / Architektur Basel

 

 

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