Wie sieht ihr Traumhaus aus? Soll es am mondänen Strand in der Sonne stehen oder lieber in luftigen Höhen? Lust auf den Luxus einer grossen Villa oder doch Bodenständiges im ländlichen Haus? Als ob dies nicht schon genug wäre, dürfen wir auch gleich noch den Garten aussuchen; nicht zu vergessen den Zaun… Als sich Europa vom Zweiten Weltkrieg erholte und die Wirtschaft brummte, wurde das Leben in den eigenen vier Wänden nicht nur zur Sehnsucht, nein, die – nennen wir sie mal Bau- und Wohnzubehörindustrie wusste kaum noch, wie ihr geschah. Das «Wohnen» wurde zum Lifestyle schlechthin. Kein Wunder also, fragte die Fashion-, Styling- und Designzeitschrift Elle uns 1962 nach unseren Wohnpräferenzen…
Das erschwingliche Eigenheim wird möglich
Die Ausstellung «Modern Living» im Museum Kleines Klingental kann und möchte die sehr persönliche Frage nach dem eigenen Traumhaus nicht beantworten, untersucht aber das Umfeld dieser Sehnsucht. Ab 1945 geht es aufwärts, das Automobil als persönliches Fortbewegungsmittel erfreut sich höchster Beliebtheit, wer kann, zieht aufs stadtnahe Land. Dort entstehen im Boom die verschiedensten Wohntypologien von der Reihenhaussiedlung über Terrassenhäuser und Wohnblocks bis hin zur Atriumsiedlung. Auf eine Bauform trifft man dabei besonders häufig: das Einfamilienhaus. Bedeutete das Einfamilienhaus für viele Menschen das erste eigene und individuelle – und erschwingliche notabene – Heim mit etwas Umschwung, so war es auch für viele junge Architektinnen und Architekten eine neue, aber durchaus willkommene Bauaufgabe; ja gar ein Experimentierfeld. Insbesondere internationale Einflüsse aus Skandinavien etwa oder den USA fanden Anklang – sowohl bei Planenden als auch bei den späteren Bewohnerinnen und Bewohnern. Referenzen der Architekten Ludwig Mies van der Rohe, Marcel Breuer oder Alvar Aalto standen hoch im Kurs.
Funktional, intelligent – und im Grünen
Kern der Ausstellung «Modern Living» der beiden Architekturhistoriker Michael Hanak und Klaus Spechtenhauser sind Portraits von sechs ausgewählten Einfamilienhäusern in der Region Basel. Sie alle geben sich in ihrer formalen Gestaltung unterschiedlich, verfolgen aber ähnliche Konzepte wie funktional konzipierte Grundrisse, intelligente räumliche Abläufe oder eine enge Verbindung vom Haus zur Umwelt. So stehen die sechs Häuser denn auch mehr oder minder im Grünen oder an Hangsituationen; Orte, die für Einfamilienhäuser gemacht sind. Jedenfalls Orte, an denen andere Bauformen wohl fehl am Platz wären. Allerdings beschränkten sich die die Einfamilienhäuser nicht darauf, sondern überwucherten zu abertausenden das flache Schweizer Mittelland. Die Industrie bediente den Wunsch nach Individualität gnadenlos, bis das persönliche zur langweiligen Norm wurde. Weitaus mehr als die Hälfte aller Gebäude im Baselbiet sind Einfamilienhäuser.
«Die langfristigen Konsequenzen dieser Entwicklung sind längst bekannt; Zersiedelung, Agglomerationsbildung und der steigende Individualverkehr.»
«Die langfristigen Konsequenzen dieser Entwicklung sind längst bekannt,» sagt Klaus Spechtenhauser zu Architektur Basel: «Zersiedelung, Agglomerationsbildung oder der steigende Individualverkehr. Die breite Masse an durchschnittlichen Einfamilienhäusern hat uns aber nicht interessiert,» fügt er an. «Interessant sind jene Einzelbeispiele, die von einem erheblichen baukünstlerischen Anspruch zeugen. Vereinzelt gehen aus dieser Zeit Bauten hervor, wie es innerhalb klar definierter Rahmenbedingungen anderer Bauaufgaben nicht möglich gewesen wäre.»
Tatsächlich schwingen die sechs portraitierten Gebäude obenaus. Etwa das Haus Otto in Liestal von Architekt Rolf G. Otto aus dem Jahr 1958 oder das Haus Vischer im französischen Hégenheim der Architekten Felix Schwarz und Rolf Gutmann aus dem Jahr 1960 zeigen auf, «wie Einfamilienhaus geht». Seien es die äusserst harmonische Beziehung zwischen Innen und Aussen von Otto, oder die extravagante Dachkonstruktion von Ingenieur Heinz Hossdorf auf dem Gebäude von Schwarz und Gutmann.
«Gesucht waren Bauten, bei denen bestimmte gestalterische Grundhaltungen und zentrale Themen der damaligen Zeit gut zum Ausdruck kommen.»
«Die Auswahl, die wir getroffen haben, steht stellvertretend für eine Menge anderer Gebäude in der Region,» sagt Spechtenhauser, «gesucht waren Bauten, bei denen bestimmte gestalterische Grundhaltungen und zentrale Themen der damaligen Zeit gut zum Ausdruck kommen. Zudem befinden sich die gezeigten Häuser in gutem Zustand.»
Eine erweiterte Auswahl an Objekten gibt es in einer kurzweiligen Slideshow zu sehen; in «Panoptikum Einfamilienhaus» fokussieren die beiden Kuratoren Themen wie Materialisierung, Konstruktion, die Unterbringung von Fahrzeugen oder das Bauen an Hanglagen.
Von der Architektur des Gebäudes findet die Ausstellung den Weg über die Innenraumgestaltung, wie etwa dem passenden Cheminée bis zum einzelnen Möbel; Anschauungsobjekte inklusive. Nun schliesst sich der Kreis mit den Fashion- und Designmagazinen wieder. Zum architektonisch wertvollen Haus gehört zwingend das passende Intérieur. Ein Blick auf das Programm der hiesigen Möbelhäuser zeigt: Möbel mit Stil – ja bitte!
Lassen sich solche Gebäude sinnvoll sanieren?
Wie aber steht es heute um die gebauten Pioniere der Nachkriegszeit? Die meisten der damals errichteten Gebäude entsprechen nicht im Entferntesten den heutigen Energievorschriften. Damit die Häuser auch weiterhin sinnvoll betrieben werden können, sind diverse Eingriffe an Gebäudehülle und Haustechnik nötig. Ganz abgesehen davon, stehen beim Wechsel von Besitzerinnen und Besitzern oftmals räumliche Umorganisationen auf der Agenda. Wie flexibel sind diese Bauten? Was lässt sich im Rahmen des Denkmalschutzes überhaupt machen? Was sind sinnvolle Eingriffe? Die Ausstellung thematisiert diese Fragestellung anhand verschiedener aktueller Umbau- und Sanierungsprojekte in der Umgebung.
Jaeger Koechlin Architekten etwa erneuerten 2016 in Arlesheim ein Einfamilienhaus aus dem Jahr 1968. Das hauptsächliche Ziel bestand darin, trotz Sanierung die zeittypische Sichtbetonfassade zu erhalten. Im selben Jahr beschäftigten sich Staehelin Meyer Architekten mit dem Umbau eines Sichtbackstein-Einfamilienhauses von Architekt Martin Burckhardt aus dem Jahr 1968 in Muttenz.
Dieser Abschnitt der Ausstellung lässt einen trotz innovativen Projekten etwas unentschlossen zurück. Leider widmet sich «Modern Living» der Frage des Erhalts, der Adaption und Überführung dieser wunderbaren Bauten in die heutige Zeit mit weitaus weniger Herzblut als jener der ursprünglichen architektonischen Qualitäten. Das ist eigentlich schade, finden wir uns doch im Alltag gerade mit dieser Problematik wieder.
Das Einfamilienhaus ist nicht tot – aber Achtung!
Die insgesamt sehr sorgfältig recherchierte und präzise kuratierte Ausstellung zeigt nicht nur Pläne, Bilder und Objekte. Nein, sie hebt auch leise, aber bestimmt den Mahnfinger. Das in Zeiten der inneren Nachverdichtung und im Geiste des Kampfes gegen die allgegenwärtige Zersiedelung der Landschaft in Verruf geratene Einfamilienhaus hat nämlich noch immer seine Berechtigung. Damit kommen wir nochmals auf den Anfang zurück: Es gibt Orte, an denen das Einfamilienhaus durchaus die richtige Typologie darstellt. Auf das meiste noch freie Bauland trifft dies aber nicht zu. Diesem Umstand sollten wir uns alle – sowohl als Planende, als auch als Auftraggebende dringend bewusst sein.
Dann kommt es gut mit dem Pool, mit dem Cheminée, dem Flachdach – oder doch dem Steildach? Am Meer oder im Schnee, mit oder ohne Garage, mit oder ohne Keller. Zurückhaltend oder expressiv. Daher nochmals die Frage: Wie sieht ihr Traumhaus aus?
Neugierig? Lust auf Inspiration? Die Ausstellung ist noch bis Mitte März 2021 zu sehen!
Text: Simon Heiniger / Architektur Basel
MODERN LIVING
Einfamilienhäuser in Basel und Umgebung 1945 – 1975
Museum: Museum Kleines Klingental, Basel
Dauer: 1. Juni 2020 bis 14. März 2021
Kuratorenteam: Michael Hanak, Klaus Spechtenhauser
Fotos:
Mit freundlicher Genehmigung des Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt:
– Bild 1: Suter & Suter, Einfamilienhaus in Binningen (BL), 1960/61, Foto: Peter Heman. SWA, PA 510, Suter & Suter/© Nachlass Peter Heman (Peter Röllin)
– Bild 2: Max Rasser, Tibère Vadi, Einfamilienhaus Sponagel, Riehen (BS), 1967/68, Foto: Christian Baur. StABS, BSL 1043 2-1148 4
– Bild 3: Rolf G. Otto, Einfamilienhaus Otto, Liestal (BL), 1958/59, Foto: Heiner Grieder
– Bild 4: Felix Schwarz, Rolf Gutmann, Haus Vischer, Hégenheim, Haut-Rhin (F), 1960/61, Foto: Alexander von Steiger
– Bild 5: Wachsender Flächenkonsum in der Hochkonjunktur: Riehen (BS), Foto: Swissair Photo AG. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Stiftung Luftbild Schweiz