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Zahnloser Papiertiger? ‹Position 2024› proklamiert Basel als «Stadtlabor»

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In was für einem Basel wollen wir 2050 leben? Nach Antworten auf diese Frage sucht das Forum Städtebau der kantonalen Dienststelle «Städtebau & Architektur» seit 2018. Nach den Dialogtagen, die vergangenes Jahr stattfanden, formuliert die ‹Position 2024› nun erstmals konkrete Massnamen. Wie sehen diese aus? «Es fehlen die radikalen Ideen, die echten Überraschungen, die mutigen Ansätze», findet unser Redaktor Lukas Gruntz in seinem Kommentar.

«Das Ausrufezeichen impliziert: Hier sollen Experimente stattfinden. Tatsächlich sind einige spannende Ideen dabei: Eine Massnahme fordert, «dass untersucht wird, wie das Weiterbauen erleichtert werden kann.»

Position 2024

Mitte September wurde der Entwurf der ‹Position 2024› publiziert. Das Dokument umfasst 31 Seiten – und hat vier Spalten. Im unterschied zur schön gestalteten Webseite kommt es spröde und visuell wenig ansprechend daher. Stilnote: Trockenes Arbeitspapier. Sieben Positionen – mit den Buchstaben A bis G – finden ihre Umsetzung in möglichen ‹Massnahmen›. Die einzelnen Positionen werden pointiert zusammengefasst: Von «Basel stärkt seine blauen und grünen Identitäten!» bis «Basel teilt und nutzt seine Ressourcen gemeinsam!». Das sind erst mal Schlagworte. Umso interessanter ist der Blick auf die skizzierten Massnahmen. «Basel ist ein Stadtlabor!», heisst es. Das Ausrufezeichen impliziert: Hier sollen Experimente stattfinden. Tatsächlich sind einige spannende Ideen dabei: Eine Massnahme fordert, «dass untersucht wird, wie das Weiterbauen erleichtert werden kann. Insbesondere sind Normen und Gesetze spezifisch anzupassen, etwa im Rahmen einer Umbauordnung.» Viel zu oft verhindern gesetzliche und normative Vorgaben trag- und vor allem bewilligungsfähige Lösungen beim Bauen im Bestand. Eine weitere bedenkenswerte Massnahme betrifft den «City Ring», der heute vor allem dem motorisierten Verkehr dient. Der Stadtraum entlang «der ehemaligen Befestigungsmauern und -gräben» solle sich in «einen grünen Ring wandeln». Ebenso wird ein Basler Klassiker reaktiviert: Das «Ausdolen von zugedeckten Wasserläufen» als Beitrag zur «Blauen Stadt». Dass insbesondere die Birsig in der Talstadt wieder eine stärkere Präsenz erhalten könnte, entspricht seit längerem dem Wunsch von vielen Basler:innen. Am Marktplatz gab es 1979 einen Entwurf von inzwischen weltberühmnten Architekten: “The project proposal brings the course of the river back into visibility through the addition of several fountains.”

Ganz allgemein sind die Massnahmen zu wenig anschaulich, zu wenig konkret formuliert. Sie lesen sich verkopft: «Die Interessen auch der nichtmenschlichen Mitwelt ist in den verschiedenen Aushandlungsprozessen zu berücksichtigen.»

Position 2024

Von der Bubble für die Bubble? Es muss gesagt sein: Die Mehrheit der Basler Bevölkerung wird die ‹Position 2024› kaum begeistern. Das liegt nicht nur an der spröden Grafik des Dokuments. Zu theoretisch ist der Duktus – und vor allem die Sprache: Es seien «in Reallaboren alltagsnahe Experimente für den sozialen, räumlichen und ökologischen Umgang in Grenzräumen zu erproben, wie zum Beispiel die Verknüpfung der Polyzentren durch direkte Verkehrsnetze, Kulturangebote, Stärkung der Zentren, Ausbau der Verkehrsverbünde, ein regionales Fahrrad-Netz und abgleichende städtebauliche Entwicklungspfade.» Alltagsnahe Sätze lesen sich anders. Ganz allgemein sind die Massnahmen zu wenig anschaulich, zu wenig konkret formuliert. Sie lesen sich verkopft: «Die Interessen auch der nichtmenschlichen Mitwelt ist in den verschiedenen Aushandlungsprozessen zu berücksichtigen.» Zudem solle man «sich der Durchdringung des öffentlichen Raumes durch die Folgen der Digitalisierung bewusst zu werden und, wo im öffentlichen Interesse sinnvoll, gezielte Massnahmen zu ergreifen.» Was bitte heisst das? Keine neuen 5G-Antennen? Oder eine smartphonefreie Altstadt? Das Papier liefert keine Präzisierung. An anderer Stelle sind die Ideen zwar mit guter Absicht, aber generisch formuliert: Beispielsweise fordert eine Massnahme, «dass untersucht wird, wie ressourcenschonendes und kreislauffähiges Neubauen unterstützt werden kann.»

Es fehlen die radikalen Ideen, die echten Überraschungen, die mutigen Ansätze. Stattdessen liest man vom «Ausbalancieren zwischen den Herausforderungen des Klimawandels und den Ansprüchen von Wirtschaft und Wachstum.»

Position 2024

Es bleibt zu hoffen, dass die ‹Position 2024› kein zahnloser Papiertiger ist. Eine kantonale «Umbauordnung» wäre beispielsweise eine wichtige Errungenschaft. Dennoch offenbart sich die Schwierigkeit des behördlichen Aktivismus. Es fehlen die radikalen Ideen, die echten Überraschungen, die mutigen Ansätze. Stattdessen liest man vom «Ausbalancieren zwischen den Herausforderungen des Klimawandels und den Ansprüchen von Wirtschaft und Wachstum.» Das ist schwammig. Wenn etwas das Klima weiter aus der Balance bringt, dann ist es Zögern und Zaudern. Wie wäre es mit einem Abbruch-Moratorium? Einer kantonalen CO2-Steuer? Wieso liest man nichts zur Bodenfrage? Der Wichtigkeit von kleinteiligem Grundeigentum? Der konsequenten Förderungen von gemeinnützigen Bauträgern? Ebenso wenig wird die Frage der künftigen Energieversorgung – und vor allem der Speicherung – thematisiert. Es ist klar: Die rotgrünliberalbürgerliche Regierung muss die ‹Position 2024› absegnen. Das impliziert mehrheitsfähige Massnahmen – und widerspricht damit der Hoffnung nach mutigen Experimenten im «Stadtlabor» Basel.

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel


INFO
Forum Städtebau ‹Basel 2050›

Seit 2018 reflektiert die Dienststelle Städtebau & Architektur (S&A) des Bau- und Verkehrsdepartements des Kantons Basel-Stadt den Städtebau und den Umgang mit Zukunftsfragen in verschiedenen Formaten unter dem Dach des Forum Städtebau ‹Basel 2050›. 2022 mündeten diese Reflexionen in die durch S&A entwickelte ‹Position 2022›. In Kooperation mit der Kantons- und Stadtentwicklung des Präsidialdepartements und Immobilien Basel-Stadt des Finanzdepartments wurden auf dieser Grundlage die ‹Dialogtage 2023› durchgeführt.

Der Entwurf der ‹Position 2024› ist die schlüssige Fortschreibung der Impulse aus den Dialogen der ‹Dialogtage 2023›. Darüber hinaus ist der Entwurf der ‹Position 2024› mit möglichen ‹Massnahmen› versehen. Über die Durchführung der ‹Dialogtage 2023› und die Impulse aus den Dialogen, sowie dem Entwurf der ‹Position 2024› wird dem Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt 2024 berichtet. Gleichzeitig wird dem Regierungsrat unterbreitet, dass 2025 die möglichen ‹Massnahmen› mit den zuständigen Stellen überprüft und konkretisiert werden mit dem Ziel, diese Ende 2025 in einem Kreditantrag vorzulegen.

www.basel2050.ch

 

 

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