Es fällt auf. Das Haus den Furkastrasse zieht neugierige Blicke auf sich. Das übergrosse Fenster oberhalb der Garage schaut genauso gespannt zurück in den Strassenraum. Es handelt sich um ein besonderes Stadthaus von XM Architekten aus Basel, das aus der knappen Parzelle ein Maximum an räumlicher Vielfalt herausschält. Wir haben dem beschaulichen Bachlettenquartier einen Besuch abgestattet.

Wohnhaus Furkastrasse © Valentin Jeck
Sie versprüht die spröde Schönheit der Basler Kleinbürgerlichkeit. Es reihen sich propere Einfamilienhäuser aneinander. Hie und da ein Mehrfamilienhaus. Die Bauten sind solide und währschaft. An der Furkastrasse findet man keine besondere Architektur. Eine Ausnahme macht seit kurzem die leicht schimmernde Fassade von Haus Nummer 35. Das übergrosse Fenster im ersten Obergeschoss ist kaum zu übersehen. Das Haus mit doppeltem Attika verneint keinesfalls, eine Zeitgenosse zu sein. In der Häuserzeile dominieren ansonsten ziegelbedeckte Giebeldächer. Der Biederkeit entzieht sich der Neubau von XM Architekten – ohne überheblich zu wirken. Architekt Piotr Brzoza erklärt: «Die Gestaltung der Fassade sucht nach einer Balance zwischen Eigenständigkeit und Bezug auf den Kontext – das betrifft sowohl die geometrische Logik der Fensteröffnungen, die Vordächer der oberen Fassadenabschlüsse, wie die Wahl der Materialien.» Das silbrig schimmernde, kleinformatige, japanisch-glasierte Keramikmosaik kontrastiert und reflektiert den Kontext. Es ist eine ungewöhnliche Materialwahl, die sich in die Strassenzeile jedoch überraschend selbstverständlich einfügt. Die Fassade habe «eine Oberflächenstruktur, die dem groben Putz der Häuser aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts ähnelt», sagt Brzoza.

Grundrisse © XM Architekten
Das Haus ist auf die Bedürfnisse der vierköpfigen Familie von Architekt Brzoza zugeschnitten – oder besser gesagt: massgeschneidert. Das Haus entspricht den programmatischen Anforderungen exakt: Bedeutend war beispielsweise die Bibliothek, die sich hinter dem grossen Fenster zur Strasse verbirgt. Ein wichtiger Raum «da meine Frau sehr viel vom Home-Office aus arbeitet», bemerkt Brzoza. Es ist ein schöner, besonders hoher Raum: Das Bücherregal mit Leiter im Rücken lässt es sich am grossen Arbeitstisch vor dem Fenster sicher bestens arbeiten. Im ersten Obergeschoss befindet sich das Elternschlafzimmer im darüberliegenden Geschoss die Kinderzimmer, die je über einen eigenen Balkon verfügen. Gekrönt wir das Haus vom Dachzimmer, das beidseitig über einen grossen Balkon verfügt. Hier lassen sich gut Feste feiern – oder den Sonnenuntergag über Allschwil geniessen.

Wohnhaus Furkastrasse © Valentin Jeck

Wohnhaus Furkastrasse © Valentin Jeck
Der knappe Raum wird maximal genutzt: Das Wohnen erstreckt sich über zwei Geschosse. Im leicht abgesenkten Sockelgeschoss wird gekocht und gegessen. Darüber befindet sich der Wohnraum, der durch eine kleine Eckgalerie in Form eines Viertelkreises mit dem Esszimmer im räumlichen Bezug steht. Die Arbeit im Schnitt war für XM Architekten wichtig. Die Typologie wurde dreidimensional entwickelt. Man fühlt sich ein wenig an die Idee des «Raumplans» von Adolf Loos erinnert: Räume sind an kein durchgehendes Geschoss gebunden, sondern werden so ineinander verwoben und verschachtelt, sodass ein komplexes Raumgefüge entsteht, wobei jeder Raum die für seine Funktion und Repräsentation angemessene Dimension erhält. Als Meisterwerk dieser Idee gilt die Villa Müller in Prag. Die Analogie mag vielleicht etwas weit hergeholt sein – und dennoch ist die konsequente Arbeit im Schnitt bemerkenswert. Sie ist heute leider zur Ausnahme geworden. Brzoza dazu: «Die dreidimensional offen fliessende Raumfigur definiert sich jeweils über differenzierte Beziehungen untereinander, sowie zur Strasse und dem Hof.»

Querschnitt © XM Architekten
Leise Kritik sei erlaubt: Auf ökologischer Ebene leistet der Ersatzneubau (zu) wenig. Viele architektonischen Themen hätten sich auch mit weniger CO2-Aufwand realisieren lassen. Wieso kein Holz- oder Lehmbau? Brzoza führt den Vorteil der hohen Speichermasse eine Betondecke ins Feld: «Die unverputzte Decken bringen eine grosse Speichermasse mit sich. Für die thermische Behaglichkeit». Es ist ein vermeintlicher Zielkonflikt, dem man oft begegnet: Behaglichkeit versus Ökologie. Dabei gäbe es Auswege, wie ein architektonischer Sonnenschutz, damit die Wärme erst gar nicht ins Haus gelangt. Oder eine Fassadenbegrünung zur Kühlung von Innenraum und Umgebung. Wir wollen hier nicht Moralapostel spielen. Trotzdem scheint es wichtig, dass man auch bei kleinen Projekten einen ökologischen Beitrag anstrebt, der über das Erfüllen des strengen, kantonalen Energiegesetzes hinausgeht. Immerhin ist das Haus betreffend Wärmeerzeugung top: «Dank der hochgedämmten Gebäudehülle, Erdwärmesonde und hocheffizienten Photovoltaik-Paneelen konnte der Energiebedarf aufs Minimum reduziert werden», erklärt Brzoza.

Wohnhaus Furkastrasse © Valentin Jeck
So viel ist gewiss: Die Furkastrasse ist um einen spannenden Zeitgenossen reicher. Der baukulturelle Beitrag überwiegt die leichten Abzüge für die mangelnde ökologische Recherche. Letztlich hat Architektur vor allem mit Form und Raum zu tun. Oder mit den – zugegebenermassen etwas pathetischen – Worten von Le Corbusier: «Architektur ist das kunstvolle, korrekte und grossartige Spiel der unter dem Licht versammelten Baukörper.» Die zeitgenössische Interpretation des Stadthauses von XM Architekten beweist, wie man aus knappen räumlichen Gegebenheiten viel Grosszüigigkeit und spannende Raumbezüge schafft. Das Geheimnis liegt im Schnitt.
Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel
Stadthaus Furkastrasse, Basel
Bauherren: privat
Architekten: XM Architekten GmbH
Team: Piotr Brzoza, Daniel Kiss
Baujahr: 2021 – 2022
Statik: Bauingenieure Haller & Partner, Oberwil
HLSE-Planung: SGT, Solothurn
Fotos: Valentin Jeck