Architekt ohne viel Aufhebens – Max Alioth

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Er zeichnete, plante und baute – ohne viel Aufhebens. Besonders gesprächig sei er nicht gewesen. Ein Mann der Tat. Max Alioth (1930 – 2010) war für die Basler Architektur eine wichtige Figur. Die Gründung – und das Überleben – des Architekturmuseums wäre ohne sein Engagement undenkbar gewesen. Umso erfreulicher, dass sich ein Buch dem Wirken und Schaffen des Basler Architekten widmet. Wir haben einen Blick hineingeworfen.

Max Alioth © Scheidegger & Spiess

Wir beginnen mit der Form. Ein blaues Buch. Das eingefärbte Papier und die geprägten Buchstaben wirken unauffällig – und hochwertig zugleich. Das Buch drängt sich nicht auf. Die formale Schönheit erkennt man auf den zweiten Blick. Damit verbindet sich die äussere Erscheinung mit der Haltung von Max Alioth: Ohne laute Töne, die Arbeit sprechen lassen. Das handliche Format, das robuste, 135g/m schwere Papier und die einheitliche Serifenschrift, Swiss Works, tragen ihren Teil dazu bei. Die zweisprachige Gestaltung von Beat Keusch überzeugt: Deutsch in dunkelblau; Englisch in schwarz. Die Gliederung der Kapitel ist schlüssig. Verdankenswert ist das Werkverzeichnis am Schluss, das alle Bauten von Alioth chronologisch zusammenfasst. Einzig eine Biografie in ähnlicher Form hätte man sich gewünscht, wobei dies im ersten Kapitel ein Stück weit vorgeholt wird.

Max Alioth © Scheidegger & Spiess

Inhaltlich beginnt das Buch nämlich mit einer kurz-knappen biografischen Annäherung, die von Ulrike Jehle-Schulte Strathaus verfasst wurde. Sie skizziert in wenigen Worten den Weg von der Hochbauzeichnerlehre bei Ernst Egeler über die Wanderjahre bei Beaudouin in Paris und Eiermann in Brüssel bis zum Engagement in Marokko: «Max Alioth verstand seine Aufgabe immer auch in einem weiteren Sinne als kulturelle Verpflichtung und engagierte sich in verschiedenen Institutionen.» Die für Basel wichtigste war das Schweizerische Architekturmuseum S AM, das er mitgründete. Roger Diener beleuchtet die wechselvolle Geschichte des Museums – und das unermüdliche Engagement von Alioth, insbesondere in schwierigen Zeiten, als die Institution am finanziellen Abgrund stand. «Seine ungeschönte, realistische Einschätzung der schwierigen ökonomischen Aspekte, verbunden mit seiner Liebe für das Architekturmuseum, bildeten ein feingliedriges und dennoch unzerstörbares Bollwerk», schreibt Diener. Alioth war massgeblich am Umzug vom Domus-Haus in die Kunsthalle beteiligt, wobei es von einer lokalen zur «Schweizerischen» Institution aufsteigen sollte. Beides gelang nur dank Alioth, wie Diener eindrücklich schildert: «Damit das Schweizerische Architekturmuseum ohne ökonomische Altlasten neu lanciert werden konnte, galt es, die beträchtliche Hypothek des Domus-Hauses abzulösen – eine nicht zu bewältigende Aufgabe. Ich erinnere mich an die Ratlosigkeit im Stiftungsrat und das betroffene Schweigen. Da sagte Max ganz ruhig, dass er das bereits selbst besorgt hatte.»

Max Alioth © Scheidegger & Spiess

Max Alioth © Scheidegger & Spiess

Im Hauptteil des Buches werden sechs «Ausgewählte Bauten» anhand von Kurzbeschrieb, Fotos, Skizzen und Originalplänen dokumentiert. Den Anfang macht das «Haus am Rebberg», dem Erstling von Alioth in Reinach, erbaut 1961. Inzwischen wurde es bedauerlicherweise abgebrochen. Der einfache Holzbau war ganz dem «Neuen Bauen» verpflichtet. Ein Splitlevel schaffte trotz knapper Grundfläche spannende Raumbezüge und nimmt die Topografie der Hanglage auf. In seiner konstruktiven Einfachheit wirkte das Haus überraschend zeitgenössisch: «Betonsockel, Holzständerkonstruktion, Backsteinmauerwerk und Eternitschindelverkleidung vermitteln eine Architekturauffassung der Unmittelbarkeit und der Genügsamkeit», beschreibt es treffend. Das weitere Werk – sei es das «Altershotel Dalbehof» oder das Mehrfamilienhaus an der Hardstrasse – zeugen von einer langsamen Abwendung von den Ideen des «Neuen Bauens».

Max Alioth © Scheidegger & Spiess

Max Alioth © Scheidegger & Spiess

Eine besondere Trouvaille ist das «Haus für zwei» an der Angensteinerstrasse, das Alioth 1985/86 für sich und seine Frau baute. Auf einem Restgrundstück von 90 Quadratmetern entstand auf knappen Raum ein äusserst raffiniertes Raumwerk. Dank einem zentralen Oberlicht wurde mit zenitalem Licht gekonnt Regie geführt. Der postmoderne Ausdruck zeugt von der intensiven Auseinandersetzung mit dem historischen Kontext.

Max Alioth © Scheidegger & Spiess

Soviel steht fest: Das Buch darf in keiner Basler Architekturbibliothek fehlen. Es wirft ein spannendes Schlaglicht auf Max Alioth – auch wenn es inhaltlich nicht immer aus einem Guss daherkommt. Etwas überbordend ist die Hochschule in Marrakesch vertreten, die auf fast einem Drittel der Buchseiten dokumentiert wird, wobei die zahlreichen, teilweise grossformatigen Fotos von eher bescheidener Qualität sind. Sicherlich handelt es sich dabei um ein wichtiges, imposantes Werk, wobei die Bezüge zu restlichen Schaffen von Alioth nicht ganz einfach herzustellen sind – und im Buch auch nicht weiter vertieft werden. Vielleicht entspricht der Eindruck des Fragmentarischen der architektonischen Haltung des Protagonisten: Alioth war kein Verfechter einer einzigen, grossen Idee, sondern vielmehr ein neugieriger Beobachter, ein stiller Schaffer. In seinen wunderbaren Skizzen und Zeichnungen – insbesondere den Aquarellen – kommt dies eindrücklich zum Vorschein. «Dass Architekten zeichnen, ist selbstverständlich. Dass sie den Zeichenstift jedoch ausserhalb des Berufs, auf Reisen etwa, einsetzen, ist im Zeitalter der handlichen Kleinbildkameras und Polaroidmaschinen seltener geworden», schreibt Ulrike Jehle-Schulte Strathaus. Noch seltener ist es seit der flächendeckenden Verbreitung von Smartphones samt Instagram-App. Doch, dass das Zeichnen die beste Form des präzisen, subjektiven Beobachtens ist, bewies Max Alioth eindrücklich. Insofern ist sein Werk eine willkommene Inspiration und subversiver Ansporn: Liebe Architektinnen und Architekten zeichnet – und engagiert euch!

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel


Max Alioth
Architekt Zeichner Wegbereiter

Herausgegeben von Beat Keusch und Ulrike Jehle-Schulte Strathaus. Mit Beiträgen von Roger Diener, Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, Vincent Melilli und Andreas Ruby. Fotografien von Serge Hasenböhler und Christian Vogt

CHF 39.00 | EUR 38.00
Text Deutsch und Englisch
172 Seiten, 69 farbige und 55 sw Abbildungen, Gebunden
17 x 24.5 cm
Scheidegger & Spiess, ISBN 978-3-03942-089-6

 

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