Im zweiten Teil des Monatsinterviews mit Architektin Barbara Buser sprechen wir aus aktuellem Anlass über die Funktion und Bedeutung der Basler Stadtbildkommission. Buser ist selbst Mitglied der Komission und sagt über ihre Aufgabe: «Wir machen eine schwierige Arbeit. Wenn ich die Stadt Basel anschaue, denke ich, dass die Stadtbildkommission ihre Arbeit nicht so schlecht gemacht hat.» Ein Gespräch über Baukultur, Verantwortung, die «gute Gesamtwirkung», Monotonie und falschverstandener Originalität.
Lukas Gruntz (Architektur Basel): Die Stadtbildkommission steht seit einiger Zeit unter Beschuss. Du selbst bist seit rund zwei Jahren Mitglied des Gremiums. Wie gehst du mit dieser Kritik um?
Barbara Buser: „Ich bin persönlich betroffen, da sich die Kritik damals an einem unserer eigenen Projekt entzündet hat. Das war die neue Fassadenverkleidung der Wohnbaugenossenschaft an der Reinacherstrasse. Da hat sich die Bauherrschaft über die Art und Weise geärgert, wie die Stadtbildkommission mit ihnen umgegangen ist. Heute pflegen wir meines Erachtens einen sehr guten Umgang mit den Architekten, die ihre Projekte bei uns vorstellen kommen. Ich staune aber über die unterschiedliche Qualität der Projekte. Gewisse sind stimmig, in sich logisch. Da kann man nur sagen: Super, macht weiter so! Bei anderen da harzt es. Die kommen zweimal oder dreimal und das Projekt entwickelt sich nicht wirklich.“
Die Kommission soll gemäss Motion in den Nummernzonen, die einen Grossteil der Stadt ausmachen, künftig keine verbindlichen Entscheide mehr treffen. Was heisst das für eure Arbeit?
„Es wird mühsamer für die Behörden, wenn wir nur noch eine Empfehlung abgeben können. Über Geschmack lässt sich nicht streiten – oder wenn, dann lange… Es gibt einen vorherrschenden Geschmack und dann gibt es Dinge, die da nicht reinpassen. Sollen wir Fassadenbilder erlauben? Brauchen wir ein Gesetz dagegen? Was spricht dafür? Wir machen eine schwierige Arbeit. Wenn ich die Stadt Basel anschaue, denke ich, dass die Stadtbildkommission ihre Arbeit nicht so schlecht gemacht hat. Ehrlich gesagt würde ich mir wünschen, dass wir andere Dinge beurteilen könnten. Zum Beispiel, ob man ein Haus überhaupt abreissen darf. Wenn man aus einer intakten Reihe von Häusern aus der Gründerzeit einfach eins rausreisst, finde ich das schrecklich. Da wird dann oft mit der Notwendigkeit der Verdichtung argumentiert.“
«Mich hat irritiert, dass sich niemand so richtig für die Stadtbildkommission eingesetzt hat – weder der SIA noch der BSA. Es ging kein Aufschrei durch die Landschaft.»
Betreffend Stadtbildkommission wird zudem oft ins Feld geführt, dass diese in Basel im Vergleich zu allen anderen Schweizer Städten einen absoluten Sonderstatus hätte. Du baust ja selbst an vielen Orten in der Schweiz. Wie nimmst du das wahr? Ist das wirklich so?
„Wahrscheinlich. Genau weiss ich es nicht. Wobei man an anderen Orten, beispielsweise Zürich, ja auch ein hohes baukulturelles Niveau hat. Wir gehen davon aus, dass unsere Empfehlungen weiterhin ernstgenommen werden. Wenn es mal zum Streit kommen sollte, dann werden am Ende sowieso die ökonomischen Argumente siegen. Ob das Basler Stadtbild dank der Stadtbildkommission wirklich schöner ist, kann ich nicht beurteilen.»
Ich sehe die Gefahr, dass durch die Kompetenzverschiebung zu Gunsten des Bauinspektorats die politische Unabhängigkeit im Umgang mit euren Empfehlungen schlechter garantiert werden kann.
„Ja, die Gefahr besteht. Mich hat irritiert, dass sich niemand so richtig für die Stadtbildkommission eingesetzt hat – weder der SIA noch der BSA. Es ging kein Aufschrei durch die Landschaft. Wir haben uns in der Kommission gesagt: Wir machen einfach weiter mit unserer Arbeit, so gut wir das können. Falls wir eines Tages nicht mehr ernstgenommen würden, dann müssen wir reagieren.“
«Niemand soll das Alleinbestimmungsrecht haben zu entscheiden, was gut und was schlecht, was schön und was hässlich ist.“
Architektur sei im Grunde eine kulturpolitische Aufgabe, meinte Meinrad Morger im Gespräch mit uns. Fassaden seien ein öffentliches Gut, da sie den öffentlichen Raum mitbestimmen. Insofern müsste die Allgemeinheit da auch eine Mitsprache haben. Wie siehst du das?
„Ich sehe das genauso. Als Architekt ist man verantwortlich gegenüber der Öffentlichkeit, dass ein neues Haus der Allgemeinheit etwas bringt, sich ins Stadtbild einfügt. Schwierig ist die Definition, was „passt“ und was „nicht passt“. Oft ist es halt so, dass die Empfehlungen der Stadtbildkommission zu Mehrkosten führen – und schon hat man ein ökonomisches Problem.“
Handkehrum konnte selbst die Stadtbildkommission mit den aktuellen Kompetenzen auch einige problematische Bauten nicht verhindern, geschweige denn massgeblich beeinflussen. Ich habe beispielsweise einen Artikel über die Erker beim Neubau von Blaser Architekten an der Leimenstrasse geschrieben, weil sich diese in meiner Wahrnehmung nur bedingt in die Strassenzeile, geschweige denn ins Stadtgefüge integrieren.
«Die Arbeit der Stadtbildkommission stützt sich ja vor allem auf dem berühmten § 58 des Bau- und Planungsgesetzes: die gute Gesamtwirkung.* Hier wird eine Anforderung gestellt, die erfüllt werden muss, auch wenn die messbaren Kriterien des Baugesetzes erfüllt sind. Das können eben die Juristen nicht entscheiden, sie verlassen sich auf das Expertenwissen der Stadtbildkommission. Das ist jetzt so und das wird auch in Zukunft so bleiben. Aber wenn das Baugesetz etwas erlaubt, sind uns die Hände oft gebunden. Deshalb fragen wir immer: „Ist das baugesetzlich überhaupt möglich?“ Wenn die Juristen „Ja“ sagen, dann sind wir relativ machtlos. Das Baugesetz ist letztlich eine politische Frage. Manchmal tut es uns auch leid, wenn wir eine bessere Lösung nicht ermöglichen können, weil sie baugesetzlich verboten ist. Wir haben uns mehrfach für Ausnahmebewilligungen eingesetzt, aber meist erfolglos. Niemand soll das Alleinbestimmungsrecht haben zu entscheiden, was gut und was schlecht, was schön und was hässlich ist.“
Punkto Kommission der Verhinderer: Letztlich lehnt ihr ja nur einen marginalen Anteil der Projekte ab.
„Wichtig ist der Prozess, dass man versucht, aufeinander zuzugehen. Jede Studentenarbeit wird ja auch kritisiert – und dadurch weiterentwickelt. Wir sagen, dass stört uns, versucht daran weiterzuarbeiten. Viele machen da mit. Jedes Mal wenn sie kommen, wird das Projekt besser. Das befriedigt uns.“
«Die Architekten sind Meister darin, gestalterische Ausnahmen zu finden. Das lernt man ja an der ETH: Möglichst originell und anders muss es sein!»
Es ist anzunehmen, dass Fassaden in Zukunft stärker zur Produktion von Strom genutzt werden. Du hast auch schon entsprechende Projekte realisiert. Verstehst du, wenn Kritiker darin einen Verlust von Baukultur sehen? Wenn man davon ausgeht, dass die mitteleuropäische Stadt mineralisch geprägt ist. Fändest du es gut, wenn politisch gefordert würde, dass Fassaden auch einen Anteil Strom produzieren müssten?
„Ich wäre da eher skeptisch. Je nach Architektur kann man anstatt einer Glasfassade oder Blechfassade problemlos eine Photovoltaik-Anlage einbauen. Eine massive Fassade kann man anders verwenden, um Energie zu speichern. Das hängt vom Gesamtkonzept ab. Man muss sich grundsätzlich die Frage stellen, wie man mit der Energie, die auf ein Gebäude trifft, umgeht. In einer gewachsenen städtebaulichen Umgebung sollte es keine Ausrutscher geben – wobei die jedoch manchmal auch gut sind. Monotonie ist ja auch nicht das Ziel. Das Neue sollte man eher bei Neuem ausprobieren und das Alte eher belassen. Uns gefallen ja Städte wie Bern am besten, die punkto Baulinien, Parzellenstruktur und Bebauung ganz stur aufgebaut sind. Da hat sich niemand in Originalität geübt.“
Wie siehst du diesbezüglich das Experiment der Stiftung Habitat auf dem Lysbüchel, wo ja ein Gründerzeit-Blockrand mit kleinteiliger Parzellenstruktur reinterpretiert wird?
„Das Gelingen hängt von den Regeln ab. Unsere Baugesetze sind dafür denkbar ungeeignet. Aber frag mich nicht, wie man das regeln sollte. Das ist schwierig in Worte zu fassen. Die Architekten sind Meister darin, gestalterische Ausnahmen zu finden. Das lernt man ja an der ETH: Möglichst originell und anders muss es sein! Das anders-sein-wollen ist für mich ein Widerspruch zu guter Architektur. Ob man es auf dem Lysbüchel mit dieser kleinteiligen Eigentümerstruktur schafft, die Architektur anders zu sehen, wird sich weisen. Ich finde es schön, wenn man eine Grossform hat, die eine Einheit bildet – und die Dinge im Detail dann unterschiedlich sein dürfen.“
Mit deiner Haltung entgegen der gestalterischen Originalität stellst du das Berufsverständnis vieler Architekten in Frage. Und dennoch muss man sich als Architekt selbstkritisch eingestehen: Die allseits geliebten und gelobten Gründerzeitquartiere, wie das Gundeli oder St. Johann, wurden mehrheitlich von Baumeistern und nicht etwa Architekten erbaut.
„Originalität ist meinen Augen überhaupt nicht erstrebenswert. Das ist kurzfristig gedacht, nicht nachhaltig, weil der architektonische Ausdruck dabei nicht auf Dauer ausgelegt ist.“
Interview: Lukas Gruntz / Architektur Basel
Fotos: Armin Schärer / Architektur Basel
*Bau- und Planungsgesetz Basel-Stadt:
§ 58. Bauten, Anlagen, Reklamen, Aufschriften und Bemalungen sind mit Bezug auf die Umgebung so zu gestalten, dass eine gute Gesamtwirkung entsteht.