Basel Pavillon 2022: Open Call und Wettbewerb im Überblick

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In rund zwei Monaten ist es soweit: Am 10. Mai 2022 wird im Rahmen der Architekturwoche Basel der Basel Pavillon auf dem Dreispitz eröffnet. Komplett aus wiederverwendeten Bauteile erstellt, soll er Pioniercharakter für das zirkuläre Bauen haben. Der Weg bis zum finalen Pavillonprojekt war ein langer: Vom Open Call über den Projektwettbewerb zum Siegerprojekt. Wir werfen einen Blick auf den Prozess und die verschiedenen Beiträge, die von einer vielschichtigen und intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema der Wiederverwendung zeugen.

Phase 1: OPEN CALL

Um neue Ideen und Konzepte für eine klimagerechte Architektur zu finden, wurde im Sommer 2021 von der Architekturwoche Basel, in Zusammenarbeit mit Architektur Basel, ein internationaler Open Call lanciert. Insgesamt wurden 182 Ideen und Entwürfe aus aller Welt eingereicht. Die Jury, bestehend aus Marina Otero Verzier, Chus Martinez, Emanuel Christ, Maarten Gielen und Martin Weis, wählte die folgenden sechs Entwürfe in die zweite Phase:

  • «MISSING LINK» von MAKER architecten aus Gent
  • «AMORFA» von Luciana Lamothe aus Buenos Aires
  • «TIME AS MATERIAL» von Truwant + Rodet + aus Basel
  • «AN INVITATION TO SYMBIOSIS» von Biosphere-driven Collective aus São Paulo
  • «LE BRICOLEUR» von Piertzovanis Toews aus Basel
  • «Leaking Place» von Pa.LaC.E Studio aus Baselund London

Genauer betrachten wir die Eingaben von Truwant + Rodet + und Piertzovanis Toews, da es die Entwürfe der beiden Basel Büros später sogar in die enge Auswahl des Wettbewerbs schafften. Alle 182 Eingaben gibt es im Jury-Bericht unter dem Link am Ende des Beitrags zu sehen.

«TIME AS MATERIAL» von Truwant + Rodet + aus Basel

Der Vorschlag «TIME AS MATERIAL» von Truwant + Rodet + stellt den objektiven Charakter eines architektonischen Pavillons infrage und setzt den Schwerpunkt stattdessen auf die damit verbundenen Prozesse und die Arbeit der Zuwendung. Einschliesslich der Montage, Wartung, Renovierung und Wiederverwendung. Als zeitbasiertes Projekt und mehr als Prozess denn als Produkt konzipiert, soll der Pavillon neue Beziehungen und Realitäten für den Ort schaffen. Das Hauptmaterial dieser Architektur ist die Zeit und daher ist sie das Material, das es zu schätzen und zu schützen gilt. Die Zeit all derer, die sich an der Entwicklung des Pavillons beteiligen und sich um ihn kümmern.

«Time as Material» © Truwant + Rodet +, Basel, Schweiz

«Time as Material» © Truwant + Rodet +, Basel, Schweiz

 

«LE BRICOLEUR» von Piertzovanis Toews aus Basel

Mit ihrem Vorschlag «LE BRICOLEUR» präsentieren Piertzovanis Toews einen spannenden Gestaltungsansatz, das die Verwendung einer breiten Palette von Materialien zulässt, unabhängig von deren Spezifitäten. Es stellt sich die Fragen, ob das Projekt die Vielfalt der Materialien nutzen kann, statt sie nur zu tolerieren. Auch welchen Zweck der Pavillon, über die Demonstration einer Bautechnik hinaus, erfüllt.

«LE BRICOLEUR» © Piertzovanis Toews, Basel, Schweiz

«LE BRICOLEUR» © Piertzovanis Toews, Basel, Schweiz

 

Phase 2: PROJEKTWETTBEWERB

Für den Wettbewerb nominierte die Jury neben den sechs im Open Call auserkorenen zusätzlich acht internationale Teams. Die insgesamt 14 Teams nahmen anfangs Oktober 2021 an einem Workshop zur Einführung in den Bauteilkatalog und einer Besichtigung des Bauplatzes auf dem Dreispitz-Areal teil. Alle Entwürfe wurden aus gebrauchten, wiederverwertbaren Bauteilen aus Basel und der Region entwickelt, die aus einem Online-Katalog zusammengestellt werden konnten. Folgende Entwürfe wurden zusätzlich eingereicht:

  • «Transducer» von ConstructLab aus Europa
  • «LE BRICOLEUR» von Piertzovanis Toews aus Basel
  • «LOGGIA BASELIANA» von isla aus Mallorca
  • «TIME AS MATERIAL» von Truwant + Rodet + aus Basel
  • «BASEL PAVILLON PROPOSAL» von Toestand aus Brüssel
  • «Basler Küche» von MAIO aus Barcelona
  • «FRESH AGAIN» von KOSMOS Architects + Comte Meuwly aus Zürich, Moskau, Graz und New York
  • «FESTIVAL GROUND 1023» von Piovene Fabi aus Mailand
  • Titelloser Entwurf von Infraestudio aus Kuba und Rotterdam

Einen genauen Blick werfen wir auf die Entwürfe der Büros, die es in die engere Auswahl de zweiten Runde schafften. Alle dreizehn Wettbewerbseingaben finden sich im Jury-Bericht unter dem Link am Ende des Beitrags. Der genaue Blick darauf lohnt sich.

 

«TIME AS MATERIAL» von Truwant + Rodet + aus Basel

Mit ihrem Entwurf «TIME AS MATERIAL» spannen Truwant + Rodet + einen linearen Park als kollektiven Raum auf, der den Freilager-Platz mit dem Gleisbogen verbindet. Mehrere Interventionen finden im Laufe der Zeit statt, beginnen am Tag des Workshops, laufen über ein Jahr und enden mit dem Nachleben der Installation. Zu Beginn werden die Steine und der Kies bewegt, dann wird die Vegetation und alle Arten erfasst, schliesslich ein Regenwasserreservoir umgeleitet, das einen neuen See schafft. Zudem soll ein Fachwerk aus IPE 120 Profilen errichtet werden, das einen neuen kollektiven Mittelpunkt definiert. Ihre Installation ist eine räumliche Intervention, die sich mit der Zeit verändert. Der gesamte Ort wird zu einer Bühne, auf der verfremdete Formen und Momente inkorporieren. Eine fortlaufende Metamorphose, nicht nur natürlich, sondern auch räumlich und architektonisch. Architektur, die die Zeit als Material benutzt.

«TIME AS MATERIAL» © Truwant + Rodet +, Basel

«TIME AS MATERIAL» © Truwant + Rodet +, Basel

«TIME AS MATERIAL» © Truwant + Rodet +, Basel

«TIME AS MATERIAL» © Truwant + Rodet +, Basel

«LE BRICOLEUR» von Piertzovanis Toews aus Basel

Piertzovanis Toews schlangen mit «LE BRICOLEUR» eine Intervention vor, die aus linearen Holzwänden besteht, die auf die bestehenden Gleise des Geländes verweisen und diese akzentuieren. Die Wände führen die Besucher durch Korridore zum zentralen Platz und schlagen in einem introvertierten Bereich eine zweite Plattform für informelle Veranstaltungen auf. Um eine allgemeine Abstraktion und Vereinheitlichung zu erreichen, sind die Malerarbeiten an den Wänden eine wichtige Komponente. Die Frage nach einem Farbkonzept kommt auf. Um für den Boden der Plateaus eine harte Oberfläche zu generieren, verwenden Piertzovanis Toews Pflastersteine und anderen Elemente wie Tonröhren und Gitterroste aus dem Bauteil-Katalog. Hieraus werden ebenfalls Möbel für die öffentliche Nutzung geschaffen.

«LE BRICOLEUR» © Piertzovanis Toews, Basel

«LE BRICOLEUR» © Piertzovanis Toews, Basel

«LE BRICOLEUR» © Piertzovanis Toews, Basel

«LE BRICOLEUR» © Piertzovanis Toews, Basel

«Basler Küche» von MAIO aus Barcelona

Über zwei lange Holzplattformen erreicht man die «Basler Küche» von MAIO von Norden und von Süden kommend. Wo sich die Plattformen schneiden, befindet sich ein grosses Zeltdach, das aus Schiffssegeln aus dem Bauteil-Katalog gedacht ist, die an den bestehenden Trägern der Eisenbahn-Infrastruktur aufgehängt werden. Dieses Zentrum wird als urbaner Platz bezeichnet, auf dem sich Menschen zu verschiedenen Veranstaltungen treffen. Als zusätzliche Funktion wirft MAIO die Frage der Lebensmittelverschwendung auf, die immer wieder ein grosses Thema bei der Diskussion von ökologischen Fragen ist. Die Idee wäre, Partner aus Basel zu finden, die um einen grossen Tisch unter dem Zeltdach Kochevents veranstalten.

«Basler Küche» © MAIO, Barcelona

«Basler Küche» © MAIO, Barcelona

«Basler Küche» © MAIO, Barcelona

«Basler Küche» © MAIO, Barcelona

 

«FRESH AGAIN» von KOSMOS Architects + Comte Meuwly aus Zürich, Moskau, Graz und New York

Mit «FRESH AGAIN» machen KOSMOS Architects + Comte Meuwly einen unkonventionellen Vorschlag. Sie begannen den Prozess mit der Testung des Potenzials der zur Verfügung stehenden Materialien, z.B. auf deren Stabilität oder Biegung. Nachdem sie das Potenzial ermittelt hatten, begann der eigentliche Entwurfsprozess. Die Geste ihrer Installation ist eine Struktur, die als grosses Dach gesehen werden kann. Ein grosses Dach, das das Zentrum der sozialen Ereignisse betont. Die Struktur könnte ebenfalls als grosse Plakatwand fungieren, auf die Bilder und Botschaften projiziert werden können. Für die Nutzung schlägt Kosmos im Verständnis des umgekehrten Entwurfsprozesses eine Reihe von partizipativen Bauworkshops vor. An denen alle die sich für das Thema der Wiederverwendung von Baumaterialien interessieren teilnehmen können und mit denen der Ort über die Zeit aktiviert wird.

«FRESH AGAIN» © KOSMOS Architects + Comte Meuwly, Zürich, Moskau, Graz und New York

«FRESH AGAIN» © KOSMOS Architects + Comte Meuwly, Zürich, Moskau, Graz und New York

«FRESH AGAIN» © KOSMOS Architects + Comte Meuwly, Zürich, Moskau, Graz und New York

«FRESH AGAIN» © KOSMOS Architects + Comte Meuwly, Zürich, Moskau, Graz und New York

 

«FESTIVAL GROUND 1023» von Piovene Fabi aus Mailand

Piovene Fabi schlagen den «FESTIVAL GROUND 1023» vor, mit dem vom Freilager-Platz bis zum Stellwerk ein Festivalgelände geschaffen werden soll, bestehend aus verschiedenen Gebäuden und Interventionen, grösstenteils einfach, offenen und ungedeckt gestaltet. Auch die Struktur des Parkhauses und das Stellwerk werden eingebunden. Das wichtigste architektonische Element befindet sich in der Mitte, eine Holzstruktur mit bestimmten formalen und räumlichen Elementen. Die Zahl im Titel – 1023 – entspricht der des RAL-Farbcodes von Verkehrsgelb, mit dem einige Elemente im Inneren des Stellwerks gestaltet sind. Die Farbe wird zum verbindenden Element für ,alles am Festival beteiligtem’.

 

«FESTIVAL GROUND 1023» © Piovene Fabi, Mailand

«FESTIVAL GROUND 1023» © Piovene Fabi, Mailand

«FESTIVAL GROUND 1023» © Piovene Fabi, Mailand

«FESTIVAL GROUND 1023» © Piovene Fabi, Mailand

 

Und schliesslich der Siegerentwurf von isla, einem jungen Architekturbüro aus Mallorca, gegründet von Marta Colón und Juan Palencia. Ausgehend vom Ort konzentriert sich isla darauf, die Potenziale des Vorhandenen freizulegen, um einen radikal zeitgenössischen Ansatz für ihr Projekt zu entwickeln. Jenseits eines festgelegten Stils oder einer bestimmten Ästhetik erarbeitet isla angemessene Antworten auf den jeweiligen Kontext. Bevor sie ihr eigenes Büro gründeten, lebten und arbeiteten Colón und Palencia mehrere Jahre in Basel. 

Das Siegerprojekt:
«LOGGIA BASELIANA» von isla aus Mallorca

Mit der «Loggia Baseliana» schlägt isla eine linearen Struktur entlang der Gleise vor und bezieht sich dabei auf den öffentlich Raum entlang des Rheinufers in Basel. Die Struktur besteht aus bis zu sechs verschiedenen Einheiten aus unterschiedlichen, wiederverwendbaren Bauteilen. Mit formaler Klarheit leitet jede Einheit ihr konstruktives System aus ihrer jeweiligen Materialität ab. Das jeweilige Konzept wird durch eine bestimmte Farbigkeit definiert. Unter einem einfachen Satteldach aus Trapezblech zusammengefasst, bilden die Module entlang der Gleise eine urbane Veranda, die Einblicke in die Vergangenheit und Ausblicke auf die anstehende Transformation zum Stadtquartier eröffnet.

«LOGGIA BASELIANA» © isla, Mallorca

«LOGGIA BASELIANA» © isla, Mallorca

«LOGGIA BASELIANA» © isla, Mallorca

«LOGGIA BASELIANA» © isla, Mallorca

«Der Entwurf von isla nutzt die Gleise, anstatt sie zu ignorieren. Vom schützend-vertrauten Raum des Pavillons umgeben, können Besucher:innen die Industrielandschaft, die sonst als feindlich empfunden wird, in einem neuen Licht wahrnehmen. Der Pavillon kann auch ein Ort der Meditation sein, von dem aus man über den sich verändernden Zustand dieses besonderen Ortes in Basel nachdenken kann.»
– Chus Martinez, Jurymitglied,
Institut Kunst Gender Natur, Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW


Den Jurybericht, inklusive aller 182 Eingaben für den Open Call und aller Wettbewerbseingaben, finden Sie HIER.

Im Rahmen der Architekturwoche Basel 2022 werden sämtliche Beiträge auf dem Dreispitz ausgestellt.

 

 

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