C&G gewinnt, HdM verliert, David Chipperfield verpasst

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Es ist ein ziemlich trockener Satz: «Die Unterlagen des nachfolgenden Architekturbüros trafen nicht vollständig zum Angebotseinreichungstermin ein.» Beim darauffolgende Namen handelt es sich um nichts weniger als einen der renomiertesten Museumsbauer der Gegenwart, dessen neuer Kunsttempel in Zürich dieses Jahr mit viel Pomp eröffnet wurde: Sir David Chipperfield. Das verpassen des Abgabetermins für die Ausschreibung der Sanierung des Kunstmusems Basel hatte eine Reduktion des Teilnehmerfelds von sechs auf fünf Teams zur Folge, da der Stararchitekt «durch die Kantonale Fachstelle für öffentliche Beschaffungen von der Teilnahme am Verfahren mittels Verfügung» ausgeschlossen wurde. Trotz der ungewollten Abwenseheit des englischen Grossmeisters wollen wir euch die (termingerecht) eingereichten Projekte nicht vorenthalten.

Luftbild des Kunstmuseums aus dem Jahre 1936, Quelle: Denkmalpflege Basel Stadt

Bei der verpassten Abgabe von David Chipperfield handelt es sich um ein kleines Drama am Rande einer ansonsten spannenden, aber auch anspruchsvollen Ausschreibung, «Mit seiner axialsymmetrischen, auf der Eingangsarkade am St. Alban-Graben aufbauenden Hofanlage präsentiert sich das Museum als fester, ernster und geschlossener Baukörper», beschreibt Kantonsbaumeister Beat Aeberhard die Qualitäten des Kunstmuseums. Der Hauptbau der Architekten Rudolf Christ und Paul Bonatz stammt aus dem Jahr 1936 und ist bezüglich Gebäudehülle, Innenausbau und technischer Infrastruktur grundlegend sanierungsbedürftig. Mit dem Ziel, für eine ganzheitliche Bearbeitung der Instandsetzungs- und der Umbaumassnahmen ein Planerteam mit «hoher architektonischer, bautechnischer sowie organisatorischer Kompetenz» zu evaluieren, wurde ein zweistufiges Planerwahlverfahren durchgeführt. «Die Ausschreibung stiess allerdings auf eher enttäuschendes Interesse: Zwar wurde die Ausschreibung zahlreich angefordert, letztlich bewarben sich aber lediglich elf Teams um Teilnahme. Die spärliche Resonanz dürfte der geforderten Komplexität und dem grossen Aufwand für die Teams geschuldet sein,» schreibt Aeberhard. Und weiter: «Dass die selektionierten Architekturbüros mit dem von ihnen zusammengestellten Generalplanerteam die Inhalte ihrer Vorschläge an einer Präsentation erläutern mussten, hat einen wertvollen Austausch ermöglicht, der auch einen Einblick in eine mögliche zukünftige Zusammenarbeit gewährte.»

Das zweistufiges Planerwahlverfahren konnte das Generalplanerteam ARGE Christ & Gantenbein und Rapp Architekten für sich entscheiden. Herzog & de Meuron mussten sich für einmal mit dem zweiten Platz begnügen. Beat Aeberhard lobt die «Qualität der umfangreichen Arbeiten und die aufgezeigte, allseits imponierende Fachkompetenz.» Für euch werfen wir einen Blick auf die fünf verbliebenen Eingaben für den Umbau und die Sanierung des altehrwürdigen Kunstmuseums. Die Texte dazu stammen aus dem Bericht des Beurteilungsgremiums.

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel


1. Rang
ARGE GP Christ & Gantenbein AG – Rapp Architekten AG

© Christ & Gantenbein

Das gewählte Konzept der Nutzungsanordnungen im Erdgeschoss ist ebenso einfach wie schlüssig und berücksichtigt sowohl die nutzerspezifischen Bedürfnisse hinsichtlich eines zeitgenössischen Museumsbetriebs als auch den möglichst schonenden Umgang mit der denkmalgeschützten Bausubstanz. Aufbauend auf den bestehenden Erschliessungs- und Blickachsen – sowohl in Nord-Süd-Richtung (Haupteingang bis Eingangshalle und weiter zum Picassoplatz) als auch in Ost-West-Richtung (Eingangshalle) – werden subtile und präzise Massnahmen vorgeschlagen.

© Christ & Gantenbein

Eine wichtige Massnahme betrifft die bessere Zugänglichkeit und Sichtbarkeit des Shops, der sich neu an der Ecke St. Alban-Graben/Dufourstrasse zur Stadt orientieren darf, während er sich entlang des gesamten Ostflügels und damit auch zum Hof hin entwickeln kann. Dafür werden die kleinen, hochgestellten Fenster gegen den Hof zu Glastüren umgebaut und die bestehenden heutigen «Plakat-Ticket- Fenster» in den Arkaden ebenfalls zu Türöffnungen umgewandelt. An dieser Lage im Ostflügel wird der Shop von der Arkade, vom Hof und von der Eingangshalle her direkt zugänglich sein. Als zusätzliches Angebot wird eine mit dem Shop kombinierte Cafébar vorgeschlagen.

© Christ & Gantenbein

Der Wunsch des Museums, den Garten optisch und auch als Ausstellungs- und Verweilort einzubeziehen, wird mit wenigen, geschickten Interventionen ermöglicht: Der ehemalige Lesesaal der Bibliothek und heutige Ausstellungssaal wird zur «Gartenlounge» mit Öffnungen ins Freie umgewidmet – in der Rolle als Pufferzone darf der Raum ein Zwischenklima haben. Eine Vergrösserung der Türöffnung zur Halle (analog der Öffnung im Übergang zum Siebenfenstersaal) erhöht die Sichtbarkeit des Gartens von der Halle aus. Die angrenzenden Ausstellungsräume (ebenfalls ehemalige Bibliotheksräume) werden für frei zugängliche Ausstellungen zusammengefasst. Eine weitere Türe führt direkt zur Bar und ermöglicht einen Rundgang – je nach Sicherheitsdispositiv des Museums und der Art der Kunstwerke.

© Christ & Gantenbein

Es liegt eine ausserordentlich sorgfältige, detaillierte und qualitätsvolle Eingabe vor, die basierend auf solidem Fachwissen und fundierten Kenntnissen des Baubestands gezielte, kluge Interventionen im Baubestand vorschlägt. Dazu gehören Rekonstruktionen ebenso wie technische und gestalterische Innovationen und nicht zuletzt auch die überlegte Vermeidung von unnötigen Eingriffen.

 

2. Rang
Itten+Brechbühl AG und Herzog & de Meuron

© Herzog & de Meuron

Die städtebauliche Idee, den Hauptbau des Kunstmuseums mit einem neu gestalteten Museumsplatz mit dem Neubau und anderen Kulturbauten zu verbinden, wird vom Gremium als ein interessanter Beitrag zur Stadtentwicklung anerkannt. Damit eine neue Mitte gelingen kann, müssten sich die Bauten konsequent zu dem Platzraum hin öffnen. Das Herstellen des neuen Platzes wird jedoch nicht als eine zwingende Voraussetzung für das Gelingen des Konzeptes gesehen. Das Team betont, dass die heutige Verkehrssituation dem Konzept nicht im Wege steht. Folgerichtig bedeutet diese städtebauliche Vision eine grundlegende Änderung der Typologie des Hauptbaus.

© Herzog & de Meuron

Auch wenn der Haupteingang am St. Alban-Graben als Besuchereingang bleibt, wird ein neuer Zugang zu Gastronomie und Shop an der Dufourstrasse vorgeschlagen. Die bauliche Änderung der stringenten Fensterordnung sowie das Entfernen der Fenstergitter werden kritisch beurteilt. Dem Grundgedanken des ursprünglichen Gebäudekonzeptes, alle Räume über die zentrale Achse und den Innenhof zu erschliessen, wird nicht mehr entsprochen. Logische Folge des Eingriffs ist der Rückbau der neuzeitlichen Änderungen der Fassade und der Rampe unter den Arkaden. Die zentrale Öffnung als ein Hauptzugang zum Innenhof rückt wieder stark in den Fokus und wird entsprechend dem ursprünglichen Zustand wieder hergestellt.

© Herzog & de Meuron

Das Ziel, einen niederschwelligen Ort für die Bürger der Stadt zu definieren, wird gelobt und als richtig angesehen. Die angestrebte Atmosphäre eines «Wohnzimmers» in einem öffentlichen Bauwerk vermag nicht zu überzeugen. Aus architektonischer und denkmalpflegerischer Sicht ist die Öffnung zur Dufourstrasse hin nicht möglich. Auch das Entfernen der Gitter an den Fenstern führt zu einer erheblichen Veränderung des Erscheinungsbildes. Die vorgeschlagenen Vergrösserungen der Öffnungen des Ostflügels zum Innenhof sind richtig und tragen zur Attraktivität des Erdgeschosses bei. Insgesamt ist das Konzept ein wertvoller Beitrag zur Weiterentwicklung der Stadt und sorgte für eine lebhafte Diskussion im Gremium. Die Qualität des Entwurfs liegt in den klar definierten räumlichen Zusammenhängen, die sowohl im Horizontalen wie im Vertikalen gut ablesbar sind.

 

3. Rang
Edelaar Mosayebi Inderbitzin Architekten AG

© Edelaar Mosayebi Inderbitzin Architekten

Das Konzept für die Restrukturierung der publikumsorientierten Räume im Erdgeschoss des Kunstmuseums geht von einer tragenden Idee aus, die sich nicht in einer spezifischen Baumassnahme zur Transformation des Hauses zeigt. Dennoch soll das Museum eine weitgehende Umwertung erfahren. An die Stelle der streng gegliederten Organisation des Eingangsgeschosses, die in die räumliche Struktur des Museumsbaus eingeschrieben ist, tritt eine fliessende, übergreifende Widmung der Räume. Das Auflösen der strengen Identität von Raum und Funktion, somit das Übergreifende als eine räumliche Erfahrung, ist gepaart mit der Idee einer Erfahrung von Kunst, die gleichermassen durch alle publikumsorientierten Räume im Erdgeschoss des Museums getragen wird.

Die Autoren beschreiben das Konzept mit den Worten «Alles ist Ausstellung». Die verschiedenen räumlichen und funktionalen Konsequenzen, die sich aus dem Konzept ergeben, vermögen jedoch die Ansprüche an die Besucherflüsse und den Betrieb nicht zu erfüllen. Das vorgeschlagene Ticketing ist unzureichend. Der Shop ist nach wie vor ungünstig gelegen, unübersichtlich und in seinem Zuschnitt nicht zu bewirtschaften. Die Wiederherstellung eines Lesesaals scheint nicht plausibel, da die Anbindung an die Bibliothek fehlt. Dem Restaurant, das in den Ostflügel gelegt wird, fehlt der Raum für die notwendige Infrastruktur. Die kleine, «gefangene » Küche, die als Körper über die Treppe in den Neubau gelegt ist, kann die betrieblichen Ansprüche nicht erfüllen.

© Edelaar Mosayebi Inderbitzin Architekten

Der neu gewonnene Raum für die Ausstellung auf der Westseite, der als Rundgang angeboten werden kann, vermag die Nachteile der Konzentration von Restauration und Shop auf der Ostseite nicht aufzuwiegen. Aus denkmalpflegerischer Sicht ergeben sich ebenfalls Nachteile, die nicht übergangen werden können, so das Ausräumen von Räumen auf beiden Seiten des Haupttreppenhauses, um die Sicht auf den Südhof zu verbessern, oder der vorgeschlagene grossflächige Ersatz der alten Fenster. Schliesslich scheint auch der eingehängte Baukörper der Küche im Ostflügel über der Treppe fragwürdig. Der Beitrag besticht durch die übergeordnete Idee einer umfassenden Widmung aller Räume als Teil der Ausstellung. Jedoch vermag das Beurteilungsgremium diesem Konzept als Idee nicht zu folgen, auch nicht in den baulichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben würden.

 

4. Rang
Drees & Sommer und jessenvollenweider architektur

© Drees & Sommer und jessenvollenweider architektur

Der Konzeptbeitrag des Projektteams nähert sich der Aufgabenstellung über eine akribische Analyse des Stadtraums. Basierend auf den Sanierungserfordernissen und dem Veränderungsbedarf für die Nutzung und den Betrieb im Erdgeschoss mündet die Recherche in zwei Hauptinterventionen: Als erste grosse Massnahme sehen die Projektverfassenden eine Überdachung des grossen Innenhofs vor. Mit einer unabhängigen, lichten Struktur soll ein gänzlich neuer Raum entstehen. Die leere Mitte wird als Neuinterpretation eines bislang unbekannten Raums zwischen dem Innen und dem Aussen begriffen. Als hybrider Raum soll er vorbereiten auf den Kunstgenuss. Eine Setzung von vier gewaltigen Stützen trägt die Überdachung. Als Argument für dieses unabhängig vom Baubestand eingeführte Dach wird die Vermählung zwischen den Anforderungen eines modernen Museumsbetriebs und den Ansprüchen der Denkmalpflege ins Feld geführt. Einerseits soll das Erlebnis gesteigert werden, etwa durch unterschiedliche Möglichkeiten zur Bespielung oder ein inszenatorisches Regulieren des Lichts. Andererseits soll das Denkmal geschont werden, indem auf eine energetische Ertüchtigung der Hoffassaden und -fenster verzichtet werden soll. Als weitere Motivation für diesen radikalen Eingriff wird die Minderung der Schwellenangst angeführt.

Das Beurteilungsgremium würdigt die klare Argumentationskette, kann ihr aber insgesamt wenig abgewinnen. Sie erachtet die Einführung einer Hofüberdeckung als deutlich überzogen. Der grossartige steinerne Hof mit seiner beinahe mediterranen Anmutung ist ein grosses Geschenk. Dessen Einzigartigkeit mittels einer Überdeckung aufzugeben, dürfte auch von der Bevölkerung kaum verstanden werden. Als zweite wesentliche Massnahme wird die Aufschüttung des Hofgartens entlang des Westflügels vorgeschlagen. Damit soll der bislang kaum genutzte grüne Hofraum zu einem grosszügigen Museumsgarten aufgewertet werden. Als komplementäres Angebot zur leeren (überdachten!) Mitte soll er das Restaurant um Aussenflächen ergänzen. Im Prinzip ist das eine interessante Vorstellung, weil es zu einem durchlässigeren Haus führen dürfte. Dennoch überwiegen im Beurteilungsgremium die Zweifel. Die Aufschüttung droht die Proportionen des ummauerten grünen Hofraums negativ zu verändern und zum Eindruck eines «im Erdboden versinkenden» Hauptbaus zu führen. Abgesehen davon werden tageslichtabhängige Nutzungen im Tiefparterre negativ tangiert.

© Drees & Sommer und jessenvollenweider architektur

Die Wiederherstellung der Arkade in ihrer historischen Anmutung scheint folgerichtig. Die Inszenierung der Arkade mit einer Beleuchtung wird indessen kritisch hinterfragt. Geschätzt wird vom Beurteilungsgremium weiter die sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Platz an der Dufourstrasse und der daraus resultierende Vorschlag eines Baumdachs. Insgesamt haben die Beitragsverfassenden einen sehr wesentlichen Diskussionsbeitrag geliefert. Das Beurteilungsgremium schätzt die profunde Denkarbeit und die seriöse Prüfung von Besucherführung, betrieblichen Anforderungen und von angemessenen Sanierungskonzepten sowie den besseren Einbezug von Aussenflächen. Das glaubwürdige Engagement des Verfasserteams, das Haus in der Öffentlichkeit noch besser zu verankern, wird ausdrücklich anerkannt. Die beiden vorgeschlagenen Hauptmassnahmen vermögen jedoch weder funktional noch denkmalpflegerisch zu überzeugen.

 

5. Rang
Aebi & Vincent Architekten

© Aebi & Vincent Architekten

Der Entwurf für eine Restrukturierung des Kunstmuseums stellt die städtebauliche Ausrichtung des Museumsbaus zur Diskussion. Die streng auf den St. Alban-Graben ausgerichtete Struktur des Bauwerks soll aufgebrochen und das Gebäude weitergehend zum Stadtraum geöffnet werden. Die Verfasser verweisen dazu auch auf die Debatte um den Entwurf des realisierten Museumsgebäudes, in der diese Option auch diskutiert worden ist. Das Projekt sieht nicht nur die Öffnung der Fassade an der Dufourstrasse vor, die Transformation soll mit einer Arkade in Analogie zur Hauptfront auch in der Gestaltung der Fassade Ausdruck finden. In der gleichen unerschrockenen Art werden auch die funktionalen Beziehungen zwischen Neubau und Altbau neu gedacht. Ein Sonderausstellungsraum, über eine Erweiterung der Haupttreppe in das Niveau -1 erschlossen, verbindet Altbau und Neubau. Die Qualität dieses Ausstellungsraums, der zugleich als Durchgang dient, scheint zweifelhaft. Die vorgeschlagene Arkade auf der Ostseite verhindert jedoch den Gewinn an Innenraum, der notwendig wäre, um die funktionalen Bedingungen für die publikumsorientierten Räume, die Garderobe, den Shop und die Toiletten, zu verbessern. Das Restaurant auf der Westseite ist grosszügig erweitert und ist in betonter Achsialität zur neuen Öffnung des Museums an der Dufourstrasse ausgerichtet.

© Aebi & Vincent Architekten

Wenngleich die Idee sehr sorgfältig ausgearbeitet ist und durch die konsequente Durcharbeitung besticht, vermag das Beurteilungsgremium den grundsätzlichen Überlegungen zum städtebaulichen und funktionalen Konzept nicht zu folgen. Der Hof würde durch die Lichtdecke über dem neuen Ausstellungssaal in seiner Wirkung geschmälert und die wichtigsten Skulpturen müssten auf einen Glasboden gesetzt werden. Die städtebauliche und architektonische Umwertung scheint unangemessen und ist aus der Sicht der Denkmalpflege nicht zu verantworten. Auch wird die Idee einer neuen Verbindung zum Erweiterungsbau über einen zusätzlichen Ausstellungssaal nicht als eine Bereicherung eingeschätzt, sondern eher als eine Belastung.

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