Was steht da auf dem Münsterplatz? Ein Glaskabinett? Eine Spiegelskulptur? Gastautor und Architekt Kaspar Fischer blickt auf eine besondere Installation an der diesjährigen Art Basel zurück.
«Als ich während dem Aufbau der Installation zufällig auf dem Münsterplatz vorbei kam, fielen mir besondere Fragmente auf: Glas, Metall, Fundament und Andeutungen von Formen. Sofort vermutete ich eine Installation von Dan Graham, den ich persönlich in Oslo und New York getroffen habe. Meine Vermutung wurde mir von einem Arbeiter, welcher beim Aufbau beteiligt war, bestätigt. Dass Dan Graham zu den grössten und wichtigsten Künstler seiner Zeit gehört, spiegelt sich im klaren Wiedererkennungswert seiner Installationen.
Dan Graham lebt und arbeitet in New York. Er ist Gallerist, Fotograf, Filmemacher, Performance- und Installationskünstler. In den frühen sechziger Jahren zog es ihn ins pulsierende New York, wo er eine Galerie eröffnete, in welcher er bedeutende Werke der Minimal Art von Künstlern wie Dan Flavin, Donald Judd oder Sol LeWitt ausstellte. Seit 1976 als er auf der Biennale von Venedig mit Public Space / Two Audiences seinen Höhepunkt erreichte, haben sich seine Arbeiten auf Architekturmodelle und Pavillons konzentriert, die er im öffentlichen Raum installiert hat. Mit seinem Schaffen hat Dan Graham die Schnittstellen von Architektur und Populärkultur immer wieder neu untersucht, hinterfragt und dargestellt.
Dancing Circles ist eine ortspezifische Installation. „The Piece“ wie Dan Graham sein gleichzeitig skulptural und architektonischen Pavillon nennt, ist aus Stahl und Spiegelglas konstruiert.
Dancing Circles wurde während der Art Basel 2019 auf dem Münsterplatz Basel installiert. Der Pavillon stellt eine unübersehbare, anziehende, zentrale Plattform dar, die von Besuchern aktiviert und bespielt wird, in dem sie in die Rolle eines Darstellers oder des Publikums schlüpfen. Der Betrachter erlebt durch Transparenz und Reflektion ein vielschichtiges, zwischen Innen und Aussen konkurrenzierendes Seherlebnis. Man hat den Eindruck, dass die Landschaft im Zweiwegspiegelglas zu wachsen beginnt, kann aber die Nähe nicht einschätzen. Die beiden „Circles“ sind räumlich voneinander getrennt und durch separate, gegenüberliegende Eingänge betretbar. Diese elegante geometrische und ineinandergreifende Struktur, demonstriert Grahams Auseinandersetzung mit dem Minimalismus.
Dan Graham’s begehbare Installation „Dancing Circles“ liess den Münsterplatz durch das Raum- und Seherlebnis neu erfahrbar werden. Ich liess es mir nicht entgehen, mich mit all meinen Sinnen der Installation zu widmen: Nicht nur das Hin- und Durchschauen, sondern auch die Akustik und das Raumgefühl des Münsterplatz eröffneten mir neue Perspektiven. Die Begehung des Pavillons liessen nicht nur wertvolle Erinnerungen an mein Austauschsemester in Oslo aufkommen, sie bestätigten mir ein weiteres Mal, dass Dan Graham für mich einer der grössten Künstler ist. Seine Arbeiten und Werke inspirieren mich täglich bei meiner Arbeit als Architekt.»
Text: Kaspar Fischer, Architekt, Basel
Dan Graham
Dancing Circles, 2018
Stainless steel, two-way mirror glass, 230 x 456 x 729.5 cm