Das Baselbieter Bauernhaus – Rundgang in Arisdorf | Baselbieter Baukultur #47

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Sie gehören zum Dorfbild der meisten baselbieter Ortschaften und prägen mit ihrer eigenwilligen Architektur einen Grossteil der Dorfkerne im Landkanton. Für einmal befassen wir uns nicht mit aussergewöhnlichen Kirchen, interessanten Wohngebäuden oder bemerkenswerten Infrastrukturbauten, sondern mit dem normalsten, was wir auf der Suche nach profaner baselbieter Baukultur nur finden können: das Bauernhaus. Obschon klassische Bauernhäuser im Wesentlichen praktischen Regeln folgen, sind sie mitnichten simple Gebäude; dies zeigt sich bereits daran, dass sich gewisse architektonische Regeln durchgesetzt und über einige hundert Jahre gehalten haben. Eine besonders gute Rundschau bietet die Hauptstrasse in Arisdorf. Die meisten Bauten entlang der Hauptstrasse entstanden zwischen 1750 und 1840, einige wenige sind gar älter.

Eines der ältesten Bauernhäuser in Arisdorf, vor 1680/1822, Hauptstrasse 42+42a, Arisdorf © Börje Müller Fotografie

Eines der ältesten Bauernhäuser in Arisdorf, vor 1680/1822, Hauptstrasse 42+42a, Arisdorf © Börje Müller Fotografie

Die lockere Anordnung von quer und längs zur Strasse gestellten Volumen ist bezeichnend für die Bebauungsstruktur. Die meisten Gebäudeanlagen bestehen aus zwei hauptsächlichen Gebäudeteilen: dem Wohn- und Ökonomieteil. Ersterer ist an der regelmässigen, teils stichbogigen Befensterung mit klarer Eingangssituation zu erkennen. Meistens ist der Wohnteil mehrstöckig mit Hochparterre und unterkellert. Keller waren nötig für die kühle und dunkle Lagerung von Lebensmitteln, etwa von Äpfeln oder Rüben. Über den traufseitig befensterten Geschossen finden sich häufig mehrere Stockwerke, entweder ausgebaut zu Wohnzwecken oder weitere teils über mehrere Geschosse offene Lagerflächen unter der Dachschräge. Belichtet werden sie über Dachfenster und Schleppgauben im Hauptdach oder kleinere Öffnungen in der Giebelwand. Das Dach des Wohnteils ist meist nur minimal auskragend, um die tiefen Wohnräume mit möglichst viel Sonnenlicht zu versorgen.
Ganz anders verhält sich der Ökonomieteil. Dessen Dach überspannt den Vorplatz meist gleich um mehrere Meter. Korrekt nennt sich das weite Vordach in diesem Fall «Schermen». Gleichermassen bezeichnet der Ausdruck einen Unterstand, ein Schutz- oder Wetterdach. Ein grosses Rundbogentor bildet den Hauptzugang zum Ökonomieteil. Dahinter befindet sich meistens ein multifunktionaler Stall. Links und rechts eines breiten Ganges sind im Erdgeschoss beispielsweise Viehställe angeordnet. Die Tiere werden über den Mittelgang mit Futter versorgt. Oft finden sich Typologien mit zweiseitig bedienten Viehställen, erkennbar an weiteren meist kleineren hölzernen Stalltüren. Die Gülle der Tiere fliesst in grösseren Anlagen direkt in ein Gülleloch, ein offenes Güllesilo. Über den Viehställen befinden sich Lagerflächen für alles Mögliche. Mit Seilzügen und ähnlichem konnten Wagen im Mittelgang direkt be- oder entladen werden.

Wohn- und Ökonomieteil mit angebauter Wagenscheune, 1820, Hauptstrasse 30, Arisdorf © Börje Müller Fotografie

Wohn- und Ökonomieteil mit angebauter Wagenscheune, 1820, Hauptstrasse 30, Arisdorf © Börje Müller Fotografie

Die beiden Gebäudeteile unterscheiden sich meistens in der Höhe. Aufgrund der unterschiedlichen Auskragungen sitzen die beiden Gebäude auch selten unter einem Dach. Sowohl der Ökonomie- als auch der Wohnteil sind meist gemauert und nur in den oberen Geschossen mit Holz verschalt. Der Ökonomieteil hat wegen des weit auskragenden Dachs oft auch Traufwände zum Schermen hin aus Holz mit diversen Öffnungen für Apparate (Seilzüge, etc…).
Verschiedentlich tauchen Bauten mit einer zusätzlichen Wagenscheune auf, meist angebaut und ganzheitlich mit Holz verschalt. Die Scheunen können sich aber auch zwischen Wohn- und Ökonomieteil befinden. Man findet auch freistehende Fahrzeug- und Geräteschuppen. Diese waren vermutlich etwas teurer in der Herstellung, boten aber umso mehr äussere Fassadenfläche für die Lagerung von Werkzeugen, etwa langen Holzleitern für die Kirschenernte.

Klassische Anordnung – sogar mit Brunnen, 1830, Hauptstrasse 44+44a, Arisdorf © Börje Müller Fotografie

Klassische Anordnung – sogar mit Brunnen, 1830, Hauptstrasse 44+44a, Arisdorf © Börje Müller Fotografie

Im Freilichtmuseum Ballenberg steht seit 1989 das sogenannte «Hüginhaus». Das Gebäude aus Therwil wurde vermutlich 1675 gebaut. In dieser frühen Zeit bestanden die Häuser meist noch aus Holz und Stroh; der Besitzer Johann Gutzwiler konnte sich offenbar einen gemauerten und weiss verputzten Wohnteil leisten. Typischerweise für die baselbieter Bauernhäuser hinkt auch das Hüginhaus seiner Zeit etwas hinterher, was die architektonische Stilrichtung betrifft. Orientierte sich die Architektur im allgemeinen längst am Barock, finden sich in Bauernhäuser in dieser Zeit noch immer Formen aus der Gotik.

Text: Simon Heiniger / Architektur Basel


Das Baselbieter Bauernhaus
Adresse: Hauptstrasse, 4422 Arisdorf
Architektur: unbekannt
Bauzeit: ab 1680
Funktion: Profanbau mit Wohn- und Ökonomieteil


Fotos:
© Börje Müller Fotografie
Quellen:
– Hasche, K. & Hanak, M. (2010), Bauten im Baselbiet: eine Architekturgeschichte mit 12 Spaziergängen, Schwabe AG, Basel. ISBN: 978-3-7965-2664-0
– Website Freilichtmuseum Ballenberg, Hüginhaus Therwil 1675

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