Debatte zum Roche-Areal: «Der Park wird nicht öffentlich sein»

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Wie weiter auf dem Südareal? Fast 200 Zuschauer verfolgten am vergangenen Mittwochabend via Livestream die Debatte rund um die Pläne der Roche auf dem Areal zwischen Grenzacherstrasse und Rheinpromenade. Sie wurden Zeugen einer fundierten, sachlichen Debatte, die jedoch auch die kaum überbrückbaren Gräben zwischen den unterschiedlichen Interessen aufzeigte. Der Umgang mit dem Bestand, die denkmalpflegerischen Aspekte, standen dabei im Zentrum. Und am Ende folgte eine bemerkenswerte Aussage zur vorgeschlagenen Idee des Parks am Rhein.

Livestream: Podiumsgespräch «Stadtcampus in Basel: Beispiel Roche» © Architektur Dialoge

Alles der Reihe nach: Die einleitende Präsentation von Sarah Barth verschaffte einen guten Überblick der baulichen Entwicklung des Roche-Areals. Daraufhin lancierte Moderator Dieter Kohler die Diskussion mit der Frage, weshalb die Roche innerhalb von nur einem Jahr ihre Pläne so massgeblich revidieren musste. Standortleiter Jürg Erismann gestand, dass die vormaligen «mittelgrossen Hochhäuser» am Rhein «eher störend» gewesen seien. Man konzentriere sich lieber auf einen einzigen Neubau, womit ein umso grösserer Park entstehen könne. Ausserdem sei die Etappierung so leichter zu bewerkstelligen. Dorothee Huber, Vertreterin des Denkmalrats, zeigte sich ob der neusten Pläne überrascht. Sie bedauerte, dass «unser Antrag auf Unterschutzstellung in keiner Weise Eingang gefunden hat.» Bernd Nicolai, Professor für Architekturgeschichte und Initiant der Petition zum Erhalt der Roche-Bauten, setzte da noch einen obendrauf und sagte: «Ich war geschockt.»

Podiumsgespräch «Stadtcampus in Basel: Beispiel Roche» © Architektur Dialoge

«Man ist geleitet von Interessen.» Mit diesem Satz brachte Huber die Sachlage ziemlich präzise auf den Punkt. Auf der einen Seite der Weltkonzern, der seinen Standort – optimiert nach seinen Bedürfnissen – umbauen möchte. Unterstützt von den Architekten, die nach langem Studium die «bestmögliche Lösung» erarbeitet haben. Auf der anderen Seite die Denkmalpflege und der Denkmalrat, die den verfassungsrechtlichen Auftrag haben, für den Erhalt der Denkmäler des Kantons zu sorgen. Dass es dabei nicht nur um mittelalterliche Kirchen oder Barockbauten gehe, unterstrich Huber: «Man möchte aus allen Epochen repräsentative Bauten erhalten haben. Dazu gehören auch Produktionsgebäude.» 

Bau 52 von Roland Rohn © Architektur Basel

Damit war die Überleitung zu den konkret betroffenen Bauten der Roche geschafft. Einerseits handelt es sich um das erste Hochhaus an der Grenzacherstrasse, den Bau 52, von Roland Rohn. Pierre de Meuron konnte dem Bau wenig Qualitäten abgewinnen. Es sei eine kleine Kopie des Uno-Gebäudes in New York, aber eben zu klein geraten. Das Verhältnis zwischen dienenden und bedienten Räumen sei sehr schlecht. Kurz: «Das Hochhaus hat seine Mängel.» In dasselbe Horn bliess Erismann: «Die heutigen technischen Anforderungen an ein Hochhaus erfüllt es in keiner Weise.» Die rein technische Betrachtung sei unzulänglich, bemerkte Huber: «Dann ist das historische Gebäude immer auf der schlechten Seite.» Oder etwas überspitzt formuliert: Wenn es nach rein technischen Argumenten, wie Erdbebensicherheit, Brandschutz und Fassadenertüchtigung, ginge, müsste die halbe Altstadt samt Münster abgebrochen werden. Letztlich geht es um den kulturellen Wert, der bemessen und abgewogen werden muss. Diese Aufgabe kommt in Basel dem Denkmalrat zu, der dafür von der Regierung die demokratische Legitimation erhält.

Visualisierung Roche Südareal © F. Hoffmann-La Roche Ltd

Auf der städtebaulichen Ebene wollte Pierre de Meuron das Südareal als «eine Park-Typologie» verstanden wissen. Der Mehrwert für die Öffentlichkeit sei dank dem zusätzlichen Grünraum gross. Ausserdem habe der Park in Zeiten der urbanen Überhitzung einen positiven Effekt auf das Stadtklima. An diesem Punkt wären die Klima-Experten gefragt gewesen, was zusätzliche Hochhäuser ihrerseits zur Überhitzung beitragen. Bernd Nicolai warf Pierre de Meuron vor, dass er den Abbruch schon in einer frühen Studie vorgespurt habe: «Die Tabula rasa war bereits 2005 angedacht.» De Meuron widersprach: «Von Tabula rasa zu sprechen, finde ich ein starkes Stück.» Worauf Nicolai nachdoppelte: «Natürlich ist das eine Tabula rasa-Mentalität.»

Roche Bau 27 von Otto Rudolf Salvisberg © Architektur Basel

Das zweite Gebäude, das unter Schutz gestellt werden soll, ist das Betriebsgebäude 27, das ursprünglich von Otto Rudolf Salvisberg erstellt und später von Roland Rohn umgebaut und erweitert wurde. An diesem Bau schieden sich die Geister. Pierre de Meuron: «Es war einmal eine Ikone, ist es aber nicht mehr.» Die Roche habe in einem Gutachten, die Umnutzung untersucht, bestätigte Jürg Erismann: «Gemäss dem Gutachten benötigt es eine Totalsanierung.» Diese sei jedoch weder technisch noch ökonomisch sinnvoll. Nicolai hingegen fand für den geplanten Abbruch drastische Worte: «Das wäre, als wolle man das Bauhaus abreissen.» Auf die Frage des Moderators, was die Roche machen würde, sollte das Gebäude tatsächlich unter Schutz gestellt werden, liess sich Erismann zur etwas flapsigen Bemerkung hinreissen: «Dann würden wir anschreiben: Betreten verboten.» Er machte damit klar, dass die Roche nicht mit einer Unterschutzstellung rechnet.

Visualisierung Vorfahrt Südareal © F. Hoffmann-La Roche Ltd

Zum Schluss führte die Diskussion zurück zur verführerischen Verheissung des städtebaulichen Vorschlags von Herzog & de Meuron: Dem grossen, neuen Park am Rhein. Aus dem Publikum wurde via Livechat die Frage gestellt, ob die Roche damit nicht einfach vorsorglich Platz für weitere Türme schaffen wolle. Dies verneinte Erismann: «Es wird kein Bau 4 kommen.» Ausserdem wurde gefragt, ob der neue Park denn auch tatsächlich öffentlich zugänglich sei. Hier geriet Erismann in die Defensive. Er führte aus, dass die Vorfahrt zum neuen Empfangspavillon auf jeden Fall öffentlich sei. Der Park hingegen werde «nicht öffentlich sein können.» Mit diesem einen Satz wurde der städtebauliche Wurf seiner Versuchung beraubt. Die Argumentation Erismanns, weshalb der Park nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könne, war eher dürftig: «Wir können die Sicherheit eines öffentliche Parks nicht übernehmen. Wenn Leute am Wochenende unterwegs sind, sich sportlich betätigen und sich dabei verletzen. Das ist nicht denkbar.» Falls es tatsächlich daran liegen würde, darf die Roche das Land gerne der Allgemeinheit im Baurecht abtreten. Dann könnte der Kanton – finanziert aus dem Mehrwerttopf – den Park selbst realisieren und unterhalten.

Podiumsgespräch «Stadtcampus in Basel: Beispiel Roche» © Architektur Dialoge

Doch das ist Zukunftsmusik. Zuerst geht es nun um die Frage der Schutzwürdigkeit der Roche-Bauten. Das Verfahren ist hängig. Wie die angeregte Debatte zeigte, geht es hier um Grundsätzliches: Nämlich um den Denkmalschutz als verfassungsrechtlichen Auftrag. Sollte der Regierungsrat der Empfehlung des Denkmalrats nicht folgen, hätte das wegweisenden Charakter. Letztlich mündet die Frage in einer politischen Abwägung: Wirtschaftliches Wachstum versus Schutz der Baukultur. Ein Kompromiss scheint nach der Debatte nicht griffbereit. Und dennoch: Dass in dieser Form und auf diesem Niveau – das Lob gebührt dem umsichtigen Moderator Dieter Kohler – öffentlich gestritten werden konnte, spricht für die Architekturstadt Basel. Die Wertschätzung unserer Baukultur bedingt die öffentliche Auseinandersetzung.

Text: Lukas Gruntz / Architektur


Wer die Diskussion verpasst hat, kann dies hier nachholen > https://youtu.be/-j0Z8iogjDc

 

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