PETITION GAV ARCHITEKTUR

Die Baueingabe für den KV Ersatzneubau ist erfolgt – Forderungen an die Politik für die Zukunft

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Wie so oft ist der Ausgangspunkt für eine Neuplanung eine Zonenänderung. So geschehen am Aeschengraben. Aus der Zone 5a wurde anlässlich der Zonenplanrevision von 2014 die Zone 6 und damit auf dem Grundstück des KV-Basels innerhalb des neuen Lichtraumprofiles doppelt so viel Geschossfläche möglich als ihn der Bestand bot. Die gleichzeitige Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft und die zunehmend digitalisierten Arbeitswelten fordern gemäss dem Verband neue Unterrichtsformen und eine Anpassung der räumlichen Infrastruktur. Dies war der Ausgangspunkt für die Beauftragung von Burckhardt Architektur für eine erste Machbarkeitsstudie im Jahre 2018. Nach sechs Jahren Planungszeit wurde Ende 2024 das Baugesuch für den Ersatzneubau eingereicht. Ein Wettbewerbsverfahren für das 65-Millionen-Projekt fand nicht statt. Ohne die genauen Pläne zu kennen, hatten wir im März 2024 etwas wehmütig über den geplanten Abbruch des KV berichtet. Im heutigen Artikel liefern wir euch ein Update zum Projekt.

In der Zwischenzeit durften wir die Pläne bei Burckhardt Architektur anschauen und uns ihre Beweggründe erläutern lassen, die zu dem geplanten Abbruch des Bestandes und dem Ersatzneubau geführt haben. Schön, dass wir die Pläne und Modellbilder auch unserer Leserschaft zeigen dürfen. Wir freuen uns auf eine anregende Debatte.

Ehemaliger Botanischer Garten am Aeschengraben – Löffelplan 1862

Wo einst eine grüne Oase war
Auf dem Grundstück des KV Basel weisst nichts mehr darauf hin, dass sich hier einst der Botanische Garten befand. Der Hof, der im Ursprungsprojekt von Suter und Suter noch vom alten und schönen Baumbestand profitierte, wurde in den 70ger Jahren gänzlich zugebaut. Am Aechenplatz zeugt heute einzig das ehemalige Pförtergebäude an der St.Jakobsstrasse 6 von der grünen Geschichte dieses Ortes, welches neben dem Bankenbau von Botta etwas gar verloren wirkt.

Der Botanische Garten wurde aufgelöst, markante Bäume sind jedoch geblieben – Garten des einstigen Schul- und Vereinshaus von Suter und Suter © SBZ

Das sehr anmutige Schul- und Vereinshaus von Suter und Suter aus dem Jahre 1938 wurde zwanzig Jahre später durch einen Klassentrakt ergänzt und in den 70ger Jahren bis auf das 2. Obergeschoss rückgebaut und die ergänzten neuen Geschosse statisch aufwändig aufgehängt. Dieses statische Unterfangen hat nun dazu geführt, dass das Architekten Team trotz aufwändiger Suche keine Lösung fand mit dem Bestand zu arbeiten, einzig das Untergeschoss des 30ger-Jahrebaus soll bestehen bleiben. Der Verband schreibt dazu: «Eine sorgfältige Überprüfung des Bestandes in mehreren Varianten hat ergeben, dass eine Anpassung an heutige und künftige Anforderungen an moderne Bildungsorte nicht zufriedenstellend machbar und zudem mit unverhältnismässig hohem Aufwand verbunden wäre. Deshalb hat sich der Kaufmännische Verband Basel zu einem zeitgemässen und zukunftsfähigen Ersatzneubau am heutigen Standort entschlossen.» Löblich ist, dass mit Zirkluar, eine Partnerin zur Seite steht, die mit einem aufwändigen Bauteilkatalog und der nötigen Zeit den Rückbau und die Wiederverwendbarkeit der einzelnen Bauteile prüft.

Volumenmodell aus Strassenperspektive – ein markantes zweigeschossiges Atikageschoss prägt den Strassenzug © Burckhardt Architektur

Modellbild Hofseite – Mit vielen Staffelungen zur maximalen Ausnutzung des Lichtraumprofiles © Burckhardt Architektur

Städtebau des Neubauprojektes
Burckhardt Architektur schlagen für die Neubebauung der Parzelle eine H-Form vor. Das Volumenmodell zeigt, wie das Lichtraumprofil möglichst maximal ausgenutzt wird, was aber städtebaulich zu einem eher unpräzisen Volumen führt. Ein einheitliches Grid soll das Gebäude gemäss den Architekten zusammenfassen. Dies ist auch der Grund, weswegen die heute prägenden Travertinplatten nicht in der Fassade wiederverwendet werden (die Architekten prüfen noch, ob sie als Bodenbelag eingesetzt werden können). Für die Identität des Ortes und das Weiterbauen im Sinne von Lucius Burckhardt hätte die Wiederverwendung aus unserer Sicht eine Bereicherung sein können, zumal die beiden Seiten (Strasse und Garten) die durch das Grid zusammengebunden werden, nicht gleichzeitig einsehbar sind und auch unterschiedliche Voraussetzungen haben. Die Architekten verzichten auch auf eine Neuinterpretation der heute so prägenden Betonung des Eingangs. Er wird nun durch eine Veränderung der Achsmasse  und dem Weglassen der Holzbrüstungen ausgezeichnet. Das Rückspringen der Fassadenlinie neben dem Eingang hätte ein paar m2 Nutzfläche gekostet, die Flächenmaximierung – es ist kein Geheimnis, wird in unserer Zeit stärker gewichtet als der architektonische Ausdruck beziehungsweise der Städtebau. Aus diesem Grund benötigen wir für wichtige Orte qualitätssichernde Verfahren mit guten Fachjurys, die zugunsten der Architektur argumentieren können. Dazu später mehr.

Grundriss EG © Burckhardt Architektur

Zur Belebung des Ortes gibt es im Erdgeschoss ein öffentliches Café-Bistro. Die Turnhalle und der Gymnastikraum ist auch für Vereine nutzbar. So leistet das neue KV einen Beitrag für die Belebung des Quartiers. Die Lage ist für den Verband wegen der ÖV-Anbindung perfekt, es war daher klar, dass die Schule auch weiterhin das Geschäftsquartier beleben soll und der Standort im Klybeck-Areal nur als Übergangsquartier während der Bauzeit dient.

Grundriss 2. Obergeschoss © Burckhardt Architektur

 

Sonderstellung KV
Seit der Entstehung des Baus von Suter und Suter werden unter dem Dach am Aeschengraben verschiedene kaufmännische Grundausbildungen angeboten. Die Ausbildung hat sich in der Zwischenzeit stark verändert, aber die kaufmännischen Berufslaufbahnen sind nach wie vor gefragt, aktuell besuchen an der Berufsdachschule KV Basel rund 1000 Lernende ihren Unterricht. Der KV erfüllt seit Jahrzehnten einen öffentlichen Bildungsauftrag. Einblick in diesen bietet ein alter Ratschlag aus dem Jahre 2008 «Subvention an den KV Basel für die Führung der Handelsschule (Subventionsperiode 2010 – 2014)». Die heutige Leistungsvereinbarung mit dem Kanton ist leider nicht öffentlich einsehbar, auch auf Rückfrage beim Erziehungsdepartement nicht. Die Finanzierung des Ersatzneubaus ist durch den Kaufmännischen Verband Basel sichergestellt. Dieser muss sich als private Trägerschaft juristisch nicht an das öffentliche Beschaffungswesen halten.  «Die privatrechtliche Struktur der Handelsschule KV Basel hilft mit, dass die Berufsverbände bei der Schulausbildung des kaufmännischen Berufsnachwuchses und bei den Lehrabschlussprüfungen mitwirken. Der rechtliche Status der Handelsschule KV Basel bietet auch in finanzieller Hinsicht Vorteile für den Kanton Basel-Stadt.» Dies die Antwort aus dem Ratschlag von 2008 auf die Frage, aus welchen Gründen im kaufmännischen Bildungswesen die Berufsfachschule nicht vom Kanton geführt wird, wie dies in anderen Bildungsbereichen der Fall ist. In anderen Kantonen wird in den Leistungsvereinbarungen jedoch definiert, dass sich Leistungsempfänger ebenfalls an das öffentliche Beschaffungswesen halten müssen. Dies wäre löblich, auch wenn der Neubau nicht direkt vom Kanton subventioniert oder mitfinanziert wird.

Schnitt A-A © Burckhardt Architektur

Persönliche Verstrickungen auf Kosten der Qualitätssicherung?
Das Neubauprojekt weisst gemäss dem Internetauftritt von Dietziker Partner Baumanagement Baukosten in der Höhe von stattlichen 65 Millionen Franken aus und hat durchaus öffentlichen Charakter. Aus unserer Sicht sind sowohl die Baukosten als auch die prominente Lage, Nutzung und der Bestandsbau eine Ausgangslage, die zwingend ein qualitätssicherndes Wettbewerbsverfahren hätte herbeiführen sollen. Auch das Stadtbauamt hätte dazu geraten, wurde jedoch im Prozess zu spät mit der Planung konfrontiert. Die Firma Dietziker Partner Baumanagement agiert als Bauherrenvertretung und macht das Kostencontrolling. Es erstaunt, dass der dort Zuständige, als gleichzeitiges Vorstandsmitglied des SIA Basel und Präsident der Zentralkommission für Ordnungen des SIA Schweiz nicht darauf gepocht hat, ein solches Varianzverfahren anzuwenden. In der Präsentation erläuterte man uns als Begründung den rollenden Prozess der statischen Abklärungen und das sich stetig ändernde Raumprogramm; dies hätte es nicht möglich gemacht zu einem sinnvollen Zeitpunkt einen Wettbewerb auszuschreiben. Der etwas fade Beigeschmack dieser Erläuterung wird auch dadurch verstärkt, dass die Verstrickungen durchaus offensichtlich sind: Wie ein Blick auf die beiden Hompages zeigt, ein Mitglied der Geschäftsleitung von Burckhardt Architektur ist gleichzeitig auch Vorstandsmitglied des KV Basel.

 

Schnitt B-B © Burckhardt Architektur

Forderungen an die Politik
Auch wenn der Kaufmännische Verband die Baukosten ohne Subventionierung von Seite des Kantons stemmt, wäre die Bauherrschaft mit einem Varianzverfahren gut beraten gewesen. Obwohl heute ein solides Projekt von Burckhardt Architektur vorliegt, dass nach einigen Überarbeitungen auch von der Stadtbildkommission abgesegnet wurde, bedauern wir das Vorgehen ohne Wettbewerbsverfahren. So werden wir nie wissen, was alles möglich gewesen wäre. Die nicht vorhandene Auslegeordnung, die ein Wettbewerb hätte bieten können, bleibt ein Manko. Das Legitimieren durch eine Fachjury führt immer zu mehr Akzeptanz und weniger Fragen. Der Kanton ist in der Pflicht bei künftigen ähnlichen Vorhaben seine Leistungsbezüger in die Pflicht zu nehmen, hier ist zwingend auch eine Absprache der verschiedenen Departemente nötig – in diesem Falle dem Erziehungsdepartement und dem Bau- und Verkehrsdepartement.

Wir danken dem Kaufmännischen Verband und Burckhardt Architektur für ihre Offenheit und den Austausch und wünschen Ihnen einen guten weiteren Projektverlauf.


Text:  Christina Leibundgut, Architektur Basel

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