Hans Emmenegger: «Bauen mit Gebrauchtem erfordert viel Spontanität»

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Er war eine entscheidende Figur. Sein Know-how in Sachen Bauen mit gebrauchten Bauteilen trug massgeblich zum Gelingen des Basel Pavillons, der im Rahmen der Architekturwoche Basel erstellt wurde, bei. Fachkundig, pragmatisch und lösungsorieniert: Hans Emmenegger weiss als gelernter Zimmermann und Holzbaumeister wie man unkonventionelle Herausforderungen in den Griff kriegt. Er hat sich bereits bei verschiedenen Projekten mit dem Thema der Wiederverwendung auseinandergesetzt. Im Interview verrät er, was beim Basel Pavillon die besondere Herausforderung war – und sagt: «Eine Preiserhöhung des Holzes unterstützt natürlich die Wiederverwendung von Holzbauteilen.»

ReUse bedeutet viel Handarbeit © HUSNER AG Holzbau

Architektur Basel: Wann hast Du das erste Mal vom Projekt des Basel Pavillons gehört?

Hans Emmenegger: «Letzten Sommer war ich mit meiner Familie in einem Sabbatical. Wir waren von Mai bis September auf einer Alp im Entlebuch als Hirten angestellt. In Verlaufe dieser Zeit habe ich die Nachricht des Pavillons von Adrian Portmann, einem meiner Mitarbeiter, bekommen.»

Du warst als Experte auch bei der Jurierung der Projekte des Architekturwettbewerbs als Experte dabei. Was ist dir davon dieser Erfahrung geblieben?

«Das war eine sehr interessante Erfahrung. Ich habe tiefen Einblick in die verschiedenen Beiträge erhalten und eine sehr breite Interpretationsspanne der Wettbewerbsteilnehmer erlebt. Das kreative Schaffen der Architekten hat mich beeindruckt. Als Mitglied der Jury habe ich festgestellt, dass es eine schwierige Aufgabe ist, das «beste» Projekt eindeutig identifizieren zu können. Je nachdem, aus welchem Aspekt man die Arbeit betrachtet, variieren die Ergebnisse. Mein Anteil an der Bewertung war die Beurteilung der technischen Machbarkeit unter Einhaltung der Kosten. Die Projekte waren grösstenteils realistisch umzusetzen, überschritten jedoch meistens das gesetzte Budget.»

«Zum Teil können kleine Abweichungen eines Einzelteils eine lange Reihe von Veränderungen bedeuten. Hier braucht es die Offenheit für spontane Veränderungen seitens der Planer. Um rasche Entscheidungen herbeizuführen, muss viel kommuniziert werden.»

Die Kosten waren tatsächlich eine grosse Herausforderung. Was war ansonsten besonders herausfordernd bei der Planung und beim Bau des Basel Pavillons?

«Bauen mit Gebrauchtem erfordert viel Spontanität und Kreativität. Oftmals entspricht das tatsächlich zu verbauende Material nicht genau dem Erwarteten. Zum Teil können kleine Abweichungen eines Einzelteils eine lange Reihe von Veränderungen bedeuten. Hier braucht es die Offenheit für spontane Veränderungen seitens der Planer. Um rasche Entscheidungen herbeizuführen, muss viel kommuniziert werden. In unserem Falle fand dies aufgrund von sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten und grosser geografischer Distanz mittels unzähliger Mails statt. Das war für mich als Holzbauplaner ungewohnt und hat unerwartet viel Zeit beansprucht. Wir haben mit den Architekten jedoch immer einen Weg gefunden – welcher am Ende zur Zufriedenheit beider Seiten führte.»

Alles digital, alles BIM: Planersitzung mit isla, Hans Emmenegger und Lukas Gruntz © Chrissie Muhr

Der Entwurf von isla Architekten besteht aus verschiedenen Modulen, wobei eines aus Kartonröhren gebaut wird. Wie kann das funktionieren?

«Die eingesetzten Kartonröhren besitzen eine sehr dicke Wandstärke. Zudem ist die geometrische Form, das «Rohr» eine sehr gute Form, weil es in alle Richtungen die gleichen Querschnittswiderstände bietet. Shigeru Ban entwirft schon seit den achziger Jahren Behelfsbauten aus Karton. Karton verliert unter Einfluss von Feuchtigkeit jedoch an Substanz. Zum Schutz vor Wasser haben wir es hydrophobiert. Für die kurze Einsatzdauer durch den Sommer habe ich kein schlechtes Gefühl. Für einen längeren Einsatz wäre ich beim Bau mit Karton vorsichtiger.»

Wie funktionierte der Bauablauf? Wie und wo werden die Pavillonmodule gebaut?

«Von jedem Modultyp habe ich ein 3-D Modell erstellt und durch die Architekten freigeben lassen. In diesem Schritt konnten bereits erste Abweichungen aufgrund der Materialverfügbarkeit erkannt und darauf reagiert werden. Nach Freigabe der Pläne wurden die Baustoffe aufbereitet und auf die erforderliche Grösse zugeschnitten. Fehlendes Material konnte zu diesem Zeitpunkt gesucht und beschaffen werden. Danach startete in der Produktionshalle in Frick der Zusammenbau der Module zu transportfähigen Einheiten. Hier wurde bereits der Boden, sowie Sitzbank und Stützen unabhängig von Wind und Wetter in der geschützten Werkhalle gebaut. Circa drei Wochen vor Bauübergabe wurden die Module an den Verwendungsort transportiert und mit einem Autokran auf die SBB-Fahrbahn versetzt. Vor Ort wurde dann das Dach, und die Übergänge von Modul zu Modul fertiggestellt.»

«Was früher Gang und Gäbe war, ist heute aufgrund der industrialisierten Holzbearbeitung und Holzwerkstoffherstellung beinahe vergessen gegangen. Die Sicht des zirkulären Bauens ist nichts weiter als eine Neuinterpretation, bei welcher viel Handwerkskunst, Ideenreichtum und Spontanität gefragt ist»

Vorbereitung der Pavillon-Module im Werk in Frick © HUSNER AG Holzbau

Das Resultat kann man noch bis Ende September auf dem südlichen Dreispitz besichtigen. Inwiefern beschäftigt sich die Firma Husner mit dem Thema des zirkulären Bauens?

«Die Baustoffe werden sehr günstig hergestellt und haben kaum noch einen Wert. Was früher Gang und Gäbe war, ist heute aufgrund der industrialisierten Holzbearbeitung und Holzwerkstoffherstellung beinahe vergessen gegangen. Die Sicht des zirkulären Bauens ist nichts weiter als eine Neuinterpretation, bei welcher viel Handwerkskunst, Ideenreichtum und Spontanität gefragt ist. Wir haben schon verschiedene Bauten mit gebrauchtem Material erstellt. Es ist uns ein Anliegen, diese ressourcenschonende Bauweise voranzutreiben und an der Entwicklung teilnehmen zu dürfen. Diverse bei uns interne Projekte werden diesbezüglich bearbeitet und sollen uns in Zukunft zur vereinfachten Projektabwicklung helfen. Ich sehe  Husner als einen Pionier in einer vergessenen Art zu bauen.»

Die Holzpreise steigen. Was heisst das für das Thema der Wiederverwendung?

«Ich glaube die Gesellschaft nimmt wahr, dass nicht alle Rohstoffe im Überfluss und unerschöpflich vorhanden sind. Beim Holz ist das jedoch noch schwierig zu erkennen, weil wir in der Schweiz von Wäldern umgeben sind. Eine Preiserhöhung des Holzes unterstützt natürlich die Wiederverwendung von Holzbauteilen. Allerdings muss auch offen gesagt werden, dass die Kosten bei ReUse gegenüber dem Bauen mit neuem Material nicht geringer sind. Die Preiserhöhung auf neues Holz müsste viel höher ausfallen, als dies bisher geschehen ist.»

Hans Emmenegger im Gespräch mit isla: Präzision ist das A und O © Architektur Basel

Altholz ist da sicher ein Stichwort. Wäre genügend vorhanden, um damit zu bauen?

«Es liesse sich sicher ein Teil der Neubauten realisieren. Grundsätzlich eignet sich nicht jedes Holz, welches zurückgebaut wird zur Wiederverwendung. Gesucht sind vor allem grosse Querschnitte, mit wenig Fremdkörpern wie Schrauben und Nägel. Dies schränkt natürlich bereits stark ein. Zudem würde das fehlende Holz aus den Abbruch- und Rückbauobjekten als Energieholz fehlen. Dieses müsste wiederum aus Holz direkt ab Wald ersetzt werden.»

«Im Bereich der Neubauplanung sehe ich eine grosse Chance für den Holzbau, die Gebäude so zu bauen, dass sie zerstörungsfrei wieder in Einzelteile zerlegt werden können. Die so gewonnenen Teile können weitergenutzt werden»

Der “konventionelle” Holzelementbau ich komplett digitalisiert und in Sachen Effizienz optimiert. Wird das Bauen mit gebrauchten Bauteilen jemals ökonomisch kompetitiv sein?

«Entscheidend ist der effiziente Rückbau und der Zustand der Bauteile. Wie bereits erwähnt, kann mit grossen Querschnitten mehr erreicht werden als mit Kleinen. Zudem soll das Rückbauholz möglichst frei von Fremdkörpern sein, um Schäden an den Bearbeitungsgeräten zu verhindern. So sind die Grundlagen gegeben, um auch mit gebrauchtem Material eine effiziente CNC-Bearbeitung anzustreben. Im Bereich der Neubauplanung sehe ich eine grosse Chance für den Holzbau, die Gebäude so zu bauen, dass sie zerstörungsfrei wieder in Einzelteile zerlegt werden können. Die so gewonnenen Teile können weitergenutzt werden. Zudem ist dank dem digitalen Zwilling eines Gebäudes genau bekannt, welche Bauteile sich in einem Gebäude verbergen. Die gebauten Gebäude dienen als urbane Miene und können so weiterverplant werden, noch bevor sie zurückgebaut werden.»

Materialtest für den Bodenbelag: Die Lüftungsrohre werden aufgeschnitten und plattgewalzt © Chrissie Muhr

Zirkuläres Bauen, das Denken in Materialkreisläufen, hat auch mit der Frage der Verbindungen zu tun. Im heutigen Holzbau wird viel geklebt und geleimt. Das erschwert die Weiterverwendung des Holzes als Rohstoff. Muss diesbezüglich ein Umdenken stattfinden?

«Im Bereich der Neubauplanung sehe ich eine grosse Chance für den Holzbau, die Gebäude so zu bauen, dass sie zerstörungsfrei wieder in Einzelteile zerlegt werden können. Die so gewonnenen Teile können weitergenutzt werden. Zudem ist dank dem digitalen Zwilling eines Gebäudes genau bekannt, welche Bauteile sich in einem Gebäude verbergen. Die gebauten Gebäude dienen als urbane Miene und können so weiterverplant werden, noch bevor sie zurückgebaut werden. Ein Umdenken ist auf der ganzen Linie Voraussetzung für das langfristige Etablieren dieser Bauweise. Alle beteiligten müssen dahinterstehen. Beginnend mit dem Investor, über die Planer, bis hin zu den ausführenden Unternehmern.»


Zur Person: Hans Emmenegger
Spartenleiter Zimmerei und Projektleiter bei HUSNER AG Holzbau
Stiftungsrat Vorsorgestiftung ERNE Gruppe / Eidg. Dipl. Holzbau Meister / Dipl. Techniker HF Holzbau / Fachmann Thermografie- und Luftdichtigkeitsmessung


Der Basel Pavillon ist für alle da!

© Armin Schärer / Architektur Basel

Infos zur Nutzung:
Bis Ende September 2022 steht der Basel Pavillon für Veranstaltungen von Vereinen, Firmen oder Institutionen (vom Apéro bis zum Konzert) zur Verfügung. Ebenso werden auf Anfrage Führungen angeboten. Weitere Auskünfte erhalten Sie per Mail an Lukas Gruntz > gruntz@architekturbasel.ch

 

 

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