«Land zu verkaufen!» hiess es kürzlich in Muttenz. Drei Eigentümer, namentlich der Kanton Baselland, die Gemeinde Muttenz und die private Eigentümerschaft Leumann boten eine Parzelle von rund 6’500 Quadratmetern Fläche zum Verkauf an: «Die Eigentümer beabsichtigen, in einem gemeinsamen Vorgehen die Parzellen zu veräussern, beziehungsweise diese für eine Neubebauung zu entwickeln.» Die Muttenzer Gemeindeversammlung hatte bereits im Dezember 2018 dem Verkauf zugestimmt. Das Grundstück befindet sich direkt angrenzend an den Kubuk-Neubau der FHNW und in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Muttenz. Von einer Lage «mit Entwicklungspotential» würde man im Immobilienjargon sprechen, wobei die Eigentümerschaft im Zusammenhang mit dem Verkauf auch die städtebauliche Qualität der künftigen Bebauung sichern wollte. Mittels unkonventionellem Bieterverfahren samt Eingabe eines Richtprojekts wurde dem Rechnung getragen. Gesucht wurde also ein Käufer inklusive überzeugendem Bebauungskonzept. Die Absichten waren gut – und trotzdem hinterlässt das gewählte Verfahren einige Fragezeichen.
Die von sechs Architekturbüros ausgearbeiteten Projekte mussten sich an die Vorgaben des «Teilzonenplans Polyfeld» halten. Die spätere Bebauung wird folglich ohne Quartierplan auskommen. Die im Jurybericht dokumentierten Projektbeiträge sind äusserst vielfältig. Das ist gut so; denn der Überbauung kommt als Scharnier zwischen Bahnhof und FHNW in Zukunft eine besondere Rolle zu. In Anbetracht der städtebaulichen Bedeutung wirft das gewählte Bieterverfahren mit integriertem Richtprojekt dennoch einige Fragen auf: Wieso waren im Beurteilungsgremium die Experten betreffend Architektur und Städtebau nicht stimmberechtigt? War die Verknüpfung von Bieterverfahren mit Architekturprojekt mit Aussagen bis hin zur Fassadenmaterialisierung tatsächlich sinnvoll? Hätte man nicht zuerst einen Käufer suchen sollen – verbunden mit der Auflage, dass dieser anschliessend einen SIA-konformen Architekturwettbewerb durchführen muss? Wie kann die Qualitätskontrolle der weiteren Projektentwicklung nach Vergabe garantiert werden?
Die Absichten bei der Wahl des Verfahrens mögen gut gewesen sein. Im Bericht heisst es dazu: «Das gemeinsame Ziel der Grundeigentümer ist es, dass vis-à-vis der neuen FHNW im Westen, respektive des Strafjustizzentrums im Norden und entlang der Hofackerstrasse im Süden, ein städtebaulich und architektonisch überzeugendes Projekt realisiert wird.» Das Richtprojekt wurde bei der Beurteilung mit 60 Prozent gewichtet. Das Kaufangebot hingegen lediglich mit 30 Prozent. Und dennoch war der Kaufpreis am Ende ausschlaggebend. Dies ist einem dezenten Hinweis im Jurybericht zu entnehmen: «Aufgrund der sehr grossen Preisspanne der Kaufangebote veränderte sich in der Folge die nach der Beurteilung der Richtprojekte erfolgte Rangierung.»
Dass letztlich also das Kaufangebot und nicht die städtebauliche und architektonische Qualität matchentscheidend war, hinterlässt in Anbetracht des immensen Aufwands der teilnehmenden Architekturbüros ein ungutes Gefühl. Ein „Gschmäckle“, wie man im Badischen sagen würde. Der Projektname des Beitrags von Salathé Architekten mit Verweis auf das legendäre Gesellschaftsspiel trifft den Nagel auf den Kopf: Monopoly.
PROJEKTÜBERSICHT
Zuschlag:
Co-Next von Oppenheim Architecture
«Die Verfasser verzichten weitgehend auf eine Differenzierung der grossen Freiflächen (den Bewohnern vorbehaltene) in halböffentliche und öffentliche Bereiche. Studenten, Passanten, Bewohner und temporäre Nutzer teilen sich den gleichen Aussenraum. Um zu vermeiden, dass
sich schlussendlich keine Nutzergruppe zuständig fühlt, ist für das Gelingen der Projektidee eine konsequente Umsetzung der vorgeschlagenen Nutzungskonzepte und eine bewusst gesteuerte Kuratierung der Erdgeschoss- und Freiflächennutzung auch nach der Fertigstellung der Bebauung entscheidend. Der Kernidee des Urban Living Lab kommt dabei eine zentrale Bedeutung für das Gelingen des Projekts zu. Diese soll zwingend in dieser Form beibehalten und noch gestärkt werden. Das Konzept wird unter diesen Vorzeichen als Chance verstanden, einen weiteren zentralen Baustein zur Entwicklung und Belebung des Quartiers Polyfeld zu leisten.»
«Die Dimensionen und Geometrie der Plaza müssen überprüft werden. Die Abmessungen scheinen auch für die geplante, bewusst kuratierte Nutzung und Frequentierung deutlich zu gross und sind hinsichtlich Aufenthaltsqualität zu wenig differenziert. Insbesondere der Abschluss zur Grenzacherstrasse vermag nicht zu befriedigen. Das Gebäude entlang dem Damm vermag die angestrebte Wirkung einer räumlichen Einfassung nach Norden nicht zu entfalten und soll hinsichtlich seiner Dimension, Geometrie und Setzung überdacht werden.»
Monopoly von Salathé Architekten zusammen mit Tommy Neuenschwander
«In der Höhe gestaffelte Baukörper bilden eine Abfolge von Höfen, die Treppenhäuser derWohnungsbauten sind von einer gemeinsamen, im Areal liegenden Gasse her erschlossen. Die Aussenräume sind angemessen dimensioniert, ihre Zuordnung zu Durchwegung und Hauseingängen verspricht gut nutzbare Freiräume.
In das regelmässige, statische Grundraster sind attraktive Grundrisse eingearbeitet, die Konzentration der Nasszellen soll mit teilweise loftähnlichen Raumsequenzen in den Wohnungen auf das industrielle Umfeld des Polyfelds verweisen.»
«Gesamthaft handelt es sich um ein gut durchgearbeitetes Projekt, das die Zuordnung von Erschliessung, Aussenräumen und Volumenverteilung im gegebenen städtischen Kontext überzeugend löst. Die übergeordneten Entwurfsgedanken werden in der Architektur konsequent umgesetzt. Die hohe Dichte an Gestaltungselementen wirkt stellenweise etwas überinstrumentiert, allerdings sind die einzelnen Bestandteile aus der Nutzung heraus entwickelt, bieten einen Mehrwert für die Bewohner und sind somit grundsätzlich plausibel.
Der hohen architektonischen Qualität steht ein im Quervergleich der Angebote tiefer Landpreis gegenüber.»
Vis à vis von Blaser Architekten
«Die Ausgestaltung der Baukörper leitet sich gemäss der Strategie des Vis-à-Vis her: Gegen den innenliegenden Hof und die Grünfläche sind die Fassaden offen gestaltet und mit vorgelagerten Loggien ergänzt. Dies ermöglicht eine gewisse Privatheit und ein individualisiertes Erscheinungsbild. Zu den Nachbargebäuden hin zeigen sich die Fassaden aus gewelltem Blech geschlossen. Die Differenzierung in der Fassade vermag aber den einen grundsätzlichen Konflikt hinsichtlich Privatheit und Öffentlichkeit nicht zu lösen, den sich das Projekt mit der Öffnung der Bebauungsstruktur zur Hofackerstrasse einhandelt. Es gelingt in der Folge auch nicht, dem Hof und dem Grünraum eine glaubwürdige Nutzung und identitätsstiftende Charakteristik zu geben. Die grosse Fläche des Hofes wirkt undifferenziert verloren. Eine Verankerung der Bebauung im Quartier und Interaktion mit der bestehenden Umgebung kann mit der gewählten Bebauungsstruktur nicht realisiert werden.»
«Auf der Ebene der Wohnnutzung zielt das Projekt auf einen hohen Anteil an kleinen bis mittleren Wohnungen für Familien ab. Fast alle Wohnungstypen verfügen über zwei unterschiedliche Aussenbereiche und sind als sogenanntes Durchwohnen ausgebildet. Die Bebauung ist im Minergie-P-Standard geplant, ein zeitgemässes Mobilitätskonzept wird mit der Erstellung ausgearbeitet. Erklärtes Ziel ist, mit grosszügigen Photovoltaikanlagen eine Eigenverbrauchsgemeinschaft zu werden.»
ffbk Architekten
«Die ffbk-Architekten schlagen eine sehr grossflächige Bebauung des Areals vor, welche stark mit der Öffnung, Schliessung und Überdachung von Flächen im Erdgeschoss spielt und damit eine sehr breite Nutzungsmöglichkeit der vor allem gewerblich nutzbaren Räume eröffnet. Die Bebauung wirkt wie ein auf dem Grundstück aufgerollter Teppich. Sie nimmt das Bebauungsmuster des Masterplans Polyfeld nicht auf, sondern setzt die Idee, vor allem nach innen gerichtete, teils halböffentliche Gassen mit daran anschliessenden Werkräumen und Ateliers anzubieten, konsequent um. Dabei wählen die Architekten eine sehr hohe Dichte mit einem sehr grossen Flächenangebot.»
«Die drei sechsgeschossigen, stirnseitig zur Hofackerstrasse ausgerichteten Baukörper, sind klar gegliedert und ergeben mit ihren grossmassstäblichen Betonrastern ein einheitliches Fassadenbild. Zum grossen Park und dem FHNW-Gebäude hin bildet die Westfassade ein starkes Gegenüber.
Die Aneinanderreihung von drei Gebäudezeilen mit Kopfbildung zur Strasse hin wird jedoch als eher problematisch beurteilt. Die Aussenräume sind tendenziell wenig attraktiv gestaltet und bieten für das Quartier keinen erkennbaren Gewinn. So kann die geforderte Langsamverkehrverbindung zwischen Hofackerstrasse und Grenzacherstrasse nicht überzeugen. Auch ist der nördlich entlang den Fassaden entstehende Freiraum weder als Wegführung noch als Aufenthaltsfläche attraktiv. Obwohl die Idee der internen Gassenbildung spannend ist, ist fraglich, ob die angestrebte Dichte an diesem Ort im Polyfeld belebt und dauerhaft aufrechterhalten werden kann. Das Projekt vermag in städtebaulicher Hinsicht nicht vollumfänglich zu überzeugen.»
Lucent Park II von Degelo Architekten
«Die Genossenschaft Homebase und Degelo Architekten präsentieren mit ihrem Richtprojekt «Lucent Parc II» ein sehr beeindruckendes, visionäres und mutiges Konzept für das ausgeschriebene Areal. Sie verzichten bewusst auf die volle Ausschöpfung des maximalen Bauvolumens und konzentrieren sich stattdessen auf die Optimierung von Raum-, Energie- und Kosteneffizienz. Das Konzept ist in diesem Sinne äusserst konsequent und mutig. Die gewählte Bauform mit ansteigendem Dach widerspricht der zonenrechtlichen Bestimmung, wonach auf Hauptbauten nur Flachdächer zulässig sind. Ausserdem wird die baurechtliche Bestimmung betreffend der Mindestzahl an Parkplätzen nicht erfüllt.»
«Aus dem Bestreben heraus, möglichst günstige Nutzflächen anzubieten, wurde das Kaufangebot für die Grundstücke des Kantons und der Gemeinde Muttenz eher tief angesetzt und liegt nun weit unter dem Höchstangebot. Es muss daher hinterfragt werden, ob das Konzept an dieser gut erschlossenen Lage im hohen Preissegment richtig gewählt wurde oder ob hierzu eher andere Lagen mit tieferen Grundstückspreisen besser geeignet wären.»
Dost Architektur
«Die Verfasser schlagen für Baufeld I einen nach Norden offenen, u-förmigen Baukörper vor, der in Baufeld II durch einen Zeilenbau ergänzt wird. Die Fussgängerachse vom Bahnhof Muttenz zur FHNW soll als zentrales Entwurfselement in einer abwechslungsreichen Raumabfolge durch die Bebauung führen.»
«Die Nutzung der Aussenräume wird in einer Legende bezeichnet, ihre Einordnung in ein übergeordnetes Freiraumkonzept wird nicht erläutert. Die Rampe auf die Grenzacherstrasse bleibt erhalten, die städtebaulich wichtige Westfassade zur FHNW hin bleibt somit hinter der Rampe versteckt, ihr vorgelagerter Aussenraum unattraktiv. Die Fussgängerachse zum Bahnhof führt durch eine Öffnung in der Rampe unter dem auskragenden Ende des Baukörpers hindurch nach Osten. Ihre Ausformulierung wird der angestrebten städtebaulichen Bedeutung nicht gerecht. Das Projekt erbringt den Nachweis der Bebauung und grundsätzlichen Machbarkeit, entwickelt jedoch im gegebenen, städtebaulichen Umfeld wenig spezifische, auf die Bedeutung des Ortes zugeschnittene Antworten. Die Darstellungen machen in Bezug auf die Architektur wenig konkrete Angaben. Einige der vorgeschlagenen architektonischen Elemente bleiben im Hinblick auf das angestrebte städtebauliche Konzept widersprüchlich.»
Quelle: Die Projektbeurteilungen stammen aus dem offiziellen Jurybericht.
Artikel: Lukas Gruntz / Architektur Basel