Ozeanium schlägt hohe Wellen: Emotionale Diskussion am «Stadtgespräch»

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Das Ozeanium ist seit Wochen «Stadtgespräch» in Basel. Der Titel der Veranstaltung traf den Nagel auf den Kopf. Organisatorin Sarah Barth betonte bei der Begrüssung, dass es bei der Diskussion um das geplante Gebäude und nicht die Fische ginge. Ein frommer Wunsch, wie der Verlauf des Abends zeigen sollte…

Stadtgespräch: Ein Ozeanium in Basel? © Cedric Christopher Merkli

Roger Boltshauser: «Ich bin seit zehn Jahren Mitglied der grünen Partei» © Cedric Christopher Merkli

Der Auftakt gelang sachlich. Ozeanium-Architekt Roger Boltshauser präsentierte souverän und überzeugend seine konstruktiven und architektonischen Überlegungen. Das Ozeanium solle ein neuer Stadtbaustein werden. Es suche den Dialog zu den bestehenden Gebäuden. Das offene Erdgeschoss werde zur Belebung der Heuwaage beitragen. Besonders spannend waren seine Erläuterungen zur Fassade: Die Lehmkonstruktion benötige im Vergleich zu herkömmlichen Fassaden deutlich weniger graue Energie. Und überhaupt: Der mit Abstand grösste Anteil des Wasserverbrauchs beim Ozeanium würde das Restaurant und nicht etwa die Wasserbecken verursachen. «Ausserdem bin ich selbst seit zehn Jahren Mitglied der grünen Partei», ein kleiner Seitenhieb an seine Parteikollegen in Basel, die das Ozeanium vehement bekämpfen.

Ring frei! Nun konnte die von Dominique Spirgi geleitete Podiumsdiskussion beginnen. Folgende Teilnehmer stellten sich der Debatte: Andreas Bründler (Buchner Bründler Architekten), Dr. Olivier Pagan (Zollidirektor), Vera Weber (Präsidentin Fondation Franz Weber) und Thomas Grossenbacher (Grossrat Grüne). Wieso es denn überhaupt ein Ozeanium brauche, eröffnete Spirgi die Diskussion. «2008 wurde der Zolli vom Kanton angefragt, ob dieser Interesse hätte den Zolli an der Heuwaage zu erweitern. Dem Zolli wurde schnell bewusst, dass die Heuwaage kein geeigneter Ort für offene Gehege ist. So kamen wir auf die Idee als Erweiterung des Vivariums das Ozeanium zu planen», erläuterte Zollidirektor-Pagan die Entstehungsgeschichte.

Stadtgespräch: Ein Ozeanium in Basel? © Cedric Christopher Merkli

Vera Weber zum Aussehen des Neubaus: «Das ist Geschmackssache.» © Cedric Christopher Merkli

Auf die Frage, ob ihr der Bau gefalle, antwortete Vera Weber diplomatisch: «Das ist Geschmackssache.» Am Gebäude selbst finde sie nicht gut, dass es den Anwohnern die Sicht und Luft nehmen würde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde dem Publikum klar, dass die Diskussion über Städtebau und Architektur an diesem Abend keine einfache Sache würde.

Allez hop, Andreas Bründler! Er finde Gefallen an der soeben gezeigten Visualisierung. Kein Wunder, denn man sah darauf das Ozeanium mit dem geplanten Heuwaagehochhaus im Hintergrund, aber nicht dem siegreichen Entwurf von Miller Maranta, sondern jenem von Buchner Bründler. Schmunzeln im Publikum. Bründler: «Meiner Meinung nach ist die Heuwaage ein Unort. Diesem metaphorischen Projekt könnte es gelingen, zwischen dem Natur- und Stadtraum zu vermitteln. Das Haus mit wenigen Fenster wirkt geheimnisvoll und ist genau das richtige. Ein Jahrtausendbauwerk!» Spontaner Applaus.

Stadtgespräch: Ein Ozeanium in Basel? © Cedric Christopher Merkli

Andreas Bründler: «Das Ozeanium wird ein Jahrtausendbauwerk!» © Cedric Christopher Merkli

Das sah Grossrat Grossenbacher anders. Er fragte Bründler, ob er nicht das Münster vergessen habe. Dieser verneinte und sagte, dass dieses in einem anderen Jahrtausend gebaut wurde. Grossenbacher sprach daraufhin dem Ozeanium seine städtebauliche Legitimität ab: «Früher stand bei der Heuwaage ein Markt. Dies ist der falsche Ort für den Abschluss der Stadt. 13 Millionen wurden für das Nachtigallenwäldeli ausgegeben. Das Ozeanium wird es erdrücken.» Zum zweiten Mal spontaner Applaus. Die Stimmung im proppenvollen Saal wurde von Minute zu Minute emotionaler. Alle versuchten ihre Meinung kundzutun – und sei es nur durch lautstarkes Klatschen bei den entsprechenden Voten. Bründler widersprach vehement: «Die Brücke ist kein gutes Tor zur Stadt. Das Ozeanium wird das neue Tor. So kann es gelingen, die Stadt weiterzubauen.»

Stadtgespräch: Ein Ozeanium in Basel? © Cedric Christopher Merkli

Thomas Grossenbacher: «Das sind keine Füsse. Das ist ein winzig kleiner Durchgang! Alles andere ist schöngeredet.» © Cedric Christopher Merkli

Moderator Spirgi versuchte den Infight zwischen Architekt und Grossrat zu lösen, indem er Pagan fragte, wieso er als Parkbesitzer unbedingt ein Haus bauen wolle. Der Zollidirektor erklärte, dass zwei Drittel des Ozeaniums unter der Erdoberfläche liegen und damit viel Freiflächen belassen würden. Auf der Stadtebene versuche sich das Gebäude maximal zu öffnen. Es handle sich um «ein schwebendes Gebäude mit Füssen.» «Das sind keine Füsse. Das ist ein winzig kleiner Durchgang! Alles andere ist schöngeredet», entgegnete Thomas Grossenbacher und wiederholte daraufhin seine grundsätzliche Kritik am Ozeanium-Standort: «Der Zolli soll sich nach innen entwickeln. Die Bevölkerung benötigt Grünraum.» Deshalb sollen nicht noch mehr Gebäude geplant werden. Andreas Bründler liess das nicht gelten: «Ein toter Ort wird belebt. Das bringt der Stadt viele zusätzliche Besucher und das Ozeanium kann einen neuen Bezug zum Naturraum vermitteln.»

Stadtgespräch: Ein Ozeanium in Basel? © Cedric Christopher Merkli

Olivier Pagan: «Es geht nicht um das Sammeln von Tieren. Uns sind Arten- und Tierschutz sehr wichtig.» © Cedric Christopher Merkli

Der nicht in jeder Situation souveräne Moderator Spirgi spielte daraufhin Vera Weber einen Steilpass: «Frau Weber, was sagen Sie dazu, dass 50% der Besucher mit dem Auto anreisen werden?» Architekt Bründler reagierte sichtlich genervt: «Besser als nach Australien zu fliegen, um sich dort Fische anzuschauen!» Grossenbacher entgegnete: «Lasst uns die Lebensräume schützen und nicht nach Basel holen.» Der Zolli versuche Themenhäuser, wie zum Beispiel das Etoschahaus, zu bauen, erklärte Pagan. Mit dem Neubau möchte der Zolli das faszinierende Ökosystem des Ozeans thematisieren. Es ginge nicht um das Sammeln von Tieren. Dem Zolli seien der Arten- und Tierschutz sehr wichtig. Das brachte Vera Weber auf die Palme: «Bedrohte Tierarten nach Basel zu holen ist grotesk! Tiere sollen dort geschützt werden wo sie sind. Meerestiere haben in einem Binnenland nichts zu suchen.»

Stadtgespräch: Ein Ozeanium in Basel? © Cedric Christopher Merkli

Voller Saal am Stadtgespräch: Ein Ozeanium in Basel? © Cedric Christopher Merkli

Anstatt über Städtebau und Architektur zu sprechen, fischte die Diskussion spätestens jetzt im Trüben Wasser der Ideologien und festgefahrenen Meinungen. Er sei ganz grundsätzlich der Meinung, dass Tiere nicht eingesperrt gehören, erklärte Grossenbacher. Als Lehrer finde er, dass man Tierschutz anders besser vermitteln könne.

Auf die Frage, ob sie grundsätzlich gegen Zoos sei, meinte Vera Weber, dass man beim bestehenden Zolli «nichts mehr machen kann, da dieser bereits gebaut ist.» Beim Ozeanium sehe das anders aus: «Diese Welt wollen wir unseren Kindern nicht zeigen!» Die Ozeanium-Gegner hatten die Diskussion nun dort, wo sie sie haben wollten: Beim Transport und der Beschaffung der Fische. Pagan erklärte, dass sich die Beschaffung der Tiere aus drei Teilen zusammensetze: Austausch zwischen den Zoos, Zuchtprogramme und Wildfang. Es gelte zu bedenken: «80 Milliarden Tonnen Fisch werden pro Jahr vom Menschen gegessen. Der Anteil, der die Ozeanien brauchen, steht in keinem Verhältnis dazu.»

Stadtgespräch: Ein Ozeanium in Basel? © Cedric Christopher Merkli

Emanuel Christ an vorderster Ja-Front: «Es braucht den städtebaulichen Akzent.» © Cedric Christopher Merkli

Jetzt endlich liess die Moderation die Wogen der Diskussion ins Plenum überschwappen. BSA-Obmann Simon Frommenwiler bat darum, über den Städtebau zu diskutieren. Schliesslich sei dies das primäre Thema des Abends. Der ebenfalls in der ersten Reihe anwesende Emanuel Christ ergänzte, dass die Basler Stimmbevölkerung über eine zonenrechtliche Vorlage abstimme. Es brauche den städtebaulichen Akzent. Dieser bringe den Zolli nach vorne. Er glaube an das Gebäude. Es folgten diverse Pro- und Contra-Stimmen aus dem Publikum. Zolli-Verwaltungsrat Lukas Stutz fragte Vera Weber, wieso ihre Stiftung beim ähnlichen Projekt «Aquatis» in Lausanne nicht interveniert hätte, schliesslich würde sie doch dort wohnen. Weber, leicht verlegen, meinte dazu, dass ihre Organisation viel zu klein wäre, um gegen das «Aquatis» vorzugehen. Stirnrunzeln im Saal. SP-Grossrat Tim Cuenod votierte zum Schluss engagiert für das Projekt: «Ich habe Vertrauen gegenüber dem Zolli. Dieser muss keine Rendite erwirtschaften, da er privat finanziert wird.» Das Ozeanium sei eine Chance für Basel.

Stadtgespräch: Ein Ozeanium in Basel? © Cedric Christopher Merkli

SP-Grossrat Tim Cuénod im Plenum: «Das Ozeanium ist eine Chance für Basel.» © Cedric Christopher Merkli

Chance oder Unglück? Nach fast zwei Stunden ging die hitzige Diskussion zu Ende. Ein echter Diskurs, ein Austausch von Gedanken und Ideen, kam nur bedingt zu Stande. Die Meinungen waren zu festgefahren. Und dennoch, bei aller Hitzigkeit: Das Stadtgespräch lieferte einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung. Wie weiter? Es bleibt das Abstimmungsergebnis abzuwarten. Ja oder nein? An diesem emotionalen Abend an der Dufourstrasse half vorerst ein Schluck kühles Unser Bier.

Stadtgespräch: Ein Ozeanium in Basel? © Cedric Christopher Merkli

Das kühle Bier danach! Architektur Dialoge-Geschäftsführer Fausto de Lorenzo sorgt für Abkühlung nach hitziger Debatte. © Cedric Christopher Merkli

Text: Céline Dietziker / Architektur Basel

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