«Seid ihr eigentlich Vollblutarchitekten?» – Fabio Felippi und Thomas Wyssen über ihr Berufsverständnis

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«Wie machen wir das mit den Fragen, soll ich gleich starten?»
«Wir können es ja immer so machen: Arbeitsteilung – die eine Frage beantwortest du und die andere ich. Ist gut?» «Ja voll, also los jetzt!»

Gesagt, getan – die beiden Büropartner Fabio Felippi und Thomas Wyssen kennen sich bereits seit dem Architekturstudium an der Fachhochschule in Muttenz, arbeiteten zusammen bei Herzog & de Meuron und führen nun seit über zehn Jahren ihr eigenes Büro. Dass sie es gewohnt sind gemeinsam aufzutreten, merkt man. Unsere Fragen beantworten sie lässig und abgeklärt. Dabei ergänzen sie einander wenn nötig und sprechen trotz Corona-bedingtem Videointerview kein einziges Mal gleichzeitig.

Felippi Wyssen Architekten: Wohnhaus Gatternweg in Riehen © Rasmus Norlander

Felippi Wyssen Architekten: Wohnhaus Gatternweg in Riehen © Rasmus Norlander

In ihrer jungen Karriere haben die beiden bereits viele Facetten des Bauens kennen gelernt. Befanden sie sich während ihrer Lehre als Hochbauzeichner näher an der ausführenden Seite, so beschäftigen sie sich heute als Architekten mit Entwürfen und Plänen in allen Massstäben und Entwicklungsphasen. Das spiegelt sich auch in ihrem Verständnis für den Beruf wider: Die Kontrolle über ihre Projekte geben sie nur ungern ab. Sie verstehen ihre Arbeit als Prozess, der mit der ersten Skizze und vielseitigen Überlegungen beginnt und erst mit der Schlüsselübergabe endet. Dazwischen betreuen Fabio Felippi und Thomas Wyssen ihre Projekte intensiv, bearbeiten Detaillösungen und sind häufig auf der Baustelle. Diese Arbeitsweise ist sehr zeitaufwändig, doch notwendig, um den hohen Ansprüchen gerecht zu werden, die sie an ihre Architektur stellen.

Architekten wie Sand am Meer
«So wie Fabio und ich arbeiten nicht alle Büros», gibt es dann auch gleich noch als Statement zum Thema Mehraufwand obendrauf. Nicht nur die Detailausarbeitung und die Baustellenbesuche sind zeitintensiv, auch die Arbeit an selbstgebauten Modellen verlangt den Architekten viel ab. Doch genau diese intensive Entwurfsarbeit schätzen sie besonders. Vor allem zum Überprüfen konstruktiver Probleme und räumlicher Zusammenhänge werden immer wieder Leim und Cutter in die Hand genommen. Von extrem grossmassstäblichen Städtebaumodellen bis hin zu Innenraum-Mock-Ups ist alles dabei. Dieses Vorgehen verlangt meist mehrere kleinere und grössere Modelle pro Projekt. Das Arbeiten mit Modellen haben die beiden jungen Architekten vor allem während ihrer Zeit bei Herzog & de Meuron zu schätzen gelernt. Sie verstehen das Modellbauen auch heute noch als wichtigen Teil des kreativen Prozesses.

Studienauftrag Odd Fellows-Haus in Basel © Felippi Wyssen Architekten

Studienauftrag Odd Fellows-Haus in Basel © Felippi Wyssen Architekten

Ihre Arbeitsweise stellen Felippi und Wyssen aber trotz einer klaren eigenen Haltung nicht als die einzig Richtige dar: «Architekten gibt es wie Sand am Meer. Am Ende müssen alle für sich selbst entscheiden, wie sie den Beruf ausüben möchten.» Denn Architektur sei eine Profession mit unglaublich vielen Einflussfaktoren – von Wirtschaft über Physik bis hin zu subjektiven Empfindungen. Eine Baufirma, die sich hauptsächlich mit der «Produktion» von günstigem und schnell gebautem Wohnraum beschäftigt, macht für Thomas Wyssen und Fabio Felippi genauso relevante Architektur wie sie selbst mit ihren ausgeklügelten Detaillösungen und Modellen – nur eben mit ganz anderen Schwerpunkten.

«Völlig hirnrissig!»
Ein Aspekt, der ihre Arbeit zurzeit stark beeinflusst, ist die Nachhaltigkeit. Auch dieses sehr sensible und aufgeladene Thema behandeln Felippi und Wyssen mit einem gewissen Pragmatismus, aber auch mit durchaus facettenreichen und tiefgreifenden Überlegungen. Sie streiten nicht ab, gerne mit dem aus ökologischer Sicht bedenklichen Material Beton zu arbeiten und bezeichnen die Sichtbetonarchitektur von Lina Bo Bardi oder Louis Kahn als grosse Inspirationsquellen für ihre eigenen Projekte. Sie betonen aber, seit einiger Zeit sehr viel bewusster und sensibler mit den Stärken und Schwächen verschiedener Baumaterialien umzugehen.

Grundriss Wohnhaus Gatternweg in Riehen © Felippi Wyssen Architekten

Grundriss Wohnhaus Gatternweg in Riehen © Felippi Wyssen Architekten

Die Herausforderungen, vor die uns der Klimawandel stellt, sehen die beiden allerdings weniger als Einschränkung denn als Chance. Für sie bedeutet Nachhaltigkeit nämlich auch, sich zu fragen, wieviel Platz der Mensch eigentlich wirklich zum Wohnen braucht. «Der Platzbedarf ist in den letzten Jahrzehnten um 10-20m² pro Person gestiegen, was im Hinblick auf die Überbevölkerung eigentlich völlig unverhältnismässig ist. Wohnraum muss wieder reduziert werden, damit Ressourcen geschont werden.» Für ihre Architektur nehmen sich Felippi und Wyssen sehr viel Zeit – sie stecken viel Arbeit in Details und Modelle. Trotzdem ernteten wir auf die Frage «Seid ihr eigentlich Vollblutarchitekten?» erstmal Gelächter. Neben der Liebe zum Beruf gibt es bei den beiden noch sehr viel Platz für Familie und Hobbys – ein Ausgleich, der essentiell für gute Architektur ist.

Text: Max Bächli und Fabian Haslehner


Dieser Text entstand am Institut Architektur FHNW im Frühlingssemester 2020, im Rahmen der Lehrveranstaltung in Sozialwissenschaften zum Thema «The Image of the Architect». Auf der Suche nach neuen Berufsbildern.

 

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