Stadtgespräch zur Klimainitiative: «Jeder nicht gebaute Quadratmeter ist der Beste.»

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So viel vorneweg: Einfache Antworten gibt es nicht. Die Welt ist komplex. Und: Ein lebendigeres und kurzweiligeres Architekturpodium hat man in Basel selten erlebt. Das lag auch am kontroversen Thema. Die Diskussion galt der Klimagerechtigkeitsinitiative. Sie fordert netto null bei den Treibhausgasemissionen bis 2030 und die Verankerung der «Klimagerechtigkeit» in der Basler Verfassung. Für die Bauwirtschaft hätte das grosse Auswirkungen. Am Stadtgespräch kreuzten Barbara Buser, Esther Keller, Meinrad Morger, Nico Ros und Gabriel Barell die rhetorischen Klingen.

«Wir müssen die Bauwirtschaft vorerst stoppen, bis wir wissen, wie man künftig bauen soll. Dann können wir zu Vorreitern für klimagerechtes Bauen werden.»
– Barbara Buser

© Architektur Dialoge, Foto: Dejan Jovanovic

Anhand der drei Begriffe – Klima, Gerechtigkeit und Initiative – steckte Sarah Barth in ihrer kurzweiligen Einführung den Rahmen der Diskussion ab. Ihr prägnantes Fazit: Es braucht mehr Nutzungsdichte, mehr Umbau, mehr Fernwärme, mehr ReUse, mehr Systemtrennung – und wenn Neubau, dann bitte Leichtbau. Danach eröffnete Moderator Dieter Kohler die Debatte. Barbara Buser machte den Auftakt mit einem eindringlichen Zitat von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres: «Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle. Und wir stehen auf dem Gaspedal, anstatt auf der Bremse.» Gewerbeverband-Direktor, Gabriel Barell, konnte dieser dramatischen Zuspitzung nichts abgewinnen. Die Schweiz sei auf gutem Weg, die Klimaziele von Paris zu erreichen. Er plädierte für Bedacht und gegen Aktivismus. «Alles andere wäre kontraproduktiv. Es werden viele vom Karren fallen. Das machen die Menschen nicht mit.» Buser forderte hingegen ein radikales Umdenken: «Wir müssen die Bauwirtschaft vorerst stoppen, bis wir wissen, wie man künftig bauen soll. Dann können wir zu Vorreitern für klimagerechtes Bauen werden.»

«Tut mir leid. Ich bin hier der Ingenieur.»
– Nico Ros

© Architektur Dialoge, Foto: Dejan Jovanovic

Besonders angeregt und unterhaltsam war ein kurzer Schlagabtausch zwischen Meinrad Morger und Nico Ros. Der Bauingenieur skizzierte – vor Optimismus und Erfindergeist strotzend – einen einfachen Weg zum klimagerechten Bauen. Man könne schon heute «ohne Mehrkosten 50% des CO2s» einsparen. Das sei simpel. «Anstatt 28 cm sollten die Decken nur 14 cm stark sein. Das geht.» Das war Morger etwas zu einfach: «Ich kann doch die Statik nicht einfach von heute auf morgen verändern. Wir müssen Gesetze und Normen einhalten. Da machen wir uns etwas vor.» Ros entgegnete: «Wir haben etliche Projekte so realisiert. Man muss die Kriterien einfach anders definieren. Das bedingt Kompromisse: Wir können keine Flachdecken mit neun Metern Spannweite mehr bauen. Das braucht zu viel Beton. Mit einer Rippendecke kann ich hingegen 50% CO2 Beton einsparen» Das sei kein Problem. Morger liess sich nicht überzeugen: «Das stimmt einfach nicht», worauf Ros schlagfertig entgegnete: «Tut mir leid. Ich bin hier der Ingenieur.» Das Publikum quittierte die engagierte Debatte mit spontanem Applaus.

«Noch heroischer ist es, wenn wir es machen»
– Meinrad Morger

© Architektur Dialoge, Foto: Dejan Jovanovic

Auf die Frage, was eine Annahme der Klimagerechtigkeitsinitiative für die Bauwirtschaft ganz konkret bedeuten würden, gab es nur wenige konkrete Antworten. Esther Keller machte zumindest eine deutliche Ansage: «Jeder nicht gebaute Quadratmeter ist der Beste.» Das bedinge auch Verzicht. Sie erlebe das in der Verwaltung, wo man «Sharded office» anstatt von fixen Arbeitsplätzen diskutiere. Das sei die Begeisterung nicht immer gross. «Das geht an die Substanz.» Eine Idee, die in der Runde mehrheitlich auf Anklang stiess, war eine Lenkungsabgabe auf Treibhausgasemissionen bei Bauprojekten. «Das ist der effizienteste Weg», befand Ros. Damit würden diejenigen ökonomisch belohnt, die bereits heute klimagerecht bauen. Die Vorgaben sollen jedoch lösungsoffen sein. «Dann kann die Innovation spielen», fasste es Baudirektorin Keller zusammen. Morger forderte zudem eine Vereinfachung des Baugesetzes – pro Bestand. Von den üblichen Abstandsregeln in Nummernzonen sollen diejenigen Projekte enthoben werden, die die Bestandesbauten erhalten. Wenn man an die vielen, mehr oder weniger gelungenen Ersatzneubauten in Riehen oder auf dem Bruderholz denkt, wäre das ein kluger Vorschlag. Damit könnte dem Renditedruck aufgrund der hohen Landkosten etwas entgegengesetzt werden.

«Jeder nicht gebaute Quadratmeter ist der Beste.»
– Esther Keller

© Architektur Dialoge, Foto: Dejan Jovanovic

Was lernten wir an diesem angeregten Abend am Bankverein? Der Betonverband hat sich umbenannt. Er heisse neu «Verband mineralischer Kreislauf» klärte uns Esther Keller auf. Und: Holz ist nicht gleich Holz. Man solle mehr schrauben anstatt kleben. Und zirkulär bauen – Häuser über ihren gesamten Lebenszyklus samt Wiederverwendung denken. Barbara Busers Hoffnung lebt: «Ich hoffe auf die junge Generation. Die sind noch nicht so eingespurt. Die können anders denken.» – «Noch heroischer ist es, wenn wir es machen», entgegnete Morger trocken. Wir werden die Taten messen.

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel

Das Podium kann hier nachgeschaut werden > YOUTUBE

 

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