«Traditionelle Elemente mit neuen Materialien in Einklang bringen» | Baselbieter Baukultur #100

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Seit fünfzig Jahren steht das Erstlingswerk von Architekt Michael Alder an einem Südhang von Ziefen, am äussersten Zipfel der Bauzone. Der schmale Sevogelweg führt steil den Hang hinauf. Die Aussicht über das Dorf bis an den gegenüberliegenden Hang lässt nichts zu wünschen übrig.

Luftbild mit markiertem Projekt (bearbeitet) © Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Luftbild mit markiertem Projekt (bearbeitet) © Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Alder plante das Gebäude für seine Eltern und eine Tante. Wer seinen Artikel in der Zeitschrift werk, bauen + wohnen vom Mai 1980 über ebenjenes Gebäude liest, könnte meinen, er habe das Haus auch für sich selbst gebaut. Als Beweis quasi, dass gute Architektur möglich, aber längst nicht selbstverständlich ist. So geht er mit den damaligen Zonenvorschriften von Ziefen hart ins Gericht. Das Gesetz regle alles bis hin zur Dachneigung und lasse keine Freiheiten mehr, widerspreche damit einer klaren und rationalen Architektur. «Entsprechend sind um das alte Dorf neue Quartiere entstanden in einem heimatlosen Stil,» schreibt Alder und ergänzt, «die Elemente der alten Architektur des Dorfes sind bestimmt durch Klima, Lebensform, Bautechnik und Ökonomie.»

oben: Wohngeschoss mit Höfen, unten: Eingangsgeschoss mit Lauben, Planskizze: Simon Heiniger / Architektur Basel

oben: Wohngeschoss mit Höfen, unten: Eingangsgeschoss mit Lauben, Planskizze: Simon Heiniger / Architektur Basel

Im Doppelwohnhaus am Hang finden sich Lauben, gemeinsame und private Höfe. Die Fassade darf bewachsen und von der Natur eingenommen werden. Allesamt Themen, die Alder in der traditionellen lokalen Bauweise findet und versucht, mit neuen Materialien in Einklang zu bringen. «So sind diese Häuser entstanden – aus Formbetonsteinen, Betonhourdisdecken, Welleternit und einfachem Dachgebälk,» schreibt Alder und reflektiert, «die einfache Bauweise führte damals zu einer Kostenreduktion von mindestens fünfunddreissig Prozent.»
Das Gebäude besteht aus zwei langrechteckigen, längs zum Hang stehenden Häusern mit Satteldach. Die Sockelgeschosse mit den Zugängen öffnen sich mit ihrer Längsseite zum Tal. Mittige Treppen führen jeweils ins darüber liegende Wohngeschoss. Beide Wohnzimmer verfügen über einen eigenen Hof nach Westen oder Osten. Ein gemeinsamer Hof trennt – oder verbindet die Wohngeschosse. Das Satteldach ist im Bereich des gemeinsamen Hofs unterbrochen.

Am Südhang mit Aussicht: Doppelwohnhaus Alder in Ziefen © Simon Heiniger / Architektur Basel

Am Südhang mit Aussicht: Doppelwohnhaus Alder in Ziefen © Simon Heiniger / Architektur Basel

Als auffallend gradlinig bezeichnet Lutz Windhöfel Alders Praxis im Rahmen einer Buchbesprechung in der NZZ anlässlich der Veröffentlichung der Publikation «Michael Alder. Das Haus als Typ» im Jahr 2006. Er charakterisiert Alder mit dem Zitat: «Sagen, was man denkt, und tun, was man sagt» – und fügt an: «(…) beim Bauen hielt er Wort. Alder war für einen Schweizer von ungewohnter Radikalität und Streitlust.» Genau letzteres stellte Alder im Rahmen eines anderen Projekts in Gempen 1979, also zehn Jahre nach dem Doppelhaus in Ziefen, unter Beweis. Im werk, bauen + wohnen schreibt er: «Der «heimatlose Heimatstil» erhielt in Zwischenzeit neue Vorbilder.» Von Wohnhäusern, die tun als wären sie Bauernhäuser, ist die Rede oder von englischen Landhäusern. Sie wären zum gängigen Geschmack geworden, moniert Alder. Währenddessen kämpfte er gegen einen negativen Entscheid der Baubehörde. Zwar hätte das Projekt in Gempen den hiesigen Bauvorschriften entsprochen, doch sei es aus ästhetischen Gründen mit dem folgenden lapidaren Satz abgelehnt worden: «Die Häuser sind anders zu gestalten.» Eine behördliche Einschätzung – aus heutiger Sicht wohl schwer nachvollziehbar – für Alder damals wohl mindestens so unverständlich wie für Aussenstehende manche seiner Interpretationen lokaler, im Grunde bereits vorhandener Architektur. Mit dem Doppelhaus in Ziefen jedenfalls ist ihm ein toller Erstling gelungen.

Text: Simon Heiniger / Architektur Basel


Doppelwohnhaus Alder
Adresse: Sevogelweg 30+32, 4417 Ziefen
Architektur: Michael Alder
Funktion: Wohnhaus


Fotos und Planskizzen:
– Simon Heiniger / Architektur Basel
Karten/Luftbild:
– Bundesamt für Landestopografie swisstopo
Quellen:
– Hasche, K. & Hanak, M. (2010), Bauten im Baselbiet: eine Architekturgeschichte mit 12 Spaziergängen, Schwabe AG, Basel. ISBN: 978-3-7965-2664-0
– Alder, M. (1980): «Wohnhäuser in Ziefen/Baselland und Gempen/Solothurn: Architekt Michael Alder», in: werk, bauen + wohnen 1980, Band 67, S. 31-35
– Windhöfel, L. : «Der pietistische Sozialist», in: Neue Zürcher Zeitung, 29.06.2006. URL: www.nzz.ch/aktuell/startseite/articleE6NXD-1.49952, Zugriff: 2.5.2021

 

 

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