Vom Keltendorf zum Novartis Campus: Der „Architekturführer Basel“ von Dorothee Huber

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Architektur in Basel? Viele mögen dabei zuerst an die mitunter spektakulären Bauten auf dem Novartis Campus, an den Messeneubau und den Roche Tower von Herzog & de Meuron, an die Bauten von Vitra in Weil am Rhein, die Fondation Beyeler von Renzo Piano oder den Markthalleturm von Roger Diener denken. Die Präsenz des zeitgenössischen Bauens im Stadtraum hat viel zum Renommee Basels als international beachtete Architekturstadt beigetragen. Doch woher rührt das Selbstverständnis, mit dem in Basel qualitativ hochstehende Architektur gefordert und gefördert wird? Der 2014 in einer überarbeiteten und aktualisierten Neuauflage erschienene „Architekturführer Basel“ schreibt die „Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung“ und schafft so die Grundlage für das Verständnis der hiesigen Baukultur.

„Ein Führer durch die Geschichte der Architektur ist ein Führer durch die Zeit“,  lautet das Credo des Architekturführers. Das Buch ist denn auch chronologisch aufgebaut: Von den ersten Keltensiedlungen in der späten Eisenzeit wird man durch die Jahrhunderte und Jahrtausende zu den Bauten auf dem Novartis Campus geführt. Dazwischen entstand derart viel Architektur, dass es gar nicht so einfach ist, den Blick auf das grosse Ganze nicht zu verlieren und den Kulturraum bestehend aus der Stadt Basel und ihrer Umgebung im Auge zu behalten. Um der Desorientierung vorzubeugen, sind die Kapitel thematisch gegliedert – und zwar von „Basel im Mittelalter“ mit dem Beschrieb  der Stadtbefestigung sowie sakraler und profaner Bauten über „Barocke Architektur in Basel“ in Gestalt einer Auseinandersetzung mit den Stadtpalais und Sommerhäusern im 17. und 18. Jahrhundert bis „Zurück zur Stadt“ im Sinne einer Annäherung an die wichtigsten Bauten der letzten beiden Dekaden. Die inhaltliche Konsistenz ist dabei genauso überzeugend wie die Nachvollziehbarkeit der thematischen Gliederung. Einzig die zeitliche Überlagerung der vorgestellten Bauten in den beiden letzten Kapiteln „Die Moderne weiterdenken“ und „Zurück zur Stadt“ mag für eine gewisse Verwirrung sorgen; in der Klarheit der Zuordnung nach Bautyp erscheint die Auswahl hingegen schlüssig. Eingestreut sind die Biografien wichtiger Baumeister und Architekten der Stadt: Von Daniel Heintz, dem Erbauer der Geltenzunft und des Spiesshofs, über Hans Bernoulli, dem wichtigen Theoretiker und Wegbereiter des gemeinnützigen Siedlungsbaus, bis zu Marcus Diener, der mit zahlreichen Geschäfts- und Kinobauten die Architektur der 50er und 60er Jahre mitgeprägt hat.

Das Erscheinungsbild des „Architekturführer Basel“ ist schlicht gehalten. Umso augenfälliger sind die zahlreichen, aktuellen Farbfotos von Tom Bisig. Sie schaffen – insbesondere bei historischen Bauten –  einen spannungsvollen Bezug zur Gegenwart. Das in Anbetracht der inhaltlichen Dichte zwangsläufig minimierte Format der Abbildungen schmälert allerdings deren Wirkung. Es bleibt einem nichts anderes übrig, als mit dem Führer in der Hand die Stadt selbst zu erkunden. Hilfreich ist dabei das Kartenwerk am Ende des Buchs: Sämtliche aufgeführten Bauten sind eingezeichnet und können so gezielt aufgesucht werden, eine wunderbare Orientierungshilfe – nicht nur für den ortsunkundigen Architekturfan. Beim Blick auf die Karte manifestiert sich zudem die ausserordentliche Reichtum der Baukultur in Basel: Die Dichte der mit schwarzen Punkten eingezeichneten Bauten ist teilweise so gross, dass die Plätze und Strassen kaum mehr lesbar sind. Visuell bereichert sind die Seiten des Architekturführers zudem mit unzähligen Bauplänen: Grundrisse, Schnitte, Ansichten, Axonometrien erfreuen den Sachverständigen und erleichtern das Verständnis der Bauwerke. Abgerundet wird das Ganze von einem ausführlichen Orts- und Namensregister, womit das Buch zum unverzichtbaren Nachschlagewerk wird.

Der Anspruch, die gesamte Baugeschichte einer kulturell reichen Stadt wie Basel in einem Buch niederzuschreiben, mag vermessen erscheinen. Der Autorin, Dorothee Huber, Kunsthistorikerin und Dozentin für Architekturgeschichte an der FHNW, gelingt es, die Bauten mit der grössten Beispielhaftigkeit und Aussagekraft aus dem Stadtgewebe herauszuschälen. Die mit Bedacht gewählte Architektur wird auf überzeugende Weise in den jeweiligen ökonomisch-politischen Kontext eingewoben. So entsteht ein stimmiges Bild der Baugeschichte – ohne einer vollständigen Inventarisierung des baukünstlerischen Schaffens verpflichtet zu sein. Die Autorin scheut sich auch nicht, an einzelnen Bauten leise Kritik zu üben; beispielsweise wird die formale Extravaganz des Bankgebäudes am Aeschenplatz von Mario Botta als „leere Pose“ entlarvt. Zumeist wird jedoch der objektive Beschrieb einer wertenden Deutung vorgezogen. Im Bewusstsein der Komplexität und Widersprüchlichkeit der Geschichte ist der Architekturführer denn auch viel eher ein Hilfsmittel zum Verständnis der Baugeschichte der Stadt als eine rein wissenschaftlich aufbereitete Enzyklopädie. Es wird der Leserschaft überlassen, die aufgezeigten Zusammenhänge angesichts von gebauten Realitäten nachzuvollziehen und an der Stadt – zumindest in Gedanken – weiterzubauen: „Im Vertrauen auf die Neugierde der Besucherinnen und Besucher der Stadt, die auf ihren Wegen entlang ihrer Vorlieben noch manche Entdeckung machen mögen.“
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Christoph Merian Stiftung, SAM Schweizerisches Architekturmuseum (Hg.)
Dorothee HuberArchitekturführer BaselDie Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung

500 Seiten, 450 meist farbige Abbildungen, broschiert
12 x 25 cm
© 2014 Christoph Merian Verlag, Basel
ISBN 978-3-85616-613-7
CHF 59.− / € 49,−

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