Von wegen «Quartierzentrum» – gähnende Leere in der obersten Etage des Claraturms

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Er war umstritten. Der Claraturm sorgte vor einem Jahrzehnt für einen emotionalen, teilweise polemischen Abstimmungskampf. Er wurde mit harten Bandagen geführt. Die Hochhaus-Gegner veröffentlichten falsche Visualisierungen, wo der Turm überhöht dargestellt wurde. Am Schluss reichte es dennoch für ein knappes «Ja» zum Bebauungsplan – wobei 47% der Stimmbevölkerung gegen das Hochhaus votierten. Von einem «blauen Auge» war in den Medien danach die Rede. Seitens Befürworter wurde im Abstimmungskampf ein Argument mehrfach betont: Die oberste Etage des Claraturms werde der Quartierbevölkerung zur Verfügung stehen. Das Credo: Aussicht für alle. Im Abstimmungsbüchlein stand damals bei den Pro-Argumenten folgendes: «Im obersten Stockwerk des Claraturms ist ein Saal von über 300 m2 für bis zu 240 Personen vorgesehen. Dieser soll als «Quartierzentrum» der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.» Wurde das Versprechen gehalten? Wir wagen den Reality Check.

Polemischer Abstimmungskampf anno 2013: Die Visualisierung der Gegner machte den Claraturm viel höher und breiter (zVg)

Gähnende Leere
Es ist ein windiger Spätnovembertag. Wir stehen fröstelnd am Riehenring und fragen uns: Was läuft in der obersten Etage des Claraturms? Wir suchen den Eingang zum erwähnten «Quartierzentrum». Vergebens. Bei den Eingängen finden wir kein entsprechendes Schild. Wir fragen eine Bewohnerin, die das Haus gerade verlässt. Sie wisse nichts von einer öffentlichen Nutzung im obersten Geschoss. Das wäre ihr neu. Kurz darauf haben wir die Gewissheit. Ganz zuoberst im Turm findet man nur eines: Gähnende Leere. Die stets dunklen, leblosen Fenster zeugen schon von weitem davon. Weshalb klappt es nicht mit der im Abstimmungskampf versprochenen Publikumsnutzug? Wir haben bei der Eigentümerin, der UBS, nachgefragt. Die Antwort fiel eher dürftig aus: «UBS Asset Management ist seit längerem bestrebt, eine Mieterschaft für die oberste Etage im Claraturm zu finden und hat bereits mehrere Möglichkeiten geprüft, wie diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann.» Leider ohne Erfolg: «Bis anhin konnte noch kein Interessent gefunden werden, welcher die Anforderungen einer Publikumsnutzung erfüllt.» Seit zwei Jahren wartet man also vergebens auf das im Abstimmungskampf versprochene «Quartierzentrum».

Dunkle, leblose Fenster zuoberst… © Architektur Basel

Wieso kein Pop-Up?
Es stellt sich die Frage, weshalb kein Pop-Up oder eine Zwischennutzung zu günstigen Konditionen ermöglicht wird. Schliesslich handelt es sich um attraktive Räume mit Weitblick an bester Lage im Kleinbasel. Für das Quartier ist der Leerstand die schlechteste aller Möglichkeiten. Auf unsere weiteren Rückfragen, was denn die Herausforderung bei der Vermietung sei, erhalten wir leider keine Antwort. Offensichtlich ist der Eigentümerin die Sache unangenehm. Negative Presse soll vermieden werden. Das ist aus Sicht der UBS nachvollziehbar. Und dennoch: Im Bebauungsplan wurde festgeschrieben, dass das oberste Vollgeschoss «weitgehend für Publikumsnutzungen zu verwenden» sei. Über diesen Inhalt hat die Basler Stimmbevölkerung befunden. Dass die Umsetzung Jahre nach Fertigstellung des Claraturms nicht stattgefunden hat, wirft Fragen auf.

… das «Quartierzentrum» sucht man vergebens. © Architektur Basel

Vorstoss im Grossen Rat
Wurde der Volkswille umgesetzt? Inzwischen beschäftigt sich die Politik mit dem Leerstand. Grossrat René Brigger hat vergangene Woche eine schriftliche Anfrage eingereicht. Er schreibt darin: «Ich gehe davon aus, dass dieser Sondernutzungsplan verbindlich gegenüber der Eigentümerschaft durchgesetzt werden kann.» Und er möchte von der Regierung wissen: «Wann und wie kann der Bebauungsplan so umgesetzt werden, dass im obersten Vollgeschoss eine Publikumsnutzung möglich wird?» Auf die Antwort darf man gespannt sein. Dass das regierungsrätliche Versprechen aus dem Abstimmungsbüchlein bisher nicht eingehalten wurde, dürfte Anlass zu politischen Diskussionen geben. Unverbindliche Bebauungspläne machen nur wenig Sinn. Zumindest aus demokratischer Perspektive. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die kommenden Arealentwicklungen und Hochhausprojekte in Basel. Oder mit anderen Worten: Ihre wohlverdiente Stadtrendite soll die Allgemeinheit einfordern können. Da braucht es Verbindlichkeit.

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel

 

 

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