«Wir möchten zeigen, was Architektur für die Gesellschaft heute und morgen leisten kann und muss.»

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Bald ist es soweit: In der zweiten Maiwoche findet die Premiere der Architekturwoche Basel statt. Uns erwartet ein Programm mit vielfeältigen Veranstaltungen, Diskussionen und Entdeckungen in und um Basel. Die Architekurstadt wird ihrem Namen gerecht. Doch: Was heisst das genau? Das wollten wir wissen – und haben mit der künstlerischen Leiterin der Architekturwoche, Chrissie Muhr, über die Erstausgabe der Architekturwoche gesprochen.

© Architekturwoche Basel 2022, photo: Julien Lanoo

Architektur Basel: Vom 9. bis 15. Mai 2022 findet erstmals die Architekturwoche Basel statt, deren Programm Du als künstlerische Leiterin massgebend geprägt hast. Was erwartet das Publikum?

Chrissie Muhr: «Für diese erste Architekturwoche Basel (AWB) habe ich das Thema «Reale Räume» definiert. Damit möchte ich die gebaute und nicht-gebaute Umwelt thematisieren und konkret in Basel erlebbar machen. Mit den drei kuratierten Formaten Forum, Basel Pavillon und Trouvailles sowie dem Open Office und vielen unterschiedlichen Partnerveranstaltungen von lokalen Institutionen, Büros und Organisationen, richtet sich das Programm gleichermassen an ein Fachpublikum und eine breite Öffentlichkeit. Die neue biennale Plattform für Architektur und Stadtentwicklung initiiert von Architektur Dialoge, findet in Basel-Stadt, Basel-Landschaft und im Dreiland (CH, D, F) statt. Am Wochenende des 14./15. Mai schliesst zudem das jährlich stattfindende Open House Basel an. Als «Reale Räume» nimmt das Forum die drei aktuelle Basler Entwicklungsareale Dreispitz (Münchenstein), Bachgraben (Allschwil) und Klybeck in den Fokus. Es verortet und initiiert dort durch Areal-Touren, Ausstellungen und Panels den Dialog zwischen Beteiligten vor Ort, eingeladenen Expert:innen und Besucher:innen.»

Auf welche Programmpunkte dürfen sich die in Basel ansässigen Architektinnen und Architekten besonders freuen?

«Ein Highlight ist der erste Basel Pavillon aus wiederverwendeten Bauteilen vom spanischen Büro isla, der am Dienstag 10. Mai als Teil der AWB eröffnet: Ein temporärer, offener Veranstaltungsort, dessen Architektur neue Möglichkeiten des klimagerechten Bauens und der Kreislaufwirtschaft demonstriert und über sechs Monate einen neuen öffentlichen Raum am südlichen Dreispitz etabliert. Ein weiteres Highlight ist das AWB-Format Trouvailles, das auf die Rolle und Verantwortung der Architekt:innen für die Entwicklung der nicht-gebauten, öffentlichen Frei- und Stadträume zielt. In vielfältigen Interventionen werden über die gesamte Woche hinweg verschiedene Orte in der Stadt aktiviert. Mit dieser Auszeichnung, die als Auftrag an Architekt:innen vergeben und Ende März bekannt gegeben wird, möchte die AWB die Öffentlichkeit dazu einladen, die Stadt neu wahrzunehmen und zu denken. Vor allem aber will die AWB den Diskurs erweitern. Die vielen Partnerveranstaltungen zeigen den grossen Einfluss von Architektur in ihrer Breite: Von der Vernissage «Napoli Super Modern» im S AM Schweizerisches Architekturmuseum in der Wochenmitte, über den Prolog «Reale Räume» im Naturhistorischen Museum, bis zur Ausstellung «Shared Living Spaces» von Cities Connection Project im Klybeck, das auch Architekt:innen aus Brüssel und Barcelona nach Basel bringt.»

Jede Einheit leitet ihr konstruktives System aus ihrer jeweiligen Materialität ab © isla

Basel Pavillon: Jede Einheit leitet ihr konstruktives System aus ihrer jeweiligen Materialität ab © isla architects

Du hast ihn bereits kurz angesprochen: Der von uns mitinitiierte Basel Pavillon. Inwiefern passt er ins Programm? Welche Rolle spielt er?

«Architektur muss sich zu ihrer Klimabilanz verhalten. Um das Bauen und das Nicht-Bauen ökologisch neu zu denken, braucht es ein entsprechendes Bewusstsein. Der Basel Pavillon demonstriert anhand der Wiederverwendung von Bauteilen eine mögliche Lösung für das zirkuläre Bauen. Er wurde als zweistufiger Wettbewerb international ausgeschrieben, um Büros zu unterstützen, die ein neues Denken, ein Um- und Weiterbauen umsetzen möchten. Eine der Vorgaben war es, den Basel Pavillon aus wiederverwendeten Bauteilen zu entwerfen. Das Fachplanungsbüro Zirkular hat einen entsprechenden Bauteilkatalog entwickelt, der unter baselpavillon.store online zur Verfügung steht. Der Standort auf dem Gleisbett am südlichen Dreispitz bietet ab Mai den Kontext, in dem Themen wie klimagerechtes Bauen, Umnutzung, Stadtentwicklung oder urbane Transformationsprozesse in einem laufenden Programm verhandelt werden. Der Bauplatz für den Basel Pavillon wird hier durch die Christoph Merian Stiftung, die das Projekt unterstützt, zur Verfügung gestellt.»

BaseLink Areal in Allschwil © Architekturwoche Basel 2022, photo: Julien Lanoo

Nochmals zurück zum zentralen Thema der Architekturwoche: “Reale Räume”. Wir alle haben die hohe Präsenz der digitalen Räume, zum Beispiel die unendlich vielen Zoom-Meetings, während der Pandemie erlebt. Ist das Thema als eine Art Gegenreaktion darauf zu verstehen?

«Während der Pandemie hat die virtuelle Seite unseres Alltags eine grössere Bedeutsamkeit erlangt. Zugleich ist uns bewusst geworden, wie wichtig reale, physische Räume für unser Leben sind. Diese anhaltend hybride Situation will die erste Architekturwoche Basel unter dem Titel «Reale Räume» diskutieren: Architektur in unserem Verständnis umfasst mehr als nur das Gebaute. Uns interessieren die Wechselwirkungen zwischen Realität und Potentialität von Architektur und damit Räume, die eine Vielfalt von Wirklichkeiten und Qualitäten ermöglichen – gebaut und nicht-gebaut, sichtbar und unsichtbar, physisch und virtuell. Wir möchten zeigen, was Architektur für die Gesellschaft heute und morgen leisten kann und muss.»

Das würde uns interssieret: Was muss Architektur denn alles leisten? Was sind deiner Meinung nach die drängendsten Fragen in Bezug auf die Gegenwart unserer gebauten Umwelt?

«Das sind sicherlich Fragen, die sich um die Auswirkungen von Globalisierung, Digitalisierung, Migration, Pandemie und Klimawandel auf unseren Alltag drehen. Viele Ansprüche an die Stadt und unsere Lebensräume, die über die letzten Jahrzehnte Selbstverständlichkeiten waren, müssen in Zukunft neu verhandelt werden. Das AWB-Forum verortet diese Herausforderungen und zeigt gleichzeitig Lösungspotenziale konkret an den drei Transformationsarealen: wie zum Beispiel Klimaanpassung, klimagerechtes Bauen, öffentliche Freiräume, Umnutzung, Durchmischung und urbanes Zusammenleben. Das erfordert einen breiten politischen und gesellschaftlichen Dialog und Zusammenarbeit.»

Klbyeck © Architekturwoche Basel 2022, photo: Julien Lanoo

Zum Schluss eine persönliche Frage: Worauf freust Du Dich während der Architekturwoche am meisten?

«Bereits jetzt in der Vorbereitungsphase macht mir das Zusammenführen und Verbinden der lokalen Akteur:innen und internationalen Expert:innen sowie die Themenplanung für das Programm der AWB sehr viel Freude. Ich freue mich auf die vielen Gespräche und geteilten Momente in der zweiten Maiwoche mit und für ganz Basel.»

Danke für das Interview. Wir sind gespannt und freuen uns auf die Architekturwoche!


Das AWB Programm wird ab Ende März auf architekturwochebasel.ch verfügbar sein.


Über Chrissie Muhr
Chrissie Muhr ist Künstlerische Leiterin der Architekturwoche Basel 2022. Sie studierte Architektur an der Universität Stuttgart und arbeitete als Architektin, Kuratorin, Editorin und Researcher für eine Vielzahl von
Projekten und Institutionen – darunter IGMA an der Universität Stuttgart, Arch+ Magazin in Berlin, Arno Brandlhuber+, Walther König und Vitra. Chrissie Muhr lebt seit 2014 in Basel.

 

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