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Siedlungsprojekt aus dem Jahr 1944: Eine Gartenstadt in Hölstein?

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Eine Gartenstadt in Hölstein… Ein Siedlungsprojekt zeigt die Pläne für eine mögliche Bebauung im Gebiet Rübmatt in Hölstein. Die «Wettbewerbseingabe» ist mit 1944 datiert. Was hat es damit auf sich? Wir haben die Idee in damalige und heutige Karten übertragen und ordnen die Vision ein:

Um diesen Plan geht es: «Überbauungsvorschlag für den Siedlungswettbewerb Hölstein (...)», Bildnachweis: D2.12922, Fotosammlung, Staatsarchiv Basel-Landschaft, Foto: Arnold Seiler-Rudin, CC BY-SA 4.0

Um diesen Plan geht es: «Überbauungsvorschlag für den Siedlungswettbewerb Hölstein (…)», Bildnachweis: D2.12922, Fotosammlung, Staatsarchiv Basel-Landschaft, Foto: Arnold Seiler-Rudin, CC BY-SA 4.0

Zuerst aber schauen wir ein paar Jahre zurück: Um 1900 präsentiert sich Hölstein als Bachzeilendorf. An den beiden Ausfallstrassen entlang des Gassenbachs (1) und der Vorderen Frenke (2) finden sich erste Häuser. Um 1911 entschliesst man sich, die Gebäude erstmals zu nummerieren. Mit dem Bau der Uhrenfabrik Oris (3), beginnt sich die Siedlungsstruktur zunehmend zu differenzieren.

Karte von Hölstein um das Jahr 1941 mit eingezeichnetem Siedlungsprojekt (rot), Grundlagen Karte © Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Karte von Hölstein um das Jahr 1941 mit eingezeichnetem Siedlungsprojekt (rot), Grundlagen Karte © Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Erster Zonenplan nach dem Krieg
Um 1920 reicht die Bebauung bereits bis zur Kirchgasse (4). Noch aber liegt die Kirche (5) selbst ausserhalb des Dorfes an der Strasse nach Bennwil. In der Zwischenkriegszeit baut die Oris Arbeiterwohnungen (6) südlich der Kirchgasse. Während des anschliessenden zweiten Weltkrieges passiert nicht viel. Erst nach Kriegsende vergrössert sich die Siedlung. Auch die Oris vergrössert ihre Anlagen zwischen 1944 und 1962 um mehrere Produktionsgebäude. Grundlage der Entwicklung ist der erste Bau- und Zonenplan. 1944 bewilligt die Stimmbevölkerung einen Kredit zu dessen Ausarbeitung. Ob und wie das Siedlungsprojekt im Gebiet Rübmatt damit zusammenhängt ist – zumindest uns – nicht klar.
Informationen zu einem ausgeschriebenen Wettbewerb finden sich in der Gemeindechronik nicht. Möglicherweise ist mit «Wettbewerb» aber auch die Ideenfindungsphase im Rahmen der Ausarbeitung des Zonenplanes gemeint. Ganz zufällig jedenfalls taucht dieses Projekt nicht auf.

Luftbild von Hölstein aus dem Jahr 1930 mit eingezeichnetem Siedlungsprojekt. Bildnachweis: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Stiftung Luftbild Schweiz / Fotograf: Mittelholzer, Walter / LBS_MH01-006897 / Public Domain Mark

Luftbild von Hölstein aus dem Jahr 1930 mit eingezeichnetem Siedlungsprojekt. Bildnachweis: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Stiftung Luftbild Schweiz / Fotograf: Mittelholzer, Walter / LBS_MH01-006897 / Public Domain Mark

Vom Gemeinschaftshaus bis zum Pflanzgarten
Im Wesentlichen besteht das Siedlungsprojekt aus fünf thematischen Teilen. Den Mittelpunkt bildet der Dorfplatz (A). Jener ist im Plan auch so beschriftet. Er sucht dabei die Nähe zum historischen Dorfkern beim Bahnhof (7). Ein Gemeinschaftshaus bilden Rücken. Der Platz öffnet sich gegen Süden. Das Holdenschulhaus (8) existiert zu dieser Zeit bereits, ebenso eine Turnhalle (9). Hauptbestandteil des Projekts bilden zeilenartig angeordnete Wohnhäuser (B). Nach Süden ausgerichtete Gruppen wiederholen sich dabei. Jede Gruppe besteht aus vier Häusern. Der Plan definiert dabei verschiedene Typen. Die Häuser sind untereinander baulich verbunden, etwa durch einen Schopf oder eine Laube. Zu jedem Grundstück gehört ein nördlicher Vorgartenbereich und ein südlicher Pflanzgarten. Selbstversorgung scheint ein zentrales Thema zu sein. Mit der klassischen Gartenstadt à la Howard ists also nicht mehr weit. Gerahmt wird die Siedlung gegen Osten mit freistehenden Einfamilienhäusern (C).

«Überbauungsvorschlag für den Siedlungswettbewerb Hölstein (...)» (bearbeitet), Bildnachweis: D2.12922, Fotosammlung, Staatsarchiv Basel-Landschaft, Foto: Arnold Seiler-Rudin, CC BY-SA 4.0

«Überbauungsvorschlag für den Siedlungswettbewerb Hölstein (…)» (bearbeitet), Bildnachweis: D2.12922, Fotosammlung, Staatsarchiv Basel-Landschaft, Foto: Arnold Seiler-Rudin, CC BY-SA 4.0

Eine Siedlung inmitten des Dorfes?
Es ist nicht davon auszugehen, dass die Erschliessung mit dem eigenen Fahrzeug geplant war. Die Strassen, insbesondere jene zu den Reihenhäusern sind ziemlich schmal gezeichnet. Selbst die durch die Oris gebauten Arbeiterhäuser (6) verfügen über keine eigenen Garagen. Nördlich und südlich findet die Siedlung ihren Abschluss mit klassischen Reihenhäusern auf schmalen Parzellen (D). Je sieben Häuser bilden eine Zeile. Die Zone zum Dorfkern hin ist weniger klar ausgearbeitet (E). Eine Verzahnung mit bereits bestehenden Bauten findet nur am Rande statt, wohl auch um die etablierten Baumgärten der Bachzeilenhäuser bestehen zulassen. Einzig die Turnhalle Husmatt (9) aus dem Jahr 1937 findet ihren Anschluss mit einem möglichen ähnlichen Gebäude. Die entsprechende Grünfläche um die beiden Bauten wird im Konzept jedenfalls von Bäumen freigehalten.

Ein Vergleich mit der heutigen Situation: Karte von Hölstein aus dem Jahr 2019 mit eingezeichnetem Siedlungsprojekt (rot), Grundlagen Karte © Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Ein Vergleich mit der heutigen Situation: Karte von Hölstein aus dem Jahr 2019 mit eingezeichnetem Siedlungsprojekt (rot), Grundlagen Karte © Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Wer weiss mehr?
Die genauen Hintergründe kennen wir bislang nicht. Der digitale Kulturgüterkatalog der Museen des Kantons Basel-Landschaft bezeichnet den Plan lediglich als «Überbauungsvorschlag für den Siedlungswettbewerb Hölstein, Bereich Hausmatt, Weiher, Station, Rübmatt». Auch die Verfassenden sind uns nicht bekannt. Vielleicht wissen die Hölsteiner und Hölsteinerinnen in unserer Community mehr darüber?

Text: Simon Heiniger / Architektur Basel


Luftaufnahme:
– Walter Mittelholzer (1930), Public Domain Mark
Plan:
– Erstellende unbekannt, Fotograf: Arnold Seiler-Rudin, CC BY-SA 4.0
Karten/Orthofoto:
– Bundesamt für Landestopografie swisstopo
Hinweise zur Bearbeitung:
– Alle Inhalte in rot gehören nicht zum Original


Quellen:
– e-pics Bildarchiv, ETH-Bibliothek Zürich, Onlinekatalog
– KIM.bl – Museumsbverbund Baselland, Onlinekatalog
– Gemeindechronik Hölstein, Online-Chronik

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