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«Als Architekt:in sollte man sozial engagiert sein.» Interview mit Marina Tabassum über das «Khudi Bari»

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Anlässlich der Präsentation des «Khudi Bari» auf dem Vitra Campus haben wir uns mit Marina Tabassum über ihr Projekt unterhalten. Sie berichtete uns von ihrer Inspiration, dem Bauprozess und ihren Zukunftsplänen mit dem kleinen Haus.

Architektur Basel: Liebe Marina, erläutere uns doch bitte, wie der Entwurfsprozess verlief und insbesondere du und dein Team sich auf die Suche nach der Form der strukturellen Basis gemacht haben?

Marina Tabassum: Wir haben uns von Buckminster Fuller’s Geodesic Dome inspirieren lassen, wie auch von weiteren ähnlichen Projekten aus den 60er- und 70er-Jahren. Ich erinnere mich, dass jemand in Bangladesch auf mich zukam, da eine Unterkunft für Flüchtlinge kurz von dem Auseinanderfallen war. Vor allem bei starkem Wind wurde es sehr problematisch, da das Haus grundsätzlich nur auf einfachen Stützen stand. Ihr braucht eine Art von Querverstrebungen, dann wird es halten, erklärte ich ihnen. Wir haben dann einige Modelle erarbeitet und uns schlussendlich für das realisierte Khudi Bari entschieden, weil es am wenigsten Material braucht und somit günstig ist.

Hört sich nach einem spannenden und nachvollziehbaren Prozess an. Wie habt ihr die lokale Bevölkerung mit in den Bauablauf mit integriert?

Wir haben eine Bauanleitung und zusätzlich Modelle. Wenn wir mit einer Gemeinde ein Projekt beginnen, sitzen wir mit ihnen zusammen, geben ihnen die einzelnen Komponenten aus dem von uns erstellten Baukasten und lassen sie damit selber ein Modell bauen. Ganz nach der «Trial and Error»-Methode.

© Architektur Basel / Laurence Ziegler

Wie schätzt ihr die voraussichtliche Lebensdauer des «Kleinen Hauses» ein?

Der wichtigste Aspekt für eine möglichst lange Lebensdauer sind die Stahlverbindungen. Der verwendete Bambus kann falls nötig jederzeit ersetzt werden. In Bangladesch wächst dieser überall. Ein «Khudi Bari» kann also für mehrere Generationen Wohn, Lebens- und Schutzraum bieten. Die Stahlverbindungen sind somit eine Art Nachlass.

Die Einheimischen haben uns ihre Erfahrungen mit dem Hochwasser geschildert und so haben wir die Konstruktion und Lage dementsprechend gewählt.

© Architektur Basel / Laurence Ziegler

Ein wertvolles Gedankengut. Rolf Fehlbaum fragte anlässlich der Präsentation, ob bei einer Überschwemmung das Wasser das Obergeschoss jemals erreichen würde.

Die Einheimischen haben uns ihre Erfahrungen mit dem Hochwasser geschildert und so haben wir die Konstruktion und Lage dementsprechend gewählt. Da sie das Khudi Bari auf einem Sockel bauen ist es bereits ein Stück höher als das Flussbeet. Kurz gesagt, falls das Wasser das Obergeschoss erreichen würde, wäre ganz Bangladesch unter Wasser.

Wie sehen die Zukunftspläne für und mit Khudi Bari aus?

Wichtig ist Öffentlichkeitsarbeit, das heisst die Vermittlung des Wissens. Es müssen lokale Netzwerke gefördert werden. Sobald man ein nachhaltiges System schaffen konnte, wird das Projekt sich verselbständigen und zum Selbstverständnis in den betroffenen Regionen werden und der Bevölkerung von grossem Nutzen sein.

Wir haben uns auf das menschliche Grundrecht für angemessenen Wohnraum für alle Menschen bezogen. Das gilt nicht nur für Wohnraum, mein Team und ich sind der Meinung, dass wir alle auch das Recht auf gutes Design haben.

© Architektur Basel / Laurence Ziegler

Abschliessend möchten wir noch folgendes wissen: Was ist Deine Botschaft an ArchitektInnen hierzulande im Kontext von «Khudi Bari»?

Wir haben uns auf das menschliche Grundrecht für angemessenen Wohnraum für alle Menschen bezogen. Das gilt nicht nur für Wohnraum, mein Team und ich sind der Meinung, dass wir alle auch das Recht auf gutes Design haben. Das «Kleine Haus» bietet prioritär eine Überlebensstruktur, trotzdem strahlt es eine gewisse Eleganz aus. Mit «Khudi Bari» gelingt dies auch in klimatisch ausserordentlich herausfordernden Gebieten wie Bangladesch, das Land des Gangesdeltas. Als Architekt:n sollte man sozial engagiert sein. Wir haben viel Wissen, welches wir teilen können. Es ist von hoher Relevanz, zu aktuellen Fragen mit Architektur und Design zu antworten.

Herzlichen Dank für das spannende Interview, liebe Marina.

© Architektur Basel / Laurence Ziegler

Interview: Laurence Ziegler / Architektur Basel


Mehr zum «Khudi Bari»

weitere Infos:
www.design-museum.de

Öffnungszeiten:
Täglich, 10 – 18 Uhr

 

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