Barbara Bühler: «Fotografieren ist etwas Eigenständiges.»

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Architekturfotografie kann weit mehr als das visuelle Dokumentieren von Gebäuden sein. Sie ist eine Kunstform, welche die Essenz eines Bauwerks einfängt und seine einzigartigen Charakteristika hervorhebt. Anlässlich eines Gesprächs mit Barbara Bühler erhielt Architektur Basel einen weiteren Einblick in den Arbeitswelt einer Architekturfotografin. Im zweiten Teil der Interviewserie erzählt sie von ihren bald zehn Jahren Berufserfahrung – und wie sie überhaupt zur Architekturfotografie kam.

Architektur Basel: Geschätzte Barbara, vorab, wie lautet Deine Definition von Architektur?

Barbara Bühler: Das ist eine sehr philosophische Frage. Alles um uns herum hat eine Ordnung und kann somit auch als Architektur verstanden werden. Gerade in der Natur finden wir sehr komplexe Ordnungssysteme die Räume gestalten und Verbindungen herstellen. Wichtig erscheint mir die Notwendigkeit, dass Architektur ein Raumgefühl schaffen kann, im Innen- wie auch im Aussenraum. Die Qualität der Orte an denen wir uns bewegen, verweilen, wohnen und arbeiten, beeinflusst massgeblich unsere Befindlichkeit.

Eine spannende Definition …

… die gebaute Landschaft stellt uns, abgesehen von der Notwendigkeit eines Schutzraumes, in einen sozio- kulturellen Kontext. Die Architektur der Zukunft wird wahrscheinlich durchlässiger , die Umnutzung weicht dem Abriss. Mir gefällt dieser sanftere Umgang mit bestehender Bausubstanz.

Altes Pfarrhaus Elisabethen, Vécsey Schmidt, Basel © Barbara Bühler

Altes Pfarrhaus Elisabethen, Vécsey Schmidt, Basel © Barbara Bühler

Altes Pfarrhaus Elisabethen, Vécsey Schmidt, Basel © Barbara Bühler

Was hat Dich dazu inspiriert, Dich auf Architekturfotografie zu spezialisieren, und wie würdest Du den Reiz dieses fotografischen Genres beschreiben?

In Liechtenstein, wo ich aufgewachsen bin, realisierte ich 1999 ein Kunstprojekt. Die Idee war es, Sitzungszimmer von Finanzdienstleistern vor und nach einer Sitzung zu zeigen. Es ging mir darum fotografisch festzuhalten was nicht sichtbar ist. Den kleinen Unterschied zwischen dem identischen Bildpaar. Einen weggerückten Stuhl, leere Kaffeetassen, Bleistift und Notizpapier die liegengeblieben sind. Das Bildpaar blieb immer menschenleer, nur der Raum, die kleine Veränderung zwischen den zwei Bildern war mit seiner Geschichte präsent. Einer Geschichte die vielleicht zum wachsenden Reichtum Liechtensteins beigetragen hat. Für diese Arbeit benötigte ich eine Grossformatkamera mit der ich Innenräume fotografieren konnte. Auf dem Fotoflohmarkt habe ich mir eine Technika von Linhof, gekauft um die Arbeit auf 4×5’ Negativen zu fotografieren. Das war dann tatsächlich mein Einstieg in die Architekturfotografie. Der Reiz des verborgenen, das magische der Fotografie und vor allem das Grossformat hat mich nicht mehr losgelassen. Die Arbeit war schon eine sachliche Interpretation die irgendwo zwischen Kunst und Dokumentation einzuordnen ist. So sehe ich die Architekturfotografie auch heute noch.

«Einen Raum fotografieren ist praktisch etwas Unmögliches – man kann nur die Begrenzung davon einfangen, der Raum per se ist ein multisensuales Erlebnis»

Haus Verena, Degelo Architekten, Triesen Liechtenstein © Barbara Bühler

Haus Verena, Degelo Architekten, Triesen Liechtenstein © Barbara Bühler

Was hat dich nach Basel gebracht?

Es war nie mein Plan mein ganzes Leben lang in Liechtenstein zu bleiben, auch wenn ich das kleine Land mit seiner hohen Lebensqualität sehr schätze. Diese Kleinheit und das etwas abgeschottete eines souveränen Kleinstaates sind keine wirklich ideale Ausgangslage für eine Arbeit die doch eher eine Internationale Ausrichtung fordert. Ich kannte Basel schon aus früheren Jahren. Das Dreiländereck mit seiner regen Architektur und Kunstszene, erschien mir als idealer Lebensmittelpunkt. Wie meine Tochter dann in die Oberstufe kam, habe ich mich für diesen Ortswechsel entschieden. Basel- Liechtenstein, das sind gerade mal 2 Stunden mit dem Zug, was es  also auch für meine damals 11-jährige Tochter möglich machte, weiterhin ihren Freundeskreis zu pflegen und die Familie zu besuchen.

Gibt es in Basel eine Architekturfotografie-Szene und falls ja wie ist der Austausch?

Es gibt sie tatsächlich diese Szene, allerdings nicht nur in Basel sondern schweizweit. Vor ca. fünf Jahren haben sich ein paar Architekturfotograf:innen zusammengetan und die IGAF (www.igaf.ch) gegründet, mit dem Ziel, den Wert der professionellen Architekturfotografie in die Öffentlichkeit zu tragen. Dies hat den Austausch untereinander wirklich sehr angespornt und bereichert. 

Atelierhaus, Degelo Architekten, Basel © Barbara Bühler

Atelierhaus, Degelo Architekten, Basel © Barbara Bühler

Atelierhaus, Degelo Architekten, Basel © Barbara Bühler

Mittlerweile sind wir fast 50 Mitglieder; neu mit einer Gruppe Romandie. Architekturfotografinnen sind allerdings immer noch eine Minorität. Architektur und auch die Architekturfotografie sind wohl auch heute noch eher männliche dominierte Domänen. Bei den Architekten ist jedoch seit Jahren ein Wandel sichtbar und es gibt immer mehr Architektinnen, auch in den Geschäftsleitungen. Bei den Architekturfotograf:innen sieht das noch etwas anders aus. Diese Arbeit erfordert eine hohe zeitliche Flexibilität. Organisation, Planung und Durchführung eines Auftrags sind oft nur schwer mit Kinderbetreuung und Familienleben, vereinbar.

Wer ist Deine Kundschaft? Wie hast Du diese aufbauen können?

Meine Kunden sind meist Architekturbüros. In den ersten Jahren in Basel habe ich vor allem für ein grösseres Büro gearbeitet. Mittlerweile kommen auch eher junge Büros auf mich zu, was mich wirklich sehr freut. Da meine Tochter nun erwachsen ist, kann ich mir auch vorstellen meinen Radius international auszuweiten.

EFH Burg im Leimental, Amrein Giger © Barbara Bühler

EFH Burg im Leimental, Amrein Giger © Barbara Bühler

EFH Burg im Leimental, Amrein Giger © Barbara Bühler

«Wenn es möglich ist, fotografiere ich bei bedecktem Himmel, in den frühen Morgenstunden und am späten Nachmittag, wenn das Licht weich ist.»

Wie sieht Dein Workflow aus?

Meist beginnt alles mit einem Telefongespräch. Wir finden gemeinsame Termine, besprechen das Projekt und wenn es die Distanzen zulassen, dann schaue ich mir das Gebäude sehr gerne – vor dem eigentlichen Fotografieren – mit den Architekt:innen an. Je nach Grösse und Umfang brauche ich einen, manchmal auch zwei Fototage. Ich arbeite in der Regel alleine, das ist fordernd da jeder Gang, jeder Handgriff alleine ausgeführt werden muss. Die Ruhe und Konzentration die sich bei dieser Arbeitsweise jedoch einstellen, mag ich sehr. Ich versuche mich auf das Gebäude einzulassen, seine Sprache zu verstehen.

Wie meinst Du das konkret?

Es erschliesst sich mir nicht jeder Raum, jedes Gebäude, auf anhin. Ich brauche etwas Zeit um die Leere, den stillen Moment zu spüren um diesen spannungsgeladen Zwischenraum auf der Filmebene festzuhalten. Manchmal ist der oder die Architektin beim Fotografieren dabei. Eine zweite Sichtweise kann überraschende, für mich ungewohnte Perspektiven aufzeigen. Diese Momente schätze ich sehr, sie fordern mich meine Bildsprache immer wieder neu zu sehen.

Welche Rolle spielt Licht in Deiner Arbeit?

Das Licht ist alles in der Fotografie. Wird das fotografieren doch oft auch als „zeichnen mit Licht“ beschrieben. Ich persönlich mag diffuses Licht. Wenn es möglich ist, fotografiere ich bei bedecktem Himmel, in den frühen Morgenstunden und am späten Nachmittag, wenn das Licht weich ist. Allerdings ist dieses Zeitfenster gerade im Sommer oft zu knapp um alle Aufnahmen zu machen. Da sind dann alle möglichen Strategien gefragt, von Storen runterlassen oder eine andere Perspektive finden, um das erwünschte Resultat zu bekommen.

«Ein Bild machen ist etwas Eigenständiges. Ich mag Grossformat Kameras so gerne, weil man sieht alles auf dem Kopf. Es ist eine andere Art, die Dinge zu verstehen, wenn ich einen Ausschnitt der Welt auf den Kopf stelle.»

Franck Areal, Basel © Barbara Bühler

Franck Areal, Basel © Barbara Bühler

Franck Areal, Basel © Barbara Bühler

Franck Areal, Basel © Barbara Bühler

Wann bist du mit einem Bild zufrieden? Was braucht es dazu?

Bilder vermögen anders wie Worte das tun, auf komplexe Weise zu kommunizieren. Für mich ist ein Bild dann gut wenn es mich berührt, dann wenn es ein Gefühl in mir anspricht, einen Inhalt bekommt. Ich würde meine Herangehensweise an ein Fotoprojekt denn auch als eine eher intuitive beschreiben. Selbst wenn die Bildausschnitte geklärt sind, können sich diese während des Arbeitsprozesses noch ändern, sollte sich der gewünschte Bezug beim Blick auf die Mattscheibe nicht einstellen. Ein Gebäude von Aussen zu fotografieren, ist für mich meist etwas einfacher wie wenn ich es betrete, sozusagen im Inneren, intimeren Bereich fotografiere.

Was heisst das genau?

Von aussen ist ein Haus einer Skulptur gleich, es ist ein Objekt und ich kann es in seinem Kontext erfahrbar machen. Innenräume empfinde ich als Komplexer, der Raum selber kann nicht abgebildet werden, es ist seine Begrenzung die ihn definiert. Ist ein Gebäude noch nicht belebt so kann es auch sehr abstrakt wirken, ihm fehlt noch das Leben für das es bereitsteht. Bewohnte Räume sind oft zugängliche, sie haben bereits eine Geschichte.

Wie möchtest Du mit Deinen Fotos das Bewusstsein für die Bedeutung von Architektur in unserer Gesellschaft stärken?

Ich weiss nicht, ob ich mit meiner Fotografie diesem hohen Anspruch gerecht werden kann. Die Architekturfotografie ist jedoch sicher eines der wichtigsten und entscheidenden Kommunikationsmittel für Architekten. Ein Gebäude wird oft vor allem über dessen Bildmaterial von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Die Bilder sind entscheidende Multiplikatoren für die Wahrnehmung eines Gebäudes und dessen Selbstvermarktung. Besonders eng ist die Fotografie auch dann mit der Architektur verbunden, wenn es darum geht, Transformationsprozesse sichtbar zu machen. Dazu fällt mir ein schönes Zitat ein: 

«Architekt:innen gestalten Bauwerke, Architekturfotograf:innen gestalten deren Wahrnehmung.»

Landpfrundhaus, Pascal Wassmann, Riehen © Barbara Bühler

Landpfrundhaus, Pascal Wassmann, Riehen © Barbara Bühler

Wie würdest Du deine Bilder beschreiben – was sind ihre Charaktereigenschaften?

Ich bin mir nicht sicher ob ich diese Frage wirklich beantworten kann. Ich denke, meine Bilder sind eher still. Vielleicht wirken sie oft auch etwas zeitlos. Jemand hat meine Fotos einmal mit Gemälden verglichen; das habe ich als grosses Kompliment empfunden.

Atelierhaus, Degelo Architekten, Basel © Barbara Bühler

Und zu guter letzt: Wie geht es weiter bei Dir?

Ich bleibe sicher vorerst in Basel und werde weiter an meiner Bildsprache arbeiten und hoffentlich für einige Büros Auftragsarbeiten machen können. In diesem Jahr habe ich drei Ausstellungen geplant was mich wirklich sehr freut, da in den Jahren seit Corona keine mehr anstand. Und ich würde sehr gerne wieder einmal an einem Buchprojekt arbeiten.

Herzlichen Dank Barbara für das spannende Gespräch.

Interview: Laurence Ziegler / Architektur Basel


Mehr Infos zu Barbara Bühler:
barbarabuehler.com
@barbarabuehlerphoto

Hinweis: Aktuelle Fotografie-Ausstellung: „Ein Blick in das Franck Areal“, Feldbergstrasse, Studio Hammer. Vernissage, Donnerstag, 18 Uhr, 4. April 2024, bis 3. Mai zu besichtigen.


Interviewserie: Architekturfotografie
Dies ist der zweite Teil einer dreiteiligen Serie zum Thema Architekturfotografie. Der dritte und letzte Teil der Interviewserie erscheint am 17. April.

Teil 1: Willem Pab: «Licht ist alles, und ich würde sagen, dass es meine Nerven am meisten strapaziert.»

 

 

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