Am Rostbalken scheiden sich die Geister

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Es gibt Bauten in Basel, an denen scheiden sich die Geister. Und zwar grundsätzlich. Ein gutes Beispiel ist der Postreiterbahnhof, der in 1971 von Suter+Suter erbaut wurde. Den ursprünglichen Wettbewerb hatte der Basler Architekt Hermann Baur gewonnen. Aber das ist eine andere Geschichte. Die rote Stahlfassade brachte dem Bau den zweifelhaften Namen «Rostbalken» ein. Bis heute löst das Gebäude gemischte Gefühle aus wie eine kleine Umfrage auf unserer Facebookseite bewies.

«Ein Haus mit viel Potential! Es abzureissen, wäre ein Offenbarungseid mangelnder Fantasie und Ressourcenverschwendung.»
– Andreas Ruby

Nauentor im Stadtmodell © Architektur Basel

Nauentor im Stadtmodell © Architektur Basel / Architektur Basel

«too big to be demolished»
Abreissen oder stehen lassen? Das Projekt Nauentor sieht einen grossmasstäblichen Umbau des «Rostbalkens» vor. Wieviel von der ursprünlichen Architektur erhalten bleibt, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. S AM-Direktor Andreas Ruby machte sich für einen maximalen Erhalt des Bestands stark: «Ein Haus mit viel Potential! Es abzureissen, wäre ein Offenbarungseid mangelnder Fantasie und Ressourcenverschwendung. Dieses Gebäude könnte der Diokletianspalast Basels sein.» Klare Worte. Ins gleiche Horn bliess die Freiwillige Basler Denkmalpflege: «Ganz nach dem Motto «too big to be demolished» könnte man dieses Gebäude perfekt umnutzen! Der Flachbau eignet sich sehr für den Einschnitt von Lichthöfen und die stabile Tragstruktur lässt einem viele Freiheiten. Die feingliedrige Fassade wirkt extrem zeitgemäss. An der Farbe dürfte man natürlich noch etwas arbeiten. Schade denkt man immer gerade ans Abreissen, anstatt sich mit dem re-use Gedanken auseinanderzusetzen! Es könnte zu einem Leuchtturmprojekt werden.»

Postreiterbahnhof in Basel von Suter+Suter Architekten erbaut 1971 © Architektur Basel / Lukas Gruntz

«Wenigstens gibt es für das Altmetall noch viel Geld.»
Der Rostbalken ein Baudenkmal und künftiges Leuchturmprojekt? Lukas M. Stoecklin befand: «Bestimmt nicht der schlechteste Bau des späten 20. Jahrhunderts. Fast ein Denkmal für diese Zeit, originell, modern-verspielt und vor allem diszipliniert.» Dem widersprach Leser HR Hort vehement «weil es hässlich ist und dieser Ort strategisch zu wichtig ist, um ihn nicht besser zu nutzen. Dazu wurde die Bahnhofregion in letzter Zeit architektonisch aufgewertet. Dieses Ding ist aus der Zeit gefallen.» Clemens Müller fragte ironisch: «Fehlt da noch die Fassade?» Ihm sei gesagt: Die fehlt nicht. Sie ist jedoch nicht besonders gut isoliert, wenn man Max Widmer glauben schenkt: «Ich habe da drin 33 jahre gearbeitet und kenne die Bausubstanz… schlimm, null Isolation in der Fassade.» Schreinermeister Beat Voellmy befand pragmatisch: «Wenigstens gibt es für das Altmetall noch viel Geld – da lohnt sich der Abriss.»

«Si la destruction se fait, dans une cinquantaine d’années les futurs Bâlois le regretterons.» – Jean Pierre Haist

Das bestehende Postreitergebäude © Architektur Basel

Das bestehende Postreitergebäude © Architektur Basel / Armin Schärer

«Rätselhaft, verschlungen und auch widerborstig.»
Bei solchen Aussagen wird es der Denkmalpflege kalt den Rücken hinunterlaufen. Auf der architektonisch-gestalterischen Diskussionsebene gab es unterschiedlichen Meinungen. «Hat mir immer sehr gut gefallen, so rein optisch», befand Philip Whitfield. Wohingegen David De Pretto städtebauliche Mängel ausmachte: «Ich denke, würde er freistehen und nicht den Bahnhof „abdunkeln“ käme er besser zur Geltung und würde anders bewertet werden, positiver. Der Standort ist sein Problem.» Das Urteil von Michael Winkenbach fiel deutlich aus: «Zwar funktional und praktisch, ober optisch ein Fremdkörper und eine massive Abwertung der Umgebung.» Neben diversen negativen Stimmen meldeten sich genau so viele Rostbalken-Fans zu Wort. Jean Pierre Haist appelierte an die Geduld der Baslerinnen und Basler: «Cette façade et son support sont les témoins d’une époque. Si la destruction se fait, dans une cinquantaine d’années les futurs Bâlois le regretterons.» Leser Philipp Fuchs würde den Abbruch des Postreiterbahnhofs schon heute bereuen: «Ich habe den Rostbalken immer gemocht. Seine seltsam faszinierende Andersartigkeit, die Materialität und Farbe und die massive Ausdehnung des Baus fesseln mich immer wieder. Kein stromlinienförmiges «gefällt mir»-Gebäude, sondern eine Architektur von grosser Präsenz, rätselhaft, verschlungen und auch widerborstig.»

Postreiterbahnhof in Basel von Suter+Suter Architekten erbaut 1971 © Architektur Basel / Lukas Gruntz

«Irgendwie gehört der Rostbalken zu meinem Leben.»
Die meisten Kommentare zeugten von einer ernsthaften Auseinandersetzung, die für die Wertschätzung unserer Baukultur von zentraler Bedeutung ist. Dass da mitunter auch die autobiografische Bedeutung hervorgehoben wurde, ist nachvollziehbar. Architektur ist immer auch Erinnerung. Manfred Köpfle schrieb: «Ob schön oder nicht… Ich habe 40 Jahre dort gearbeitet und das grundsätzlich gerne… Schöne Büros, grossflächige, helle Produktionsstätten im Niveau 8 mit toller Aussicht auf die ganze Stadt. Irgendwie gehört der Rostbalken zu meinem Leben.» Das Schlusswort überlassen wir Ernst Michael Buchmann, der sich in gutbaslerischer Zurückhaltung übte: «Mr schwiiege fiirnäähm.»

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel

 

 

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