CityGate: Wo ist die Poesie hin? Aus Waldpark wird urbane Monotonie

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Von „Wildnis“ wurde gesprochen. Von „Waldpark“ war die Rede, damals im Jahre 2002. Wir erinnern uns an die erste bildhafte Erzählung: Im bestehenden Villenpark schimmerten vier grosse gläserne Bauten, die wie wertvolle Schatzkisten hinter den imposanten Bäumen des Waldes hervorblinzelten. Die frühe Fotomontage stammte aus der Feder von Diener & Diener Architekten, die den Masterplan für das Areal entwickelten. Inzwischen schreiben wir das Jahr 2019 und fragen uns: Was ist von der schönen Geschichte des urbanen Waldparks übriggeblieben?

Situationsplan Citygate © Luca Selva Architekten

Situationsplan CityGate © Luca Selva Architekten

Das CityGate liegt nördlich des Günterbahnhofs Wolf in Basel und befindet sich im Besitz der Basellandschaftlichen Pensionskasse (BLPK). „Natürlicher Waldbewuchs mit hohen Bäumen“, Diener & Diener diente der vorhandene Wald als Analogie für ihren Masterplan. Die Gebäude gruppieren sich „um eine Lichtung“ und tragen „Bilder von Wald und Bäumen in sich“. Oder wie es im regierungsrätlichen Ratschlag aus dem Jahre 2010 heisst: „Vier Baukörper stehen in einem Waldpark und markieren eine Lichtung.“ Der Basler Regierungsrat sprach bei den bis zu vierzig Meter hohen Baukörpern gar von „künstlichen Bäumen“.

Situationsmodell 2002 © Diener & Diener

Situationsmodell 2002 © Diener & Diener

Beim Blick auf die bis dato gebaute Realität und die neusten Projektvisualisierungen scheint von der Poesie des ursprünglichen Entwurfs nicht viel übrig zu sein. Während der erste realisierte Bürobau von Diener & Diener mit seiner anthrazitgrauen Kunststein-Bandfassade von grösstmöglicher Rationalität zeugt, versuchten Luca Selva Architekten bei den Alterswohnungen „Gellertblick“ der Senevita das Thema der Bäume im Park mit aussenliegenden, massiven Stützen zu thematisieren. „Sie drücken nicht in den weichen Boden, sondern wachsen aus ihm empor“, erklärt Architekt Luca Selva. Wie Axel Simon in seinem Artikel in der Zeitschrift Hochparterre (Heft 3, 2014) darlegte, wurde die Baum-Analogie dabei vielleicht etwas überstrapaziert. Dennoch gelingt es dem Bau von Selva am ehesten, die ursprüngliche Idee des Waldparks in eine architektonische Form umzumünzen.

CityGate Baufeld A © Morger Partner

CityGate Baufeld A © Morger Partner

Für die Planung der letzten beiden Bauten A und B wurden Morger Partner und SSA Architekten beauftragt – und nicht wie ursprünglich vorgesehen Diener & Diener und Herzog & de Meuron. Die neusten Projektvisualisierungen stimmen eher skeptisch als hoffnungsvoll. Morger Partner suchen bei Bau A ihr Glück in der Interpretation einer Bandfassade. Die keramisch schimmernde Materialisierung – oder ist es Wellscobalit? – erinnert an italomoderne Wohnbauten von Mangiarotti und Dominioni, wobei das Haus mit den tief eingezogenen Loggien etwas gar hermetisch wirkt – und nur bedingt an die Eleganz der Mailänder Vorbilder anknüpfen kann.

CityGate Baufeld B © SSA Architekten

CityGate Baufeld B © SSA Architekten

Nicht viel besser sieht es beim Bau B von SSA Architekten aus. Die streng gerasterte Lochfassade hat so wenig mit dem Thema Wald am Hut wie ein stählernes Hochhaus mit einer hölzernen Baumhütte. Monotonie ist keineswegs eine negative Qualität. In diesem Kontext, bei dieser Vorgeschichte, wirft sie dennoch Fragen auf. „Die Fassade erhält eine keramische Oberfläche, diese wird dem monolithsichen Ausdruck des Gebäudes sowie den Umgebungsbedingungen (Hochhaus, Autobahn und Eisenbahn) gerecht“, schreiben die Architekten. Es ist bezeichnend, dass sie bei der Materialisierung auf die nahe Eisen- und Autobahn verweisen. Von Wald ist keine Rede. Man ist geneigt zu fragen, wo man in einem Wald einen „monolithischen Ausdruck“ findet?

Was den Bauten fehlt, ist die Transparenz, die den Wald als räumliche Struktur so faszinierend und einzigartig macht. Die visuelle Tiefenwirkung zwischen den Baumstämmen hindurch – und in die Baumkronen hinauf. Vielleicht sind die Bauvolumen schlicht zu gross und zu tief, um eine transparente Erscheinung zuzulassen. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass das Thema des „Waldparks“ und der „Waldlichtung“ nicht weiterentwickelt wurde. Im Umkehrschluss könnte man natürlich auch fragen, ob das städtebauliche Thema von Diener & Diener schlicht nicht tragfähig genug war. Oder hätte sich die Stadtbildkommission stärker einbringen sollen?

Masterplan CityGate 2002 © Diener & Diener

Masterplan CityGate 2002 © Diener & Diener

Ein komplett durchlässiges Erdgeschoss? Eine Lichtung, die wirklich eine Lichtung ist, und nicht von ein paar verloren wirkenden Bäumchen bespielt wird? Überhohe Aussenräume? Eine öffentliche Dachlandschaft? All das sucht man im CityGate vergebens. Sinnbildlich dafür steht der ursprüngliche Entwurf des Hauses A von Diener & Diener, dass sich mit einem flachen Bogen spektakulär vom Boden abheben und den zentralen Platz zum ursprünglichen Wäldchen öffnen sollte. Wurde der Bogen überspannt? Schön collagierte Bilder von Waldlichtungen gehören der Vergangenheit an. Wo ist die Poesie hin? Irgendwo auf dem langen Weg der Arealentwicklung scheint sie verlorengegangen zu sein. Oder hat man vor lauter „künstlichen Bäumen“ den Wald aus den Augen verloren?

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel

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