Das Naturbad Riehen – Ein Ort für Menschen

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Mit Bauwerk des Jahrhunderts, architektonisches Wahrzeichen oder Bau von Weltrang werden sie in der Regel betitelt – die architektonischen Meisterwerke von Herzog & de Meuron. Doch kann ein architektonisches Meisterwerk nicht auch schlicht und einfach ein gedachter, entworfener und gebauter Ort für Menschen sein?
Die Geschichte des Naturbades lässt sich wohl mit keinem Satz treffender abhandeln als dem Folgenden: Was lange währt, wird endlich gut. Nach mehrfacher Auseinandersetzung in einem jahrzehntelangen Prozess entwarfen die Architekten, als Reaktion auf die über die Jahre veränderten Perspektiven, ein natürliches Bad mit biologischer Filterung statt einem konventionellen Becken mit mechanischer und chemischer Wasseraufbereitung. In einer Volksabstimmung entschieden sich die Riehener Bürger schliesslich für das Naturbad von Jacques Herzog und Pierre de Meuron und dürften diese Entscheidung keine Sekunde bereut haben. Zu Beginn von der Berühmtheit seiner Architekten und deren Erfolg überschattet, ist es heute vor allem eines: Eine Badi für Jung und Alt, für Gross und Klein.

„Das Naturbad Riehen ist wie ein grosser Blumenstrauss.“
Patrick Scheffler, Leiter Hochbau Gemeinde Riehen

Mit seinem Schaffen einen Ort zu kreieren, an dem Menschen gewillt sind ihre Lebenszeit zu verbringen, sich wohlfühlen und ihr Leben geniessen, ist das Bestreben eines jeden ambitionierten Architekten. Wenn die Nutzer der Architektur das Resultat des Bestrebens, das gebaute Werk, bedingungslos anerkennen und auch nach Jahren noch wertschätzen, kann man wohl von gelungenener Architektur sprechen. Der Beweis ist die enorme Beliebtheit, der sich das Naturbad Riehen erfreut. Ebendiese Beliebtheit fordert nun sogar eine vorzeitige Sanierung des Bades nach bereits acht, statt ursprünglich zehn angedachten Jahren. Abgenutzte Holzflächen müssen der Nutzerfreundlichkeit wegen gewartet werden, durchgemorschte Holzteile müssen aus Sicherheitsgründen ersetzt werden. Obwohl für die hoch beanspruchten Bauteile und Nutzflächen dazumal keine heimische Gebirgs-, sondern sibirische Lärche gewählt wurde, konnte diese dem grossen Andrang nicht länger standhalten.

„Der hohe Grad an Abnutzung und die vorzeitig nötige Sanierung des Bades sind der grossen Beliebtheit und dem enormen Erfolg geschuldet.“
Patrick Scheffler, Leiter Hochbau Gemeinde Riehen 

Die Lage und die Grösse © Johanna Bindas / Architektur Basel

Die Lorbeeren für den aussergewöhnlich schönen Ort im Landschaftspark Wiese und die prädestinierte Lage für ein Naturbad können die Architekten nicht ernten. Für die Kreation eines innovativen und zugleich angemessenen Bauwerks in dieser schönen Umgebung hingegen schon. Mit dem Schliessen zur Strasse auf der einen und dem Öffnen zur Natur auf der anderen Seite, entsteht ein wohlproportionierter Raum, dessen Massstäblichkeit sich dem Ort angemessen und für Menschen verhältnismässig anfühlt. Gefasst von Architektur und Natur liegt der ovale Badeteich im Zentrum wie eine Perle in der Muschel. Kommt man aus der Stadt und betritt das Naturbad, gelangt man förmlich in eine andere Welt.

„Wir kommen gerne in das Naturbad, weil es sich durch das natürliche Ambiente jedes Mal wie Ferien anfühlt. Mein Sohn liebt es Libellen, Frösche und Seerosen zu beobachten und genauso sehr das Baggern mit den kleinen Kieselsteinen.“
Laura Sauer, Mutter aus Riehen

Die Architektur und das Material © Johanna Bindas / Architektur Basel

Weil der architektonische Ausdruck des Bades dem der lokalen und allseits bekannten Basler Rheinbadis nachempfunden ist, blieb das anfängliche Fremdeln aus und heute empfängt einen das zeitlose Erscheinungsbild des Naturbades wie ein alter Freund. Die einfach anmutende, aber ausgeklügelte Holzstruktur enthält alle für den Betrieb nötigen Funktionen und dient den Besuchern als Aufenthaltsort. Wie auch bei den traditionell gebauten Badis, generiert Holz als natürliches Material mit angenehmer Haptik eine angenehme Atmosphäre. Und auch wenn gemeine Spreissel einigen Badegästen so manchen Ärger und Tränen beschert haben, beehren diese das Naturbad trotzdem immer wieder mit ihrer Anwesenheit.

„Vor allem komme ich ins Naturbad da es chlorfrei ist. Auch weil das Spiel aus Holz, Pflanzen und der natürlichen Umgebung und die wunderbare Aussicht das Naturbad zu einer ruhigen und erholsamen Oase fürs Gemüt und tolle Entspannung machen.“
Frau Rolande Fischer

Die Pflanzen und das Wasser © Johanna Bindas / Architektur Basel

Die Bepflanzung fasst den Badeteich ein, wie ein ziervoller Rahmen ein wertvolles Gemälde. Weil die verschiedenen Gräser, Schilfe und Blumen auch in der Natur am Rande von Gewässern wachsen und auch der Grund von Teichen und Seen oft mit Kieselsteinen bedeckt ist, scheint das künstlich angelegte Bad tatsächlich wie ein Naturbad. Die Pflanzen am Rand des Bassins und die Filterbecken an Stelle des alten Bades auf der gegenüberliegenden Strassenseite filtern das Wasser. Dieses Prinzip der biologischen Reinigung bringt das unvergleichlich natürliche Wassergefühl mit sich. Schwimmt man im Naturbad und nimmt lediglich den Himmel, die Pflanzen und die Seerosen wahr, vergisst man den Alltag und die Welt um sich herum für einen Moment.
Die Mitarbeiter und Bademeister können in gewisser Weise als Seelenwächter des Naturbades bezeichnet werden. Sie geben Acht und Sorg und wünschen sich, wie die meisten Badegäste auch, dass der besondere Charme und die friedliche Atmosphäre nie verloren gehen. Als Familienbadi, heimelig und gemütlich, ist es weit über die Landesgrenzen bekannt und beliebt. Für die Gemeinde Riehen ist das Naturbad ein kulturelles Gut, das mit seinem identitätsstiftenden Charakter aus dem Dorfleben nicht mehr wegzudenken ist.

„Ich arbeite gerne im Naturbad, weil ich die unterschiedlichsten Gäste kennenlerne und weil es ein wundervoller, wenn nicht sogar der schönste, Arbeitsort ist. Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und angenehm und das Team hier in Riehen ist super.“
Roger Wyden, Betriebsleiter und Hauptbadmeister Naturbad Riehen

Das Naturbad soll in Würde altern – das ist allen Beteiligten ein grosses Anliegen. Patina soll in ihrer ganzen Schönheit zur Geltung kommen, kann man diese nicht zuletzt als sichtbares Kompliment der zahlreichen Badegäste an das Bauwerk verstehen. Die Spuren der Abnutzung sind ein gestaltendes Element und werden als solches geschätzt. Sie erwecken das Bauwerk zum Leben und lassen es Teil seines lebendigen Treibens werden. Mit den Architekten werden nun angemessene Sanierungsmöglichkeiten mit langlebigeren Baustoffen diskutiert und umgesetzt.
Herzog & de Meuron beweisen einmal mehr, dass Architektur nicht nur gebauter Raum, sondern auch ein Ort sein kann, an dem soziale Kontakte geknüpft werden, gesellschaftlicher Austausch stattfindet und kulturelle Identität entsteht. Sie beweisen einmal mehr, dass Architekten nicht nur Baumeister, sondern auch Schöpfer sein können, die mit ihrer Fantasie Orte für Menschen schaffen. Und wer sich selbst von der Schönheit des Naturbades Riehen überzeugen will, der warte auf Sonnenschein, packe die Badehose ein und verspeise nach einem Schwumm in der Natur eine Portion Pommes in meisterlicher Architektur.
Text: Johanna Bindas / Architektur Basel

Quellen: Gespräche mit MitarbeiterInnen der Gemeinde Riehen, MitarbeiterInnen des Naturbades Riehen und BadegästInnen
 

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