Im Jahr 1882 folgte die bebaute Siedlungsfläche von Allschwil ungefähr dem Verlauf der Ausfallstrassen nach Neuallschwil, Basel, Binningen, Neuwiller und Schönenbuch. Die meisten dieser Strassen treffen im Ortszentrum aufeinander. Gleich daneben steht die Kirche. Auf den Karten vor 1900 findet sich auf der freien Fläche gegen Frankreich an der Strasse nach Buschwiller und Hégenheim ein kleiner Friedhof. Während sich die Siedlungsfläche in den folgenden Jahrzehnten vergrössert, wächst auch der Friedhof. 1931 hat sich seine Fläche bereits verdoppelt. Heute reicht das Areal bis zur Landesgrenze.
Die Friedhofskapelle stammt aus dem Jahr 1956. Der erst dreiundzwanzig Jahre junge Architekt Walter Wurster gewinnt den 1949 ausgeschriebenen Wettbewerb zur Gestaltung und Vergrösserung der Friedhofsanlagen. Eben erst hatte er sein Praktikum bei Le Corbusier abgeschlossen. In der Folge entsteht 1952 zusammen mit Architekt Hans Ulrich Huggel die erste grosse Friedhofserweiterung. Das Ensemble aus Abdankungskapelle, Aufbahrungshalle und Dienstgebäude wird anschliessend realisiert.
Wie schon der Aussenraum klaren Linien folgt, so gliedern sich auch die drei Gebäude zueinander. Das Dienstgebäude bildet den Auftakt. Halle und Kapelle sind über ein gewölbtes Arkadendach miteinander verbunden. Gemeinsam umschreiben sie einen offenen Hof gegen Norden. Das Dach überdeckt die gegensätzlich ausgerichteten stirnseitigen Eingänge. Während sich die Kapelle den Ankommenden im Hof öffnet, führt die Tür der Aufbahrungshalle direkt auf die Friedhofsanlage. Die Aufbahrungshalle und das Dienstgebäude wiederum sind über einen rückwärtigen Aussenbereich mit Anschluss an die begleitende Hegenheimerstrasse verbunden. Das Abrücken und Versetzen der drei Bauten ermöglicht drei verschieden nutzbare Aussenräume. Zumindest die beiden öffentlichen Räume haben jeweils ihre eigene Ausstrahlung.
Die Innenräume funktionieren ohne sichtbaren Bezug zum Aussenraum. Die Abdankungskapelle besteht 1956 aus zwei parallel verlaufenden geschlossenen Schotten aus Sichtbackstein. Die östliche und westliche Wand sind aufgelöst; abwechselnd versetzte Betonelemente ergeben eine Wabenstruktur, die Licht in den Kapellenraum lässt. Innen sind sie gelblich-honigfarben gestrichen. Der Raum wird ohne direkte Sonneneinstrahlung und Blendeffekt erhellt. Die Aufbahrungshalle bietet Platz für vier Särge. Rückwärtig befinden sich die Bewirtschaftungsräume. Toiletten gibt es im Dienstgebäude.
1976 wird der Platz in der Kapelle offenbar knapp, worauf das Gebäude um eine an die geschlossene Nordwand angebaute seitliche Kapelle erweitert wird. Der offene Platz zum Friedhof hin wird dadurch etwas abgestraft. Um die Jahrtausendwende wird der Architekt Hans Ruedi Bühler mit der Umgestaltung und Erweiterung der Anlage betraut. Die Seitenkapelle wird in der Höhe halbiert und dem Kapelleninnenraum zugeschlagen. Die trennende Schotte wird entsprechend geöffnet – ob zum Vorteil des Innenraums, sei dahingestellt. Der etwas ungewöhnliche Administrationsbereich hinter dem Altar wird erweitert. Die Aufbahrungshalle erfährt eine innenräumliche Optimierung; Trauernde haben nun mehr Platz beim Sarg. Die Katafalke können gekühlt und direkt von der Rückseite her bedient werden. Die beiden Höfe, im Plan von 2003 als «Vorhof» beim Zugang und «Besinnungshof» zum Friedhof bezeichnet, werden in ein ensembleübergreifendes Raster aus Sichtbetonplatten mit Teerstreifen integriert. Eine mit einer Wand rückwärtig geschlossene Arkadenerweiterung begrenzt den Besinnungshof nun gegen Norden und leitet den Blick zu einem neuen grossen Wasserbecken im Westen.
Der Friedhof folgt heute einem sehr klaren, stringenten Wegesystem. Eine Baumallee trennt das Areal in einen nördlichen und südlichen Teil. Das 2003 eingeführte Raster rund um die drei Bauten passt ins System des Gesamtareals, zieht dem Ensemble aller Leichtigkeit zum Trotz aber ein Korsett über. Den Grundstein dafür setzte wohl die Kapellenerweiterung 1976. Während die ursprüngliche Kapelle sich nämlich nicht am Raster der Arkade orientierte, nahm dieser Anbau jenes wieder auf. Die Idee, alles einer Regel zu unterwerfen mag auf dem Plan – und selbst vor Ort auf den ersten Blick – gut funktionieren, doch verlieren die einzelnen Gebäude dadurch etwas an Entspanntheit. Der Friedhofskatze indes dürfte dies egal sein. Sie liegt auf dem Bänkli vor den Glasbausteinen und döst im Schatten der Arkade vor sich hin.
Text: Simon Heiniger / Architektur Basel
Friedhofskapelle Allschwil
Adresse: Hegenheimerstrasse 55, 55a, 55b, 4123 Allschwil
Architektur: Walter Wurster, Hans Ulrich Huggel
Tragwerk: Heinz Hossdorf
Baujahr: 1955/56
Gebäude: Abdankungskapelle, Aufbahrungshalle, Dienstgebäude
Erweiterung Kapelle: 1976
Umbau: 2003 durch Hans Ruedi Bühler
Fotos und Video:
– © Simon Heiniger / Architektur Basel
Karten/Luftbild:
– Bundesamt für Landestopografie swisstopo, bearbeitet
Quellen:
– Hasche, K. & Hanak, M. (2010), Bauten im Baselbiet: eine Architekturgeschichte mit 12 Spaziergängen, Schwabe AG, Basel. ISBN: 978-3-7965-2664-0
– Das Werk (1957): «Friedhofbauten in Allschwil», in: Das Werk: Architektur und Kunst, Jahrgang 1957 / Heft 6, S. 217-221
– Open House 2021, Führung von Hans Ruedi Bühler