Renderings – Ein trügerischer Blick in die Zukunft

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«Können wir das Volumen etwas aufhellen? So wirkt der Baukörper zu dominant im Strassenraum.» Anweisungen wie diese waren während meiner diverser Praktika in verschiedenen Architekturbüros keine Seltenheit, wenn die Renderings für Architekturwettbewerbe besprochen wurden.

Visualisierung Wohnung im Meret Oppenheim Hochhaus © SBB Immobilien

Visualisierung Wohnung im Meret Oppenheim Hochhaus © SBB Immobilien

Renderings sind am Computer generierte Visualisierungen von Gebäuden, die je nach Machart ein abstraktes Bild von Volumen und Materialisierung vermitteln können. Manche werden gar so detailliert ausgearbeitet, dass sie kaum mehr von einem realen Foto zu unterscheiden sind. In der Architektur gehören Renderings mittlerweile zum Alltag. Es gibt kaum mehr Wettbewerbe, welche keine Visualisierung als Teil der Abgabe verlangen. Ungebaute Wohnungen werden mit Hilfe von Renderings, welche die Innenräume in perfektem Tageslicht und möbliert mit teuren Designklassikern erstrahlen lassen, bereits vor dem Bau verkauft. Gebäude im öffentlichen Raum werden mit schick gekleideten Geschäftsleuten, Familien aus dem Musterkatalog und entfesselt spielenden Kindern in Szene gesetzt. Dem Betrachter wird dabei das Gefühl vermittelt, einen Blick in die gebaute Zukunft erhaschen zu können, der alle negativen Aspekte völlig auszublenden vermag. Wie verbindlich sind aber diese glattgebügelten Bilder im Bezug auf Optik, Materialisierung und Volumetrie?

Roche Turm Basel © Herzog & de Meuron

Roche Turm Basel © Herzog & de Meuron

Ich gestehe einem Architekten in einer Wettbewerbskommission durchaus die Kompetenz zu, Projekte anhand von Plänen und Modellen objektiv zu bewerten, ohne sich von Hochglanzbildern täuschen zu lassen. In diesen Wettbewerben sind Visualisierungen durchaus sinnvoll. Sie vermitteln die Idealvorstellung des entwerfenden Architekten und können Stimmungen erzeugen, die in einfachen Plänen nur schwer zu vermitteln sind. Gleichzeitig erkennt ein Experte relativ schnell, ob das Rendering Qualitäten nur vortäuscht oder diese wirklich untermauert.

Welchen Einfluss nimmt das Bild aber auf mich, wenn ich mich nicht täglich mit Architektur auseinandersetze? Wenn ich nicht die Gesamtheit eines Projektes kenne, die sich erst bei der Auseinandersetzung mit allen Grundrissen, Schnitten und Modellen erschliesst? Diesen Fragen sind wir täglich ausgesetzt. In den gängigen Zeitungen werden uns Projektentwürfe anhand von Visualisierungen vorgestellt. Wir stimmen anhand von Bildern über Neubauten im öffentlichen Raum ab. Wenn wir uns keine Meinung aufgrund politischer Hintergründe bilden, entscheiden wir schlicht anhand unseres eigenen Geschmacks. Dies ist jedem bewusst, der ein Rendering publiziert. Deshalb wird viel Geld in diese Bilder investiert, um uns ein möglichst ideales Bild zu vermitteln.

Meret Oppenhem Hochhaus © Herzog & de Meuron / Samuel Borer

Meret Oppenhem Hochhaus © Herzog & de Meuron / Samuel Borer

Genau hier darf ich mich nun auch fragen, ob ich mich betrogen fühlen soll, wenn ich einem Neubau meine Zustimmung gebe, weil mir das Werbebild gefallen hat und mir nun anstelle des bestellten Apfels eine Birne aufgetischt wird? In Basel gibt es einige Grossprojekte, interessanterweise auch sehr oft aus der gleichen Feder stammend, die sehr offensichtlich mit den Visualisierungen punkten konnten. Mir hätte ein halbwegs transparenter Rocheturm, wie auf den ursprünglichen Renderings, sicherlich besser gefallen. Aber wie soll ein Bau so nahe an einer derart bebauten Strasse, ohne angrenzende Freiräume auch nicht dominant erscheinen? Dies ist wohl nur mit viel Fingerspitzengefühl bei der Bilderstellung möglich.

Genauso störend erscheint die leider sehr dunkle Fassade des Oppenheim Hochhauses. Hier ist es einzig die Farbigkeit des Sonnenschutzes, welche dem Bau ein völlig anderes Bild vermittelt. Ein Detail, das aber zum Zeitpunkt, in dem das Rendering entstanden ist, noch gar nicht durchgeplant war. Beide Projekte zeigen auf ihren Visualisierungen ein möglichst freundliches Bild. Während beim Oppenheim Hochhaus schlicht die Farbigkeit der Fassade eine andere war, etwas was durchaus im Planungsprozess angepasst wird, wird aber beim Rocheturm die Wuchtigkeit des Baus im Bezug zum Strassenraum schlichtweg überschminkt.

Visualisierung Ozeanium © Boltshauser Architekten

Visualisierung Ozeanium © Boltshauser Architekten

Am Computer kann nahezu jedes Detail eines Bildes angepasst werden, ohne dass wir überprüfen können, wie nahe ein Bild wirklich noch an der Realität ist. Wie sehr können wir uns auf all die Visualisierungen in den Medien zu den anstehenden Grossprojekten wie dem Hochhaus an der Heuwaage von Miller & Maranta oder dem Ozeanium von Boltshauser Architekten verlassen? Gerade beim Ozeanium in Lehmbauweise war es schon früh klar, dass die Fassade materialbedingt einen sichtbaren Alterungsprozess durchlaufen würde. Die oberste Lehmschicht würde sich auswaschen, die Fassade würde etwas unregelmässiger werden. Dieser Prozess lässt sich aber nicht einfach in einer Visualisierung darstellen.

Mir wurde in meinen Praktika oft erklärt, dass Renderings kein reines Abbild der Realität darstellen, sondern hauptsächlich dazu dienen, Emotionen beim Betrachter zu wecken, eigene Visionen zu vermitteln und trotzdem den nötigen Spielraum für Interpretationen zu wahren. Dennoch sollten wir uns kritisch Hinterfragen, ob all diese perfekt ausgearbeiteten Bilder dem Betrachter nicht doch die Möglichkeit nehmen, sich eine objektive Meinung zu bilden.


Text: Daniel Gass

Der Text ist in der Schreibwerkstatt am Institut Architektur FHNW im Frühlingssemester 2019 entstanden.

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