Shaqiri-Villa in Rheinfelden: Lässt sich über Geschmack streiten?

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Weisse Kuben erheben sich in einer generischen Wüste unter strahlend blauem Himmel. Wasserbecken, Swimmingpool, Liegestühle und Sonnenschirm sorgen für einen Hauch Ferienfeeling. Welcome to St. Tropez? Handelt es sich bei den Renderings um eine Villa an der Côte d’Azur oder auf Mallorca? Nein, es ist das Neubauprojekt von Fussballnationalspieler Xherdan Shaqiri in Rheinfelden. Wir haben einen kritischen Blick auf die Pläne des Neubaus geworfen.

© Kyburz Architektur & Bauleitungen GmbH

Einspruch! Gemäss übereinstimmenden Zeitungsartikeln haben einige Nachbarn Einsprache gegen das 270 Quadratmeter grosse Haus erhoben, «da das Betongebäude nicht ins Erscheinungsbild des Kapuzinerbergs passen soll.» Ob dem so ist, können wir nur bedingt nachvollziehen. Denn auf den Visualisierungen existiert die Nachbarschaft erst gar nicht. Akontextuelle Architektur nennt man das – oder Ordos 100. «Ja, die Nachbarn haben uns nicht so gern», erklärte Architekt Enrico Kyburz gegenüber der «BaZ». Der Neubau umfasst eine Einliegerwohnung, ein Kino, einen Fitnessraum, drei interne Parkplätze und vier Besucherparkplätze. Das Baugesuch ist gemäss «20 Minuten» aktuell bei der Stadt Rheinfelden hängig und müsse noch beurteilt werden.

© Kyburz Architektur & Bauleitungen GmbH

Dē gustibus nōn est disputandum. « Über Geschmack lässt sich nicht streiten», sagt eine lateinische Redewendung. Wir finden: Lässt es sich sehr wohl! Vor allem, wenn es um unsere Baukultur geht. Wir wagen eine kleine Architekturkritik des Neubauprojekts aus der Feder von Kyburz Architektur & Bauleitungen GmbH in Killwangen an der Limmat. Die Volumetrie wirkt im schlechten Sinn zusammengewürfelt. Unzählige verschiedene Fensterformate und gestaffelte Balkonflächen lassen das Haus unruhig erscheinen. Der zentrale, zweigeschossige Wohnraum unterbricht die ansonsten horizontale Fassadenordnung abrupt. Ebenso erzeugt das durchgehende Fenster des Treppenhauses auf der Rückfassade eine eigenartige, unangemessene Monumentalität – und erinnert gleichzeitig an ein banales Mehrfamilienhaus in der Agglo.

 

© Kyburz Architektur & Bauleitungen GmbH

Das Wasserbecken vor dem Wohnzimmer erinnert entfernt an die Reflektionsbecken der wunderbaren Villen von Richard Neutra, wobei unklar ist, welches Landschaftspanorama reflektiert werden soll. Ebenso fehlt dem Grundriss die neutra’sche Klarheit und räumliche Stringenz. Der typologische Grund für das verschachtelte Volumen lässt sich nicht nachvollziehen. Oder wie es im Studium immer hiess: «Kompliziert ist nicht gleich komplex.» Bei einem Fallrückzieher sollte man den Ball treffen. In verschiedenen Zeitungen wurde das Haus fälschlicherweise als «Betonblock» bezeichnet. Auf den Visualisierungen sieht es eher nach einer grauen Kompaktfassade aus. Insgeheim wünschte man sich da fast ein bisschen mehr Sichtbeton, wobei heutzutage ein Holz- oder Lehmbau zeitgemäss wäre. Auf dem Dach ist eine PV-Anlage vorgesehen. Ansonsten findet sich in den Plänen leider wenig Grün. Lediglich die Randbereiche der Parzelle bleiben unversiegelt. Immerhin sind drei Bäume eingezeichnet, wobei die auf den Renderings verloren gingen.

Wie man unweit der Architekturhauptstadt Basel auf die Idee kommt, einen Architekten aus Killwangen zu beauftragen, entzieht sich unserer Kenntnis. Bei Shaqiris Liebe zur Region und der Stadt Basel hätte man sich durchaus ein lokales Architektenteam wünschen dürfen. Schliesslich tummeln sich hier mitunter die weltbesten ArchitektInnen. Wie dem auch sei: Das Projekt ist eine verpasste Chance. Ein Offsidegoal. Gute Architektur sieht anders aus, oder?

Bleibt die Frage: Darf man von einem Fussballstar baukulturelle Verantwortung erwarten? Das sind selbstredend hohe Ansprüche – und dennoch bedingt Erfolg immer auch eine besondere gesellschaftliche – und damit verbunden eine kulturelle – Verantwortung. Wir wagen ein Wunschkonzert: Shaqiri schreibe einen SIA-konformen Studienauftrag mit Nachwuchsteams für sein Haus aus… Die bessere Architektur würden wir ihm so garantieren. Gemessen an seinem fussballerischen Genie sollte das Haus mehr sein, als eine banale Würfelkomposition. Wir bleiben am Ball. Noch ist das Spiel nicht abgepfiffen.

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel


Quellen:
http://www.kyburzarchimmo.ch/aktuelle-projekte.html
https://www.bazonline.ch/der-betonbunker-von-xherdan-shaqiri-ist-umstritten-906089450974
https://www.blick.ch/sport/fussball/nachbarn-wehren-sich-gegen-betonblock-bau-zoff-um-shaqiris-luxus-villa-id16808647.html
https://www.20min.ch/story/anwohner-kaempfen-gegen-xherdan-shaqiris-villa-588140741516

 

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