Es gibt Bauten, die vom Grundriss bis zur Fassade eine Einheit bilden. Das eine hängt vom anderen ab, die innere Nutzung und Organisation lässt sich direkt am Äusseren ablesen. Und es gibt jene wie die Schulanlage Neumatt in Aesch. Beim Entwurf von Walter M. Förderer müssen wir mehrmals hinschauen. Wir beginnen mit dem Grundriss.
Zur Anlage gehört der Haupttrakt des Schulhauses, eine kleine und eine grosse Turnhalle, ein Abwarthaus und eine Aula. Alle Gebäude ordnen sich um einen zentralen Platz an. Das Regelgeschoss des Schulhauses verspricht mit einer äusserst klaren Anordnung der Schulräume geordnete Abläufe. Die rechteckigen Klassenzimmer sind rechtwinklig zueinander abgedreht und über einen seitlichen oder frontalen Zugang zum Gang hin erschlossen. Jener bildet zusammen mit der offenen Treppenanlage den Kern. Belichtet wird diese innere Welt über Stichgänge zwischen den Klassenräumen. Heute würde man in Schulhäusern neben den Klassenzimmern auch Gruppenräume finden. 1962 war diese Organisation noch kein Thema. Bis auf drei Räume mit einem dazwischengeschalteten gemeinsamen Zimmer und anschliessender Toilette organisieren sich die Zimmer wie Inseln. Die gangseitigen Wände der Zimmer sind gleichzeitig Garderobe.
Den durchaus aufgeräumten Grundriss übersetzte Förderer in eine verspielte Fassade, wobei dieses Schulhaus förmlich danach schreit, die Fassade der räumlichen Betrachtung des Gebäudekörpers unterzuordnen. Die Art und Weise wie Förderer die einzelnen Kuben ineinander verschiebt und die verschiedenen Gebäude um den Pausenplatz anordnet, verwandelt die gesamte Anlage in ein plastisch geformtes Werk. Der Schulhof liegt etwas höher als die Strasse und bindet damit die einzelnen Nebengebäude zusätzlich ein. Diesen Kniff verfolgten etwas später auch die Architekten Belussi und Tschudin beim Schulhaus Rheinpark in Birsfelden.
Architekt Walter M. Förderer soll zu seinem Entwurf selbst geschrieben haben: «Im neuen Schulhaus soll alles sein, das zum Lehren und Lernen dient. Im neuen Schulhaus soll aber auch viel Frag-Würdiges sein, das nicht zu erklären, kaum zu deuten ist. (…) Wir haben ein Fragenhaus gebaut.» – damit spricht er wohl auch die vielen wüstenähnlichen Betonskulpturen, mal mit technischem Nutzen, mal rein künstlerischer Natur auf dem gesamten Gelände an. Genau in diesen Massnahmen liegt schlussendlich wohl das Geheimnis; die nüchterne Funktionalität wird zu einem experimentellen Gesamtkunstwerk. Als einer der herausragendsten Bauten von Förderer ist das Schulhaus bis weit über die Grenzen bekannt.
Text: Simon Heiniger / Architektur Basel
Schulhaus Neumatt Aesch
Adresse: Reinacherstrasse 5, 4147 Aesch
Architektur: Walter M. Förderer, mit Rolf G. Otto und Hans Zwimpfer
Baujahr: 1958-1962
Renovation: 1995-1998 (Ruedi Bühler, Rolf Huber)
Funktion: Bildungsbau
Fotos & Filmaufnahmen:
– © Simon Heiniger, Architektur Basel
Quellen:
– Hasche, K. & Hanak, M. (2010), Bauten im Baselbiet: eine Architekturgeschichte mit 12 Spaziergängen, Schwabe AG, Basel. ISBN: 978-3-7965-2664-0
– Kantonales Inventar der geschützten Kulturdenkmäler Basel-Landschaft
– Adler, Benjamin (2015): «Schulhäuser in Beton, Grauenvolle Blöcke oder architektonische Kunstwerke?», in: Tageswoche Online vom 23.10.2015