Zwischen „schrecklich“ und „grossartig“ – Roche Bau 2 erhitzt die Gemüter

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Die Abenddämmerung im Hintergrund, dazwischen der Rhein, im Vordergrund eine Gruppe hell erleuchteter Hochhäuser. Die neuste Visualisierung des Roche-Areals nimmt uns mit in die Zukunft. Genauer ins Jahr 2023. Dann sollen auf dem Stammgelände an der Grenzacherstrasse mehrere neue Hochhäuser, darunter das 205 Meter hohe, künftig höchste Haus der Schweiz, Roche Bau 2, und damit tausende zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.

Das Bild erinnert an die nächtlichen Skylines von New York, Shanghai oder Dubai. Rechts im Hintergrund erkennt man das Basler Miniatur-Münster. Die Visualisierung steht sinnbildlich für das künftige Basel, als mächtige, wirtschaftlich prosperierende Pharma-Metropole. Es löste auf den Social-Media-Kanälen grosses Interesse und unzählige, kontroverse, emotionale Reaktionen aus. „Schrecklicher Anblick.“ „Sieht genial aus!“ „Grossartig.“ „Ein Horror!“ Sie schwankten zwischen Abneigung und Bewunderung. So viel ist klar: Die Roche-Türme bewegen die Basler Seele.

Stadt der aufgehenden Sonne: Die künftige Roche-Skyline am Rhein © Herzog & de Meuron

Unter den vielen Meinungsbekundungen fanden sich einige bemerkenswerte Kommentare und Beobachtungen: Mehrfach angesprochen – und kritisiert – wurde die angeblich schnelle Alterung der Fassade von Bau 1. Alexander Palacios: „So wirkt es ja echt total toll und modern, aber seitdem der erste Turm steht und gebaut wurde dachte ich schon immer: Mensch die Aussenfassade sieht schon jetzt alt aus.“ Mario Saurer legte nach: „Wenn’s so aussehen sollte, dann müsste man aber langsam mit dem Ersatz der «1970er-Fassade» vom aktuellen Roche-Turm beginnen …“

Genauso kritisch wurde die Verteilung der Hochhäuser, und damit indirekt das Basler Hochhauskonzept, beurteilt. Debby Schultheiss: „Mich stört, dass die Hochhäuser in Basel konzeptlos hier und da stehen.“ Florian Schmid fragte daraufhin rhetorisch, „ob es die „Punktuelle Akzentuierung“ wirklich braucht…“ Und Jonas Maier: „Nur weil jemand «Konzept» auf das Titelblatt geschrieben hat, ist es das noch lange nicht.“ Das ist natürlich zu kurz gegriffen, wobei der Status des Basler Hochhauskonzepts als unverbindliche Richlinie tatsächlich nicht der höchste ist. Auf das darin geforderte Varianzverfahren (Wettbewerbsverfahren) wurde an der Grenzacherstrasse geflissentlich verzichtet.

Rooftopbar, aber Achtung: Zutritt nur für Roche-Mitarbeitende! © Herzog & de Meuron

Florian Schmid bemängelte die städtebauliche Setzung mit den weiteren Hochhäusern stadteinwärts: „Schade nur, dass die „schöne“, einheitliche Seite stadtauswärts liegt! Der neue Turm wird in Richtung Stadt von den zwei kleineren Gebäuden (mit anderer, monotoner Fassadengestaltung) verdeckt…“ Weiter stellten viele Leser die Frage der fehlenden öffentlichen Nutzung im Bau 2. “Es wäre toll wenn es zuoberst eine öffentliche Einrichtung gäbe…. Bar, Café oder Lounge“, schrieb André Rickenbacher. Ähnliches wünschte sich auch Nicole Roos: „Zuoberst eine Rooftopbar wäre toll!“

Auch das Thema der um 90 Grad gedrehten Kopie von Bau 1 gab zu reden. Daniel A. Walser: „Ambitioniert! Leider noch immer eine etwas gar banale Form eines Hochhauses einfach verdoppelt. Eine Variation des Themas beim zweiten / dritten Hochhaus hätte ich interessanter gefunden.“ Renato Zeller hielt dagegen: „So ein Ensemble macht mehr her als ein singulärer Turm.“ Und Beat Voellmy wagte sogar den mutigen Blick in die ferne Zukunft: „Nach Abschluss der jetzigen Bauetappe sollte noch ein dritter, noch höherer Turm – ausgerichtet nach Grenzach – gebaut werden (entsprechender Raum wäre vorhanden). Dann wäre das Gesamt-Ensemble vollkommen und alle verteilten Arbeitsplätze in Basel an einem Ort.“

Arbeiten kann glamourös sein: Blick in die Eingangshalle von Bau 2 © Herzog & de Meuron

Grundsätzliches wurde diskutiert. Johannes Martin Schmelz zeigte sich besorgt, ob der in seinen Augen fehlenden (bau-)kulturellen Verortung: „Sind wir endlich an der gesichtslosen Stadt angelangt? Es könnt ja auch London, New York, Dubai, oder Singapur sein… Vielleicht kostet ja der Wahnsinn in die Höhe zu bauen das Gesicht der europäischen Stadt. Natürlich möchte dass kein Architekt hören.“ Jose Vicente Torro entgegnete: «Die Türme sind nicht spektakulär genug, um sie überhaupt mit Dubai, London, Singapur zu vergleichen. Aber einen Anfang allemal!» Da könnte man ergänzen, dass sich die Roche zusammen mit den Architekten Herzog & de Meuron auf die frühen Bauten von Otto Rudolf Salvisberg mit ihren markanten, weissen Bandfassaden beziehen. Marcus Antener fasste die emotionale Diskussion mit der Entspanntheit des „Altygsässene“ in bestem „Baseldytsch“ zusammen: “Isch jo klar, dass es nie allne passt und me hüffig über vermaintligi Schandflägg schimpft. Em Eiffeldurm z’Paris isch es au eso gange. Hit wurd en niemert me wäg gäh.“

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel

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