Wenn Menschen erkranken, sind ÄrztInnen und alle am Heilungsprozess Beteiligten, nicht zuletzt die Betroffenen selbst, bestrebt, die körperliche und seelische Gesundheit schnellst- und bestmöglich wieder herzustellen, oder die Krankheit durch Genesung so gut wie möglich zu überwinden. Wenn ein so bedeutender und schöner Prozess, wie der der Heilung, dann in einem so funktionalen und gleichermassen ästhetischen Gebäude wie dem REHAB Basel stattfindet, kann dieser Umstand als ‚Non plus ultra‘ der humanistischen Architektur bezeichnet werden.
An dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich bei Christine Binswanger bedanken, die das Projekt als Partnerin von Herzog & de Meuron umgesetzt hat. Durch ihre Bereitschaft zu einem Gespräch war es möglich, zu erfahren, auf was es bei der Entwicklung eines solch bedeutenden Projektes ankommt und mit welchen Herausforderungen sich die Architekten bei der Umsetzung weiterer Spitalbauten konfrontiert sehen.
Im zweiten Teil der dreiteiligen Serie zum 20-jährigen Jubiläum des Klinikgebäudes haben wir erfahren, dass viele der dort behandelten PatientInnen froh sind, dass sie ihre Rehabilitation im REHAB erleben durften und sich, auch wenn es eine der schlimmsten Phase ihres Lebens war, keinen besseren Ort hätten vorstellen können, um wieder gesund zu werden. Auch die MitarbeiterInnen sehen das REHAB als ideale Umgebung, um ihre Arbeit gemäss der eigenen Erwartungshaltung und zum Wohle der PatientInnen auszuführen zu können, weil sie sich dort auf deren individuellen Bedürfnisse einstellen und in einem interprofessionellen Team zusammenarbeiten können.
Zunächst wollten wir von Christine Binswanger wissen, wie genau sie Architektur denkt, entwirft und baut, die für die NutzerInnen eine so grosse Bereicherung darstellt, von diesen sehr geschätzt wird und deren Leben positiv beeinflusst. Als Erstes nennt sie die Kommunikation mit der Bauherrschaft. Die NutzerInnen müssen in der Lage sein, ihre Bedürfnisse zu beschreiben. Die Entwicklung des REHAB begann mit komplexen Darstellungen der Organisation, Schnittstellen und Abhängigkeiten, um das Funktionieren des medizinischen Prozesses zu gewährleisten. Zudem hat die Bauherrschaft ihren Wunsch hinsichtlich der Atmosphäre formuliert – das neue REHAB sollte nicht wie ein Spital wirken.
«Bei der Entwicklung des REHAB Basel waren die Vorgaben vorbildlich und der Austausch ausserordentlich konstruktiv.»
Bei den Spitalbauten der sechziger und siebziger Jahre hatte die Funktionalität oberste Priorität und in so einem Gebäude befand sich das REHAB zuvor. Weil die REHAB Basel AG eine private Institution ist, die für sich selbst baut und deshalb selbst entscheiden kann, konnte sie etwas wagen und dieser Mut sollte von grossem Erfolg gekrönt sein. Der Neubau wurde in enger Zusammenarbeit mit Dr. Mark Mäder, dem damaligen Chefarzt, entwickelt und umgesetzt. Wenngleich er anfangs skeptisch war, nachdem Herzog & de Meuron den Wettbewerb gewonnen hatten, beschreibt er die Zusammenarbeit im Nachhinein als positives Erlebnis.
Der Bauplatz, auf dem der Neubau des REHAB entstand, war ein ‚Greenfield‘. Aus funktionalen Diagrammen, in denen die Bauherrschaft die Expertise hat, und mit räumlichen und architektonischen Themen und Motiven, gestalteten die Architekten ein Gebäude mit Stimmung und Atmosphäre. Auch die gute Zusammenarbeit mit Proplaning, Büro für Baumanagement, und den Landschaftsarchitekten August und Margrith Künzel trug einen entscheidenden Teil zum Gelingen des Projektes bei. Denn auch wenn die Gestaltung der Innen- und Aussenräume so klar und einfach scheint, war diese sehr anspruchsvoll.
«Man fühlt sich im REHAB auch deshalb wohl, weil das Projekt eine hohe Kohärenz hat. Weil architektonische Themen in verschiedenen Massstäben, auf allen Ebenen wiederkehren.»
Das Budget betrug circa eine Million pro Bett, insgesamt 92 Millionen. Für das, was es ist, war das Projekt nicht übermässig teuer. Es wurde am richtigen Ende gespart. Mit der Bauherrschaft haben sich die Architekten geeinigt, in Raum und Licht zu investieren, statt in edle Oberflächen und Materialien. So wurden die Bäder beispielsweise mit herkömmlichen Apparaten ausgestattet, damit die Acrylglaskugeln über den Betten umgesetzt werden konnten. Als Architektin muss man wissen, wo man den Effort macht und wo er fruchtet. Und am Ende, sagt Christine Binswanger, ist das Entwerfen ein ständiges Hin und Her. Es werden unzählige Varianten geprüft und das REHAB zeigt, dass es sich lohnt, alles lange und wiederholt durchzukauen. Die Chance, dass es dann auch länger hält, funktional wie gestalterisch, ist wahrscheinlich grösser. Dass man nicht einer schnellen Idee aufsitzt.
Auf die Frage, was es ihr persönlich bedeutet, als Architektin einen grossen Teil, in Form von guter Architektur, zu einem für Menschen solch bedeutenden Prozess, wie dem der Heilung, beitragen zu können, antwortet Christine Binswanger mit ‚Freude‘. Es mache Freude an etwas zu arbeiten, was wirklich nötig sei, und wenn sie als Architektin einen Beitrag leisten könne, in Form von Spitalbauten, die jeder Mensch braucht, dann sei das sehr befriedigend. Sie und ihre Mitarbeitenden arbeiten an diesen Projekten manchmal mehr als zehn Jahre ihres Lebens, es braucht enorme Ausdauer, Durchhaltevermögen und vor allem Hingabe. Für alle, die an diesen Projekten beteiligt sind, ist die Befriedigung, dass am Ende ein Spital dasteht, das für Menschen in den schwierigsten Phasen ihres Lebens auch eine Bereicherung darstellt, eine grosse Motivation.
Herzog & de Meuron entwerfen Spitalbauten, die weder so aussehen noch sich wie solche anfühlen. Neben der effizienten Erfüllung aller technischen und funktionalen Anforderungen, stehen bei der Entwicklung dieser ganzheitlichen, medizinischen Einrichtungen die Heilung und der Mensch im Mittelpunkt. Es sind offene, durchlässige, atmende Umgebungen für PatientInnen, Angehörige und Personal, mit Verbindungen zur natürlichen Umgebung, Tageslicht und Ausblicken durch grosse Glasfassaden und Innenhöfe, die auch die Orientierung erleichtern.
Beginnend mit dem REHAB Basel, haben Herzog & de Meuron eine Expertise in der Gestaltung von Spitalbauten entwickelt. Das Universitäts-Kinderspital in Zürich und das New North Zealand Hospital in Hillerød, Dänemark, befinden sich derzeit beide im Bau, während zwei weitere Projekte, die Erweiterung des Universitätsspitals in Basel und ein Neubau für den bereits bestehenden Spitalkomplex des UCSF Helen Diller Medical Center in San Francisco kürzlich gewonnen wurden.
Herzog & de Meuron haben mit dem REHAB Basel den Spitalbau vor 20 Jahren auch deshalb völlig neu denken können, weil sie keine Erfahrung auf diesem Gebiet hatten, vorherrschende Annahmen hinterfragten und sich nicht auf bewährt geglaubte Standards verliessen. Dieser Hypothese stimmt Christine Binswanger zu, auch wenn aus ihrer heutigen Sicht Erfahrung auch einen Mehrwert darstellt – jedes Spital sei letztlich doch unterschiedlich in seiner Ausgangslage und in seiner Bestimmung. Wegen der Gefahrenverhütung sind beim Kinderspital in Zürich beispielsweise keine Balkone wie im REHAB oder im New North Zealand Hospital möglich. Das K3, wie der Neubau für das Unispital mittlerweile heisst, befindet sich mitten in der Stadt und nicht am Stadtrand, ist eine Klinikerweiterung und kein Neubau, und das Raumprogramm, mit einem Tumorzentrum und Laboren, ist ein anderes- auch gibt es dort keine Patientenzimmer. Herzog & de Meuron versuchen jedem Spitalbau einen eigenen Charakter zu geben, der nicht nur Technik und Funktionalität ausdrückt
«Ein Spitalbau muss hochspezifisch, aber gleichzeitig flexibel sein. Was man für einen Widerspruch halten könnte. Niemand kann alle medizinischen Entwicklungen voraussehen. Logischerweise möchten die Entscheidungsträger bis zum letzten Moment warten. Der Planungszeitraum ist so lang, dass einiges, was zu Beginn verlangt und entschieden wurde, gegen Ende der Planung nicht mehr ganz so gilt.»
Ausserdem hat sich der Arbeitsprozess enorm weiterentwickelt. Bei der Planung des REHAB gab es noch 2D-Pläne und die Fachplaner wurden von der Bauherrschaft direkt beauftragt. Beim K3 sind Herzog & de Meuron zusammen mit Rapp Architekten Generalplaner. Auf die Frage, wie Architekten spezifischen, architektonischen Charakter in solchen Grossprojekten überhaupt noch umsetzen können, meint Christine Binswanger: Die ständige, echtzeitige Überprüfung des gesamten Gebäudes im virtuellen 3D-Modell ist ebenso entscheidend, wie die Modellierung einzelner Räume und Details im Massstab 1:1, an Mock-Ups von ganzen Gebäudeteilen, bis hin zu Möbeln. Die richtige Kombination von analogen und digitalen Methoden und Werkzeugen sind der Schlüssel zum Erfolg.
Und so bleibt zu hoffen, dass auch das K3 ein funktionelles Klinikgebäude mit aussergewöhnlicher Atmosphäre wird. Bedenkt man allerdings, dass Herzog & de Meuron den NutzerInnen gegenüber eine fundamentales Interesse aufbringen, ihre Projekte in einem unvergleichlichen Prozess entwickeln, und sich immer wieder neu erfinden, dürfte sich die Hoffnung schon bald in Gewissheit umwandeln. Und so beenden wir unsere dreiteilige Serie über das REHAB Basel mit einem Zitat, das es nicht besser treffen könnte.
«Ich weiss nicht, wie es Herzog & de Meuron schaffen, den NutzerInnen die Gebäude auf den Leib zu schneidern. Vielleicht sind sie einfach gute Zuhörer? Vielleicht haben sie eine Gabe? Jedenfalls hat das REHAB Basel eine so positive Energie für die Menschen, die dort arbeiten, zeitweise dort leben und gesund werden, wie ich es noch in keinem anderen Spitalbau erlebt habe.»
Stephan Freude, ambulanter Patient und ‚Botschafter‘ des REHAB Basel
Text: Johanna Bindas / Architektur Basel
Quellen:
– Gespräch mit Christine Binswanger
– ZEITRÄUME. Passagen durch das REHAB Basel. Mit Dr. med. Mark Mäder, Chefarzt REHAB Basel und Christine Binswanger, Architektin Herzog & de Meuron. VISAVISTA AG, 2009
– www.herzogdemeuron.com