Arbeitsamt Basel II – aus baukultureller Sicht

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Ebenso markant wie mit den Bildern der Schlangen von Arbeitslosen in den Köpfen von Schüler*innen im Geschichtsunterricht, manifestiert sich die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre in der Stadt Basel mit einem Bauwerk. Dem Kantonalen Arbeitsamt von Erwin Rudolf Heman, das 1932 vom damaligen Stadtbaumeister fertiggestellt wurde.

Schwarzplan: In der Mitte das Arbeitsamt Basel © Johanna Bindas, Architektur Basel; Quelle: Geoportal Kanton Basel-Stadt

Schwarzplan: In der Mitte das Arbeitsamt Basel © Johanna Bindas, Architektur Basel; Quelle: Geoportal Kanton Basel-Stadt

Die Schwierigkeit der Bauaufgabe bestand darin, das Neue Bauen in den historischen Kontext der Altstadt zu integrieren. Zwischen der Rheingasse und der Utengasse wurde der mittelalterliche Baubestand grossflächig abgebrochen und die im Detail heterogene, aber in sich homogene Struktur, aufgebrochen. Die Strassenlinien wurden neu projektiert. An der Utengasse liegt das Gebäude etwas von der Strasse zurück versetzt, an der Rheingasse zieht sich die freigestellte Rundung noch weiter zurück.

Auf dem Luftbild wird deutlich, welchen Fremdkörper das neue Gebäude des Arbeitsamtes im historischen Kontext der Altstadt darstellt. © Quelle unbekannt

Auf dem Luftbild wird deutlich, welchen Fremdkörper das neue Gebäude des Arbeitsamtes im historischen Kontext der Altstadt darstellt. © Quelle unbekannt

Über die Angemessenheit Heman’s städtebaulicher Setzung lässt sich streiten, weil sich das Gebäude in keinerlei Hinsicht zum gewachsenen Gewebe der historischen Altstadt verhält. Gleichwohl symbolisiert sie den damaligen Wandel im Städtebau.

Der Architekt orientierte sich am Grundriss des Dessauer Arbeitsamtes, welches kurz zuvor von Walter Gropius fertiggestellt wurde und ein Schlüsselwerk der funktionalistischen Architektur der Moderne darstellt. Dem halbkreisförmigen, funktionalen Grundriss ist eine symmetrische, neoklassizistische Fassade vorgesetzt. Diese zeigt das Bemühen, die Gegensätze mit den Mitteln der Farbe, der Oberflächenbehandlung und der Bauskulptur auszugleichen. Die dekorative Auszeichnung der Beletage, die altehrwürdige Loggia und die Abtreppung des Dachgesimses, versuchen die geometrische Radikalität des Baukörpers und Grundrisses zu relativieren.

Die Frontfassade des Kantonalen Arbeitsamtes, 1983 © Niggi Bräuning

Die Frontfassade des Kantonalen Arbeitsamtes, 1983 © Niggi Bräuning

Grundriss des Kantonalen Arbeitsamtes von Erwin Rudolf Heman, 1932 © Fierz Baader Architekten

Grundriss des Kantonalen Arbeitsamtes von Erwin Rudolf Heman, 1932 © Fierz Baader Architekten

Die weiblichen Stellensuchenden betraten das Gebäude von der Utengasse, durch eine offene, von Säulen getragene Vorhalle. An der Rheingasse liegen die zwei halbrunden, kuppelförmigen Eingänge für die männlichen Stellensuchenden, die das Gebäude nach Berufsgruppen getrennt betraten und über Warteräume in die Mitte des Baus geschleust wurden, wo sich die Büros befanden. Der Besucherstrom wurde, vorbei an der grossen Schalterhalle, durch den mittleren Hauptausgang wieder zurück auf die Strasse geleitet.

Abteilung der männlichen Stellensuchenden, Schalterraum © Quelle unbekannt

Abteilung der männlichen Stellensuchenden, Schalterraum © Quelle unbekannt

In den Jahren 1983/84 erfolgte die Sanierung und der Umbau durch die Architekten Peter Fierz und Stefan Baader, mit dem auf das veränderte soziale Gefüge eingegangen und der Bau unter Wahrung der bestehenden Bausubstanz den neuen Verhältnissen und geänderten Bedürfnissen angepasst wurde.

Grundriss des Kantonalen Arbeitsamtes nach Sanierung und Umbau durch Peter Fierz und Stefan Baader, 1983:84 © Fierz Baader Architekten

Grundriss des Kantonalen Arbeitsamtes nach Sanierung und Umbau durch Peter Fierz und Stefan Baader, 1983:84 © Fierz Baader Architekten

Während sich die Büroräume ursprünglich vom Zentrum in den Umgang öffneten, stülpten Fierz und Baader die Gebäudeorganisation um. Die Büros wurden nach aussen an die halbkreisförmige Fassade verlegt, wodurch im Inneren eine zentrale Wartehalle unter dem freigelegten Glasdach geschaffen werden konnte. Der Zugang erfolgte nun für alle Besuchenden von der Utengasse, durch den von Heman als Säulenvorhalle gestalteten Eingang. Die Eingangs- und Wartehalle wurde mit schwarzgrauem Naturstein aus dem Berner Oberland belegt, der den öffentlichen Charakter des Gebäudes bezeichnete. Zur Wahrung der Privatsphäre der Wartenden wurden in der Halle mit Holz verkleidete Trennwände aufgestellt.

Der Eingang nach dem Umbau 1983/84 © Niggi Bräuning

Der Eingang nach dem Umbau 1983/84 © Niggi Bräuning

Die Wartehalle nach dem Umbau, 1983/84 © Vera Isler, Bottmingen

Die Wartehalle nach dem Umbau, 1983/84 © Vera Isler, Bottmingen

Aus intensiver Beschäftigung mit der vorhandenen Architektur resultierte das gelungene Einfügen neuer Gestaltungselemente und -materialien. Mit der bestehenden Bausubstanz ist dabei respektvoll umgegangen worden. Spätere Hinzufügungen wurden entfernt, das Innere mit ausserordentlicher Sorgfalt und Überlegungen bis ins Detail saniert und umgebaut. Dabei gingen die Architekten auf alle Einzelheiten ein – selbst Türgriffe oder Lampen wurden neu gestaltet, wenn handelsübliche Bauprodukte nicht der Qualität des Bauwerks entsprachen. Auch von der Denkmalpflege wurde die Umnutzung gelobt, weil trotz der Umstülpung des Grundrisses vom zentralen Verwaltungszentrum unter dem Glasdach zur Wartehalle mit umgebendem Büroring, ablesbare Denkmalwerte bis in die Struktur hinein erhalten geblieben sind.

Nach weiteren 40 Jahren wird das Gebäude nun zum zweiten Mal saniert, diesmal von TrinklerStulaAchille Architekten. Mit der heutigen Gesamtsanierung werden für die Mitarbeitenden und Besuchenden des Arbeitsamtes moderne Büro- und Sitzungsräume geschaffen, die dann der sich abermals gewandelten Arbeitswelt entsprechen und die heutigen Bauvorschriften einhalten. Im letzten Teil der Serie werden wir über den Baustellenbesuch berichten, bei dem uns die Architekten die Sanierungs- und Umbaumassnahmen im Detail erklärt und gezeigt haben.

Text: Johanna Bindas, Architektur Basel


Quellen:
– www.geschichtedersozialensicherheit.ch
– www.trista.ch
– Christoph Merian Stiftung, S AM Schweizerisches Architekturmuseum (Hg.), Dorothee Huber: Architekturführer Basel, Die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung, Christoph Merian Verlag, 2014, S. 269
– Illustrierte schweizerische Handwerker-Zeitung, Band 48, Nr. 32, S. 375: Bauchronik. Der Neubau des Kantonalen Arbeitsamtes in Basel; Zürich, 5. November 1931; https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=ihz-001%3A1931%3A47%3A%3A505&referrer=search#505
– Werk – Archithese, Band 65, Jahr 1978, Heft 23-24, S. 54: Unterbrochene Stadt. Stadterneuerung 1930- 40. Einige Beispiele; von O. Birkner, J. Herzog, P. de Meuron; Basel. E. Hemann. Arbeitsamt; https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=wbw-003:1978:65::1018
– Die Schweiz: offizielle Reisezeitschrift der Schweiz, Band 61 (1988), Heft 1: Neuere Architektur in und um Basel, S. 28: Der Zeit anpassen; https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=swz-003%3A1988%3A61%3A%3A366&referrer=search#366
– Jurablätter: Monatsschrift für Heimat- und Volkskunde, 48. Jahrgang, Heft 7/8, Juli/August 1968, S. 110: Objekte aus jüngerer Zeit; https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=jub-002%3A1986%3A48%3A%3A141&referrer=search#139
– Auszeichnung Gutes Bauen 1985, S. 24: Umbau Arbeitsamt; https://www.auszeichnunggutesbauen-bl-bs.ch/archiv/1985/#umbau-arbeitsamt-basel

 

 

 

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