Armadillo Haus von Diener & Diener: Ein zurückhaltendes Gesamtkunstwerk

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In Binningen findet man herausragende Baukultur. Oft ist sie etwas versteckt, liegt abseits des Scheinwerferlichts der Stadt. Der Architekturpreis Binningen möchte die Wertschätzung für besonders gute Bauten steigern und zeichnet deshalb zum dritten Mal besonders gelungene Beiträge zur Baukultur aus. Dieses Jahr wurde ein ganz besonderes Haus ausgezeichnet: Das Eigenheim von Roger Diener am Multenweg. Es handelt sich um ein Gesamtkunstwerk, das er im intensiven Austausch mit dem Londoner Künstlers Marc Camille Chaimowicz entworfen hat. Unsere Redaktorin Céline Dietziker hat dem ausgezeichneten Haus einen Besuch abgestattet.

Am Multenweg in Binningen übt man sich in Zurückhaltung. Das Haus versucht seine Präsenz durch eine dichte Bepflanzung entlang der Strasse zurückzunehmen – und fällt im sonst eher eintönigen Einfamilienhausquartier durch seine Andersartigkeit dennoch sofort auf. Man fragt sich, was das Haus sein will. Eine Villa? Ein Gewerbebau? Die durch Lisenen gegliederte und vertikal gerichtete, hellbeige Fassade überspielt die Geschossigkeit. Darauf thront zurückversetzt ein dunkles Attikageschoss. Die Materialisierung der Fassade ist aus der Ferne schwer zu benennen. Beim Näherkommen entdeckt man feine Ornamente auf den winkelförmigen Betonelementen. Und auch beim Eingangstor ist ein Ornament eingestanzt. Was es damit wohl auf sich hat?

© Geoportal Baselland

Situationsplan © Geoportal Baselland

Das Haus eines Architekten ist eine spezielle Bauaufgabe. Vor allem, wenn es vom Architekten selbst entworfen wird. Die Schwierigkeit besteht darin, dass man einerseits eine grosse gestalterische Freiheit hat – und andererseits das kritische Gegenüber einer Bauherrschaft fehlt. Roger Diener hat sein kritisches Gegenüber in der Person des Londoner Künstlers Marc Camille Chaimowicz gefunden. In vielen Gesprächen der beiden und Maryam Diener entstand die Idee für das Haus. Die Zusammenarbeit mit Künstlern hat bei Diener & Diener Architekten eine lange und reichhaltige Tradition. So arbeiteten sie zum Beispiel mehrfach mit Helmut Federle zusammen – sei es auf dem Novartis Campus oder der Schweizer Botschaft in Berlin.

© Roger Frei, Zürich

Die Grundrisse im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss sind einfach und klar: Ein offener Raum wir von einem mittigen, dienenden Block und einer freistehenden Stütze gegliedert. Im ersten Obergeschoss gibt es eine Galerie, welche die beiden Geschosse visuell und räumlich miteinander verbindet. Ganz zuoberst im Attikageschoss befindet sich gut versteckt hinter der hohen Brüstung ein langer Aussenpool mit wunderbarem Blick über ganz Basel. Das Untergeschoss wird an der Stirnfassade durch das abgeschrägte Terrain belichtet.

Grundrisse © Diener & Diener

Aus der Zusammenarbeit von Diener und Chaimowicz ist eine spannende Symbiose aus Kunst und Architektur entstanden: Im ganzen Haus entdeckt man immer wieder neue Kunstwerke von Chaimowicz. Mal klein, wie der Türgriff, welcher ins Gästebad führt und einen abgegossen Handabdruck beim Öffnen einer Türe darstellt. Mal laut und bunt, wie in der Küche, wo die gemusterten Bodenplatten, bedruckten Küchenfronten und aufgehängten bemalten Tellern ein visuelles Feuerwerk bedeuten. Die Kunst von Chaimowicz schafft einerseits einen poetischen Gegensatz zur klar strukturierten, rationalen Architektursprache. Andererseits ist es an vielen Stellen auch schwierig zu sagen ist, was aus welcher Feder stammt, da Kunst und Architektur ineinander übergehen. Die Autorenschaft ist im steten Dialog. So zum Beispiel in der ornamentalen Brüstung der Galerie. Hinzu kommt, dass im ganzen Haus weitere Kunstwerke von verschiedenen Künstlern hängen. Das Haus ist ein Gesamtkunstwerk.

Ansichten © Diener & Diener

Die Materialisierung ist schlicht: Glatte Betonwände, ein hochwertiger Parkettboden und raumhohe Fenster üben sich in Zurückhaltung – und lassen der Kunst viel Raum. Die grösste Überraschung ist die industrielle Deckenuntersicht aus Trapezblech. Sie tut der ansonsten zurückhaltenden Architektur gut. Es verleiht dem Raum eine besondere Einfachheit und lässt als Referenz die Architektur von Lacaton & Vassal anklingen. Wir kommen zurück zur Frage, was das Haus sein will. Entstanden ist tatsächlich eine einzigartige Mischung aus Villa und Gewerbebau.

Text: Céline Dietziker, Architektin Redaktorin Architektur Basel
Architekturfotografien: © Roger Frei, Zürich


Armadillo Haus
Adresse: Multenweg 55, 4102 Binningen
Projektverfasser: Diener & Diener Architekten, Basel
Landschaftsarchitektur: Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich


Der Architekturpreis Binningen
Der Architekturpreis Binningen zeichnet ein abgeschlossenes Architekturprojekt aus, das in den Augen der Jury, aus den insgesamt 118 durchgeführten Bauabnahmen im Zeitraum von 2019 bis 2020 in der Gemeinde Binningen herausragt. In einem ersten Durchgang wurden 40 Projekte selektioniert, welche sich als mögliche Preisträger eignen. Dabei wurde der Umfang der Baumassnahme berücksichtigt. Es kamen sowohl Sanierungen als auch Neubauten in die Auswahl. Bei der anschliessenden Diskussion der Jury konnten 5 Gebäude bestimmt werden, welche gemeinsam besichtigt und näher erörtert wurden. Ein Projekt überzeugte dabei besonders.

 

 

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