Diener’sche Gesprächsverweigerung auf dem Klybeck

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Vergangene Woche wurde der Basler Öffentlichkeit das langersehnte städtebauliche Leitbild für das Klybeck-Areal vorgestellt. Es gibt Aufschluss über die weitere Planung auf dem grössten und wichtigsten Basler Transformationsareal. Darüber wollten wir in einem Gespräch mit den Verfassern des Städtebaus, Diener & Diener Architekten, mehr erfahren. Unser Interviewtermin wurde in letzter Minute abgesagt. Die Türen blieben verschlossen. Dem fachlichen Dialog mit jungen KollegInnen geht man an der Henric Petri-Strasse lieber aus dem Weg.

© Kanton Basel-Stadt, Rhystadt AG, Swiss Life AG

Formalismen und Blockränder
Das sorgfältig erarbeitete, gut strukturierte und grafisch überzeugend umgesetzte Leitbild richtet sich genauso an Fachpersonen wie an Laien. Es handelt sich um eine Zusammenfassung der städtebaulichen Intention für das Klybeck-Areal. Das Areal gliedert sich in sogenannte «Nachbarschaften». Auffallend ist diejenige zwischen Rhein und Klybeckstrasse: Die heute streng orthogonale Setzung der Industriebauten wird durch polygonale und kreisrunde Hochhäuser neu zusammengewürfelt. Das wirkt eigenartig formalistisch – und wenig schlüssig. Böse Zungen behaupten, die Optimierung des Rheinblicks für das hochpreisige Wohnsegment hätte hier den Städtebau gemacht. Wir wissen es nicht. Die räumliche Stringenz der bestehenden Rasterstruktur geht damit verloren. Der zweite städtebauliche Schwachpunkt befindet sich an der Wiese. Hier werden Blockrandstrukturen eingeführt. Die Analogie zu den Gründerzeitquartieren liegt zwar auf der Hand, irritierend sind nicht nur die spitzen Winkel einiger Gebäudeecken; es stellt sich auch die Frage, ob die Reproduktion der stadt- und sozialräumlichen Qualitäten eines Matthäus tatsächlich gelingen kann. Es ist schade, dass ausgerechnet in diesem Arealteil kein Bezug zur jetzigen Bebauungsstruktur besteht. Hier dominiert das Tabula Rasa. Der Städtebau wirkt wie ein übriggebliebenes Fossil im postfossilen Zeitalter. Die Setzung mit dem zentralen Grünraum, der Klybeckmatte, und der beidseitigen Blockrandstruktur erinnert stark an die Erlenmatt. Unglücklich, dass der visuelle Bezug von der Wiese zum Klybeckplatz durch zwei eingefügte Solitärbauten verhindert wird. Das schwächt die überzeugende Idee der räumlichen Verbindung zwischen Rhein und Wiese.

Gelb steht für Abbruch: Eine Mehrheit der bestehenden Bauten sollen abgerissen werden.

Klybeck – ein Abriss
Und dann wäre da noch die Klimakrise: Wir haben in den letzten Jahren gelernt, dass wir bestehende Bauten wenn immer möglich erhalten und umnutzen sollten. Nur so hat unsere Bauwirtschaft eine Chance, einen substantiellen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beizusteuern. Ausserdem müssen wir die Produktion von Bauschutt und -abfall drastisch reduzieren, da wir ihn sonst schlicht nicht mehr entsorgen können. Die Deponien füllen sich schneller, als neue Standorte in Sicht sind. In der ökonomischen Logik vieler Investoren scheint der Erhalt von Bestandesbauten leider nach wie vor unattraktiv. Das zeigt sich auch auf dem Klybeck-Areal. Gemäss Leitbild soll die Mehrheit der Bestandesbauten abgebrochen werden. Grosse Mengen grauer Energie würden damit vernichtet. Man könnte es folgendermassen nennen: Klybeck – ein Abriss. Dass an der Mauerstrasse aktuell bereits Abbruch auf Vorrat betrieben wird, wirkt dabei nicht besonders vertrauensbildend. Im Kapitel «Umwelt» liest man: «Im Bereich der Innovation sollen neuste Technologien genutzt und miteinander intelligent gekoppelt werden, um dadurch höchste Energieeffizienz bei maximaler Ökologie zu erreichen.» Das sind Marketingfloskeln auf höchstem Niveau. Wir stellen uns die Frage: Wieso ist es nicht gelungen, den Bestand noch stärker in den Städtebau zu integrieren? Wieso kann das Humbug nicht stehen bleiben? Braucht es tatsächlich so viele neue Hochhäuser, die letztlich nicht besonders nachhaltig sind? Ist die Monumentalität am Klybeck-Platz angebracht? Wieso finden an der Mauerstrasse bereits Abbrucharbeiten statt?

Abbruch auf Vorrat? Aktuelles Bild von der Mauerstrasse © Architektur Basel

Gesprächsverweigerung seitens Diener & Diener
Gerne hätten wir diese und weitere Fragen mit dem federführenden Architekturbüro Diener & Diener diskutiert. Von unserem Artikel zum Leitbild fühlten sich die Architekten anscheinend derart vor den Kopf gestossen, dass sie einen lange vereinbarten Interviewtermin in letzter Sekunde absagten – und mit Architektur Basel grundsätzlich nicht mehr sprechen wollen. Man werde «auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht für ein Gespräch zur Verfügung stehen», liessen sie uns drei Tage nach dem Interviewtermin per Mail wissen. Bedauernswert und unverständlich. In unserer Demokratie ist der kritisch-konstruktive Dialog, der Wettstreit der Ideen, die Diskussion mit Andersdenkenden, essenziell. Dass er im Falle vom Klybeck-Areal nicht stattfinden kann, ist bedenklich. Wir bedauern die Diener’sche Gesprächsverweigerung – und sind weiterhin offen für den Dialog.

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel

 

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