Ein Haus, wie ein Möbelstück

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An der Goldbergstrasse in Bubendorf wähnt man sich in der «Hüslischwiz», wie sie im Bilderbuch steht. Lustige Gartenzwerge, brave Ziegeldächer und gepflegte Vorgärten prägen das Bild. Aber halt! Neuerdings sorgt hier ein Dach aus rohem Zinkblech und eine dunkelbraun gestrichene Holzfassade für irritierte Blicke. «Es polarisiert», sagt Architekt Stefan Herzog, angesprochen auf die Reaktionen aus der Nachbarschaft. Das macht uns neugierig. Wir statten Bubendorf einen Besuch ab.

Wohnhaus für ein Paar in Bubendorf von Herzog Ritter Architekten © Lukas Gruntz / Architektur Basel

Von der Strasse ist die besondere Typologie des Hauses nicht ersichtlich. Markant ist hingegen das lange, ausgestülpte Vordach, das mit Zinkblech belegt ist. Die Typologie des Haues dahinter funktioniert als Fächer, der aus drei Schotten besteht. Damit werden einerseits die Wohnräume und Nutzungen zoniert und andererseits der Blick gezielt weg vom benachbarten Haus südwestlich in den Garten geleitet. Eine vis-a-vis-Situation sollte vermieden werden. Das ist gelungen. Beim Neubau handelt es sich um ein modernes «Stöckli», worin die Grosseltern umgezogen sind, um das bestehende Haus aus den 1940er-Jahren der nächsten Generation überlassen zu können. Sozial nachhaltig: Das Ensemble bildet sozusagen einen Mehrgenerationencluster.

Grundriss Erdgeschoss © Herzog Ritter Architekten

Im Innern angekommen wird sofort klar: Hier handelt es sich um einen Holzbau. Und zwar um einen Besonderen. Das Haus wurde als Vollholz-Bau ausgeführt. Es handelt sich um eine spezielle Bautechnik, die ursprünglich im österreichischen Vorarlberg entwickelt wurde – und später vom Innerschweizer Holzbauer Küng verfeinert und optimiert wurde. Holzbretter werden in versetzten Lagen zu einer Wand gefügt und mit Pressdübeln verbunden. Der Bauherrschaft war es wichtig, dass so wenig Leim wie möglich verwendet wurde. Das geht so weit, dass ein Küchenbauer engagiert wurde, der nur mit Steckverbindungen arbeitet – oder die Blätter der Innentüren ebenfalls verdübelt sind. Die Ausführungsqualität des Hauses ist beeindruckend. Das zeigt sich mitunter im Obergeschoss, wo die komplex ineinanderlaufende Dachgeometrie millimetergenau zusammenfindet. Oder beim eigens entworfenen Holzgriff der Schiebetüren. Der Schreibende staunt – und ruft innerlich aus: «Ein Königreich für diese handwerkliche Präzision auf meiner Baustelle!»

Wohnhaus für ein Paar in Bubendorf von Herzog Ritter Architekten © Lukas Gruntz / Architektur Basel

Die Vollholz-Bauweise hat den Vorteil, dass keine Wandverkleidungen nötig sind. Im Gegenteil: Die handverlesene Auswahl der Sichtbretter in Fichte ist hochwertig – und schafft ein tolles Raumklima. Im Erdgeschoss kontrastiert der Bodenbelag aus einem dunkel eingefärbten Hartbeton, der nachträglich geschliffen wurde. Im Obergeschoss wurde der Boden mit grossen Fichten-Riemen belegt. Für Holzliebhaber ist das Haus ein Traum. Wer die präzise eingefügte, gewendelte Holtreppe hochsteigt und die bündig in die Decke eingelegte Leuchte erblickt, stellt sich unweigerlich die Frage: Ist das ein Haus? Oder ein Möbelstück? Eine hochwertige Hausschatulle!

Wohnhaus für ein Paar in Bubendorf von Herzog Ritter Architekten © Lukas Gruntz / Architektur Basel

Wo andernorts ganze Häuser aus dem 3D-Drucker kommen oder mit Robotern gebaut wird, zelebriert das Haus von Herzog Ritter Architekten das Handwerk! Und zwar auf allen Ebenen. Das zeigt sich auch im Äusseren, wo die geometrisch komplexen Spenglerarbeiten in Zinkbleck punktgenau sitzen. «Die ist etwas wilder», sagt Stefan Herzog als wir im Garten stehen und die Rückfassade betrachten. Tatsächlich passiert hier etwas viel: Diverse Fensterformate, Speier, Rinnen, Balkongeländer und die sperrigen Vordächer lassen das Haus im Gegensatz zur Strassenseite etwas unruhig erscheinen. Letztlich entspringt die formale Überfrachtung dem innenräumlichen Reichtum. Insofern stellt sich die Frage, ob eine thematische Reduktion sinnvoll gewesen wäre. In der «Hüslischwiz» ist das Haus bei aller Komplexität ein wertvoller, baukultureller Beitrag. Oder wie eine in der Nachbarschaft wohnhafte Architektin Stefan Herzog verriet: «Endlich wurde in Bubendorf mal wieder ein gutes Haus gebaut.» Dem schliessen wir uns an.

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel


Wohnhaus für ein Paar
Bubendorf BL, 2019-2020
Bauherrschaft: Privat
Architektur: Herzog Ritter Architekten, Basel
Planung: 2018-2019
Ausführung: 2020
Bauweise: Vollholzelementbau

Situationsplan © Herzog Ritter Architekten

 

 

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