PETITION GAV ARCHITEKTUR

Ein Raumschiff namens BIZ

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Mr. Spock betritt den Konferenzraum mit seinen textilbezogenen Wänden und kreisrunder Deckenleuchte. „Logik ist der Anfang aller Weisheit, nicht das Ende“, sagt der Commander in ernstem Ton in die Runde. Wenn man die historischen Fotos des Konferenzraums im BIZ-Hochhaus anschaut, wähnt man sich im Raumschiff Enterprise. Ein Zufall? Wenige Jahre vor dem Bau war die Science-Fiction-Fernsehserie im deutschsprachigen Fernsehen mit grossem Erfolg angelaufen. Sie sollte sich zum popkulturellen Phänomen entwickeln. Ob die Architekten von Burckhardt+Partner damals ebenfalls Science Fiction-Fans waren, wissen wir nicht. Ihr 69 Meter hoher Turm am Centralbahnplatz widerspiegelt auf jeden Fall – wie kaum ein zweites Bauwerk in Basel – den Zeitgeist der 1970er-Jahre.

Konferenzraum im BIZ-Hochhaus © Archiv Burckhardt+Partner

Bauen im internationalen Vergleich
Baukulturelle Verortung? Zweitrangig. Das Hochhaus ist ein später Zeuge einer internationalen Moderne, die für regionale Gegebenheiten, für historische Spuren kaum Interesse zeigte. So schrieb die BaZ in einer Sonderbeilage zur Eröffnung: „Die schweizerische und baslerische Bauindustrie sind den Absichten der Gestaltung in einer Weise gefolgt, welche jedem internationalen Vergleich standhält.“ Die Postmoderne sollte der Auseinandersetzung mit der Stadt, dem Ort, kurz darauf neues Leben einhauchen. Man sieht das BIZ-Hochhaus – und hört Spock sagen: „Alles was ich kenne, ist Logik.“ Tatsächlich ist das Hochhaus in sich ein äusserst stringentes, konsequent gestaltetes Bauwerk. Strukturell besteht es aus einem zylindrischen Kern, der sämtliche Nebenräume, Treppen, Aufzüge und Steigzonen beinhaltet – und zwölf tragenden Stahlstützen, die sich in der Fassadenebene befinden. Die radial organisierten Bürogeschosse werden also in 12 Hauptachsen gegliedert, die wiederum in fünf Abschnitte unterteilt sind. Das ergibt ein Grundrisssystem, worin Raumgrössen flexibel angepasst werden können. Die vorfabrizierten, eloxierten Aluminium-Fassadenpaneele mit integrierter Steinwoll-Dämmung und ihrer charakteristischen hellbraunen Farbe fügen sich in fünf Segmenten zwischen die Hauptpfeiler und bilden dadurch das radiale System gegen aussen ab.

Grundriss BIZ Hochhaus erbaut 1976 © Burckhardt+Partner

Grundriss BIZ Hochhaus erbaut 1976 © Burckhardt+Partner

Hyperboloid – eine geometrische Meisterleistung
Als ob die Kreisform nicht genug anspruchsvoll wäre, entschieden sich Burckhardt+Partner für eine leichte Taillierung des zylindrischen Volumens. Die konkave Fassade lässt den Turm eleganter erscheinen. Eine geometrische Meisterleistung, wie der etwas kryptische Projektbeschrieb der Architekten verdeutlicht: „Das Hyperboloid, dessen geometrischer Aufbau einerseits durch die von den tragenden Stahlstützen und den addierten verglasten Metallelementen gekennzeichneten vertikalen modularen Linien, andererseits durch die Drehung der Hyperbel um ihre Achse verdeutlichenden kreisförmigen Deckenplatten dargestellt wird, vermittelt primär die formalisierte Erscheinung des Hüllensystems.“ Die Form des Hyperboloids forderte die Fassadenplaner heraus. Der modulare Achsabstand der Fassadenpaneele variiert aufgrund der konkaven Form je nach Geschoss – von 1.32 Meter im 12.OG bis 1.49 Meter im 2.OG.

Schnitt BIZ-Hochhaus © Burckhardt+Partner

„basierend auf den überlieferten Gesetzen harmonischer Proportion“
Hinter dem markanten Dachabschluss befinden sich die Klimazentrale und der Liftmotorenraum. Im Schaft des Turms sind sämtliche Büros untergebracht. Der markante Sockel, der teilweise mit Muschelkalksteinplatten bekleidet wurde, beinhaltet das grosse Auditorium samt Foyer, eine Bibliothek, ein Restaurant sowie Räume für Dolmetscher, die die zahlreichen Tagungen und Konferenzen begleiten. Die funktionale Verteilung und Organisation ist schlüssig. Wie der BaZ-Beilage zur Eröffnung zu entnehmen ist, verfolgten die Architekten höhere gestalterische Absichten: „Anknüpfend an der Grundidee „vegetativer Baukunst“ haben die Architekten versucht, mit Materialien natürlicher Struktur und Farbe, basierend auf den überlieferten Gesetzen harmonischer Proportion dem Gebäude eine ruhige, zurückhaltende Atmosphäre zu geben, in welcher sich lebendiges Geschehen natürlich abspielen kann.“ Natürlich? Rückblickend mag man ob dieser Worte schmunzeln. Wenn man den Blick in den Korridor mit seinem Spannteppich, textilbezogenen Wänden und linearem Wallwasher-Streiflicht wirft, sieht das doch mehr nach artifiziellem Hollywood-Filmset als nach „vegetativer Baukunst“ aus. Was der gestalterischen Qualität jedoch keinen Abbruch tut – ganz im Gegenteil.

Korridor im BZ-Hochhaus © Archiv Burckhardt+Partner

Symbiose aus Intellekt und Disziplin
„Ich widerspreche Intellekt ohne Disziplin, ich widerspreche Macht ohne konstruktives Ziel“, verkündet Commander Spock mit ernster Miene. Tatsächlich verkörpert das BIZ-Hochhaus beides: Intellekt und Disziplin bezogen auf die stringente architektonische Gestaltung und Macht mit konstruktivem Ziel bezogen auf die Tätigkeiten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die „Zentralbanken in ihrem Streben nach Währungs- und Finanzstabilität“ zu unterstützen sucht. Das Hochhaus ist aber auch eine Enklave mitten in der Stadt. Die Grundstücke, Gebäudeteile sowie die Angestellten der BIZ unterliegen der schweizerischen Hoheitsgewalt nur eingeschränkt. Und so bleibt das Geschehen, das sich hinter der Alu-Glasfassade abspielt, für manch eine BaslerIn im Verborgenen. „Es ist keine Lüge, wenn man die Wahrheit für sich behält“, bemerkt Mr. Spock trocken.

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel


BIZ-Hochhaus © Archiv Burckhardt+Partner

Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ
Adresse: Centralbahnplatz 2, Basel
Architekten: Burckhardt+Partner Architekten
Baujahr: 1972-1976
Funktion: Büro / Konferenz

Literatur
1          Das Werk: „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ, Basel“, Band 63, Heft 11, 1976.
2          Beilage der «Basler Zeitung»: „Ein neues Wahrzeichen Basels“, 9. Mai 1977

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