Sieben Fragen an lilitt bollinger studio aus Basel zu ihrem ‹Haus in Obstalden›

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AB: Wie hat sich dieser Auftrag ergeben und wie war der Umgang zwischen Bauherrschaft und Ihnen als Architektin?
Lilitt Bollinger: „Vor ein paar Jahren haben wir im Urlaub in Chile am Strand Schweizer Auswanderer kennengelernt, die wir danach erneut besucht haben. Zu diesem Zeitpunkt wollten sie wieder in die Schweiz zurückkehren, wo sie das Haus ihrer Grossmutter kaufen konnten. Das war ursprünglich ein Stall, welcher von den Grosseltern in den 80er Jahren zu einem Ferienhaus umgebaut worden war. Da wollten sie ihr Badezimmer renovieren. Weil ich gerade mit meinem letzten Projekt fertig war und es ihnen gefiel, kam es zum Auftrag für eine Studie, in der ich aufzeigen konnte, was man mit dem Haus machen könnte. Es war schon eine Freundschaft da, welche auch geblieben ist. Sie hatten sehr schnell grosses Vertrauen. Es war fast schon paradiesisch für mich als Architektin, denn ich konnte sie fast immer dazu bringen, das gutzuheissen, was ich für richtig hielt.“

Wie sind Sie beim Entwurf vorgegangen? Wie haben Sie das architektonische Konzept entwickelt, unter Aspekt welcher gestalterischen Themen?
„Der Umbau hat sich aus dem Ort und der bestehenden Architektur heraus entwickelt. Die Idee war es, Elemente des ehemaligen Stalles mit seiner Einfachheit wieder hervorzuheben. Dank der selbsttragenden Struktur des Dachstuhls konnte man das Erdgeschoss freilegen. Zur Strasse hin gab es ein Tor für die Heulagerung, welches die Grossmutter damals geschlossen hatte. Diese Öffnung habe ich wieder hergestellt, welche nach Süden und gegen den Berg geöffnet ist. Gleichzeitig wurde die nördliche Fassadenseite vollständig geöffnet, um den Blick auf das umwerfende Panorama zu öffnen. Einige bestehende und eigentlich unpassende Elemente habe ich bewusst belassen: sie bleiben im Raum stehen als Zitate der vergangenen Umbauten. Weil sie in einer Art Collagentechnik aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgenommen wurden, entwickeln sie eine eigene Aesthetik wie zum Beispiel das Küchenfenster mit den ockerfarbenen Plastikstreben.
Die Farbgebung entstand intuitiv. Ein Tag lang wurde zusammen mit dem Schreiner Farben gemischt für die Beize, bis ich überzeugt war, die richtige Farbe gefunden zu haben. Im Nachhinein kann ich natürlich Erklärungen für Inspirationen liefern: So grün wie die wechselnde Farbe der Wälder und des Sees, so schwarz wie die alten Scheunen in der Umgebung und so braun wie die Farbe des Holzes, übersetzt in die moderne Sprache der heutigen Plattenmaterialien.

Welche Herausforderungen haben sich bei der Planung und Realisierung gestellt?
„Einerseits hatten wir kleines Budget und doch ein grosses Haus mit etwa 110 Quadratmeter Grundfläche. Letztlich haben wir sogar beide Geschosse umgebaut für einen Kubikpreis von 700.-. Der ursprüngliche Stall hatte wenig Substanz und war mehr eine Art Bretterverschlag. Die Grossmutter hatte es relativ unsanft zu einem Ferienhaus umgebaut, mit geringer Raumhöhe, zum Teil mit Backsteinwänden und viel Täfer. Es gab wenig, was man einfach so nutzen konnte. Ich habe versucht, möglichst vieles, was in den 80er eingebaut wurde, auszuräumen, alle kleinen Raumkammern zu öffnen. Um möglichst günstig zu bauen, wollte ich den gesamten Holzbau mit einem Zimmermann machen, also auch die zahlreichen Einbaumöbel. Das kam durch Vermittlung des Bauherren zu Stande, zeigte sich jedoch als schwierige Beziehung. Der Zimmermann konnte und wollte die Architektur nicht verstehen. Den Auftrag für sämtliche Möbel haben wir ihm wieder entzogen, was das Budget in die Höhe getrieben hat, aber zu einem sehr schönen Innenausbau geführt hat.“

Wie sind Sie zur Architektur gekommen? Was war ein wichtiger Moment während Ihrem Studium oder dem Berufsleben?
„Ich war vorher Designerin und kam an den Punkt, wo ich etwas ganz anderes ausprobieren wollte. Mein Partner und viele Freunde sind Architekten. Ich war stets beeindruckt, was sie alles zu erzählen haben und so kam ich zum Entschluss Architektur zu studieren. Das Studium war wahnsinnig spannend und vielseitig. Ich war schon älter, als ich studierte und da ist man eher noch ehrgeiziger und versucht, alles Wissen in sich aufzusaugen. Doch nach dem Studium habe ich gemerkt, dass das fast schon ein bisschen bulimistisch ist, so viel Information konnte ich kaum verarbeiten. Ich brauchte ein paar Jahre, um zu verstehen, was und wie ich eigentlich bauen möchte. Bei den Büros, wo ich vorher gearbeitet hatte, war ich nicht allzu lange und somit nie in der Ausführung tätig. Auf der Baustelle bin ich immer noch eine Anfängerin und jedes Mal wieder mit etwas Neuem konfrontiert. Meinen ersten Umbau habe ich deshalb mit einem erfahrenen Architekten zusammen gemacht. Beim Umbau in Obstalden fühlte ich mich bereit und traute mich alleine an die Sache ran.“

Wie würden Sie ihren architektonischen Stil beschreiben? Ist dieser geprägt von anderen Architekten?
„Schwierige Frage. Ich kann und mag nicht beurteilen, welchen Stil ich habe. Ich kann höchstens sagen, was mich interessiert: Materialität, Raumstimmungen, Klarheit der Räume, die Arbeit mit Licht. Architekten, welche mich interessieren, gibt es sehr viele. Gleichzeitig aber habe ich während dem Studium gelernt, dass ich nicht zu sehr darauf schauen darf, was andere machen. Trotzdem beeinflusst es einen und man hat plötzlich Ideen im Kopf, weiss aber selber nicht genau, woher die kommen. Ich finde zurzeit die kleinen, „unbedeutenden“ Bauaufgaben spannend, welche viel grössere Freiheiten in Entwurf und Umsetzung bieten.

Kann Architektur einem politischen Zweck dienen?
„Architektur formt unsere Umwelt, wie wir arbeiten und wohnen, darum ist sie immer politisch. Ich finde, man sollte grundsätzlich politisch aktiv sein, nicht unbedingt im Sinne, dass man selber in die Politik einsteigt – das ist eine eigene Berufsgattung – aber indem man sich informiert und am Diskurs teilnimmt.

Wie entwickelt sich Basel im Moment?
„Eigentlich ist Basel eine sehr interessante und aktive Stadt. Architektur ist sehr präsent und wird diskutiert. Es gibt ein Gleichgewicht zwischen ‹Neu› und ‹Alt›. Leider sind die Grossbaustellen, wie zum Beispiel das Erlenmatt-Areal, wo man neue Sachen ausprobieren könnte, meist in der Hand von Investoren und die Architekten können wenig Einfluss nehmen. Das hat nicht direkt mit Basel an sich zu tun, sondern vielmehr damit, wie heute Geld investiert wird. Mich stört dabei weniger die Gewinnorientierung, als das Resultat, dass der Wohnraum oft wenig Qualität hat.“

Architektur Basel dankt Lilitt Bollinger für das erkenntnisreiche Interview und gratuliert zum 2. Platz beim diesjährigen Foundation Award. Wir freuen uns, über ihre kommenden Projekte zu berichten.

Infos: www.lilittbollinger.ch

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