Die Geometrie der dreieckigen, im Süden spitz zulaufenden Parzelle am Allschwilerplatz war für die Architekten Burckhardt+Partner eine denkbar schwierige Ausgangslage, als sie anfangs der 1960er-Jahre vom „Gemeinützigen Verein für ein Altersheim Oekolampad“ mit der Aufgabe eines Neubaus betraut wurden. Angespornt von den schwierigen Umständen entwickelten sie eine bemerkenswerte Typologie, die nach aussen als expressive Sichtbetonfassade in Erscheinung tritt.
Hat jemand Sichtbeton gesagt? Wer heute vor dem Gebäude an der Allschwilerstrasse 73 steht, den beschleicht ob der architektonischen Darbietung ein gewisse Ernüchterung. Die Wandflächen der Fassade wurden in eigenartig-biederem Grüngelb gestrichen. Der Sichtbeton der auskragenden Balkone wurde von fleissigen Malern grau überpinselt. Und noch schlimmer: Das elegante, originale Stahlgeländer wurde mit Plastik-Efeu kaschiert – oder eher getarnt. Die banalisierende Renovation fern von jedem denkmalpflegerischen Anspruch nimmt der Fassade ihre architektonische Kraft.
Zum Glück hat die Typologie überdauert. Der Grundriss ist eine clevere Verschränkung von drei Alterswohnungen mit eigenem Bad und Küche und sechs Pflegezimmern. Diese gekonnte programmatische Verbindung von Pflege mit selbständigem Alterswohnen war damals zukunftsweisend. Die geometrische Fortsetzung der Fassadenflucht der Allschwilerstrasse in Form von ausgeknickten, gestaffelten Balkonen gegen Norden und Süden schafft für jedes Zimmer eine eigene Ecksituation. Alle Bewohner erhalten dank diesem typologischen Kniff einen stärkeren Bezug zum öffentlichen Raum. Ausserdem können die nordorientierten Wohnungen so ein wenig Westsonne einfangen. „Mit Leichtigkeit konnte vor jedem Zimmer und jeder Wohnung ein individueller Balkon angeordnet werden“, schrieben die Architekten damals über ihren Bau.
Im Erdgeschoss befinden sich strassenseitig der Speisesaal und zum Hof hin die Hauptküche. An die Eingangshalle angegliedert ist ein Büro mit Empfang. Die rigide, relativ kleinteilige Struktur der Obergeschosse findet im Erdgeschoss eine eher unbefriedigende Fortsetzung. Man vermisst ein grosszügiges Ankommen, einen räumlichen Bezug zum hofseitigen Garten. Funktionalität wurde hier etwas gar wörtlich genommen, was wohl dem architektonischen Zeitgeist der 1960er-Jahre geschuldet ist. Gekrönt wird das Haus von einer Attikawohnung für die „Verwalter“-familie und einem „Dienstzimmer“.
Das Sechser-Tram fährt klingelnd vor. Ein rothaariger Junge steigt aus und sagt zu seiner Mutter: „Lueg mol, Mami! Das Huus do seht wie e Gmiesraffle uus.“ Tatsächlich. Man könnte von der Gemüseraffel am Allschwilerplatz sprechen. Die skulptural-gestaffelte Fassade verleiht dem Haus ein unverwechselbares Gesicht. Wobei der Schreibende sich wünschen würde, dass es einst wieder abgeschminkt werden – und zurück zu alter Schönheit finden könnte.
Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel
Altersheim am Allschwilerplatz
Adresse: Allschwilerplatz, Basel
Architekten: Burckhardt+Partner
Baujahr: 1963-64
Funktion: Wohnen
Literatur
1 Das Werk: „Altersheim Oekolampad in Basel“, Band 54, Heft 3, 1967.