Ehemalige Haas’sche Schriftgiesserei Münchenstein| Baselbieter Baukultur #40

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Schrift ist nicht gleich Schrift. Bis 1450 wurden Bücher von Hand geschrieben und vervielfältigt. Johannes Gutenbergs Buchdruck mittels beweglichen Lettern revolutionierte die Herstellung und Verbreitung von Medien weltweit. Die Region Basel war von Beginn weg vorne mit dabei; die Familie Genath führte in Basel eine Druckerei mit eigener Schriftgiesserei. Nach drei Generationen übernahm Johann Wilhelm Haas 1740 das Unternehmen und leitete den Betrieb fortan unter seinem Namen.

Die Firma entwickelte stets bessere Verfahren zur Herstellung und machte sich europaweit einen Namen. Bald schon reichten die Räumlichkeiten in der Stadt nicht mehr aus. Der Architekt Karl Gottlieb Koller entwarf ein auf die Firma und die internen Abläufe zugeschnittenes Industriegebäude. Entgegen den rationalen und zweckorientierten Bauten der Industrialisierung, überrascht die Anlage in mit einer unverwechselbaren fast klösterlichen Erscheinung.

Ehemalige Haas'sche Schriftgiesserei, Münchenstein © Architektur Basel

Ehemalige Haas’sche Schriftgiesserei, Münchenstein © Architektur Basel

Das zweigeschossige Fabrikgebäude besteht aus um einen rechteckigen Hof angeordneten Einzelgebäuden. Jedes Haus verfügt über ein parabelförmiges Kreuzgratgewölbe mit Dachfenstern in den Zwickeln. Entgegen des äusseren Bildes, fügen sich die fünf Häuschen pro Hofseite im Inneren zu einer fast durchgängigen Produktionshalle zusammen. Das allseitig gleiche Bild der aneinander gefügten Gewölben wird durch die Zufahrt im Osten unterbrochen. Ab 1921 produzierte die Haas’sche Schriftgiesserei in Münchenstein.

Ehemalige Haas'sche Schriftgiesserei, Münchenstein © Architektur Basel

Ehemalige Haas’sche Schriftgiesserei, Münchenstein © Architektur Basel

Entworfen wurde die einzigartige Anlage für eine Belegschaft von 50-60 Personen. In den Hochzeiten des Betriebs arbeiteten in Münchenstein fast 120 Leute für die Firma. Einer davon war Eduard Hoffmann, ab 1937 Geschäftsführer. Der Grafiker Max Miedinger entwickelte zusammen mit Hoffmann die Schriftart «Neue Haas Grotesk», auch bekannt unter dem Namen «Helvetica». Zufall oder Schicksal? Sowohl die Schriftart als auch das Gebäude sind von grosser Bedeutung. Die Anlage wird heute durch eine Privatschule genutzt, steht aber unter Denkmalschutz. Als eines der ersten betonierten Gebäude in der Region Basel, dürfte die ehemalige Haas’sche Schriftgiesserei an der Gutenbergstrasse auch von nationalem Interesse sein.

Ehemalige Haas’sche Schriftgiesserei
Funktion: Industrie (heute: Schule, Kindergarten, Büro)
Adresse: Gutenbergstrasse 1, 4142 Münchenstein
Baujahr: 1921
Architektur: Karl Gottlieb Koller


Text:
– Simon Heiniger / Architektur Basel
Fotos:
– © Börje Müller Fotografie
– Simon Heiniger / Architektur Basel
Quellen:
– Hasche, K. & Hanak, M. (2010), Bauten im Baselbiet: eine Architekturgeschichte mit 12 Spaziergängen, Schwabe AG, Basel. ISBN: 978-3-7965-2664-0

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