„Nein, Schönheit ist recht objektiv.“

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Es ist eine eigenartige Erscheinung an der freien Strasse. Das Haus fällt aus dem Rahmen. «Ein Gebäude, das mir auf meinen Rundgängen sofort auffiel», bemerkte S AM-Direktor Andreas Ruby vor fünf Jahren. «Mit der Feinheit seiner Details und seiner Frische ist er eines der wenigen Beispiele postmoderner Architektur, das ich richtig gut finde.» Als «Auftakt und Einzelfall» wird das Haus im Basler Architekturführer von Dorothee Huber bezeichnet. Der Neubau löste nach seiner Fertigstellung 1978 «Überraschung, Entrüstung – und auch Begeisterung» aus. Das Geschäftshaus Sodeck stammt aus der Feder von Marcus Diener, wobei auch Sohn Roger Diener, Wolfgang Schett, Dieter Righetti und Walter Zürcher daran arbeiteten. Ein kontroverses Haus – bis heute. Das bewies kürzlich eine angeregte Diskussion in unserer ArchiBasel-Community. Barbara Seiler und Winfried Hermann kreuzten dabei die Klingen. Ein unterhaltsamer, rhetorischer Schlagabtausch, den wir euch nicht vorenthalten wollen.

Haus Sodeck, Diener & Diener, 1978 © Torsten Geist

Winfried Hermann: „Als man das alte Haus wohl um 1890 – 1900 (1898 von Rudolf Linder und Vischer van Gaasbeck; Anm. d. Red.) baute, musste man sicher auch ein Vorgängergebäude abreissen. Gut, damals gab es kein Internet und es konnte nicht jeder seinen Senf öffentlich dazu abgeben. Egal, ob Ahnung davon oder nicht. Aber ich bin sicher: Es gab auch damals Leute, die das alte Haus schöner fanden und das neue hässlich und ein «Verbrechen». Die Zeiten ändern sich, die Menschheit hat sich verändert – und tut es weiter und damit ihre Bedürfnisse und die Anforderungen an Architektur. Mit der Einstellung «früher war alles schöner und alles von heute ist hässlich und schlecht» würden wir zum Scheissen immer noch in den Hinterhof gehen und hätten weder Heizung noch fliessendes Wasser in unseren Wohnungen.“

«Wir bleiben nicht stehen, und so schön und dekorativ der Zuckerbäckerstil sein mag, er ist nicht zeitgemäss und nicht mehr überall angebracht.»

Barbara Seiler: „Was Architektur betrifft, stimmt es leider: Früher war es viel schöner. Das heisst ja nicht, dass ich auf Modernes wie Internet oder WC oder Kühlschrank verzichten will. Aber es gäbe grundsätzlich keinen Zwang, dies alles in seelenlose Glas- Stahl-Betonwürfel zu verpacken.“

WH: „Man hat im alten Rom anders gebaut als vor 4000 Jahren in Ägypten, in der Renaissance anders als im «finsteren Mittelalter», und im Barock wieder anders. Die Zeiten ändern sich, die Menschen auch und damit der Geschmack und die Moden. Wir bleiben nicht stehen, und so schön und dekorativ der Zuckerbäckerstil sein mag, er ist nicht zeitgemäss und nicht mehr überall angebracht. Nicht zuletzt hätte man ja die Möglichkeit, Geld einzusammeln und die schönen alten Bauten vor den Investoren zu retten. Es ist nun mal so: wer zahlt, schafft an. Dem Investor hier gefiel der Entwurf von Diener & Diener nun mal besser als der alte Bau. Ich kenne das Haus seit über 40 Jahren, es ist selbst schon fast ein Klassiker.“

BS: „Es geht nicht nur um Geschmack und Moden. Es geht um Funktionalität – was auch psychische Bedürfnisse wie zum Beispiel das Bedürfnis nach Schönheit umfasst – es geht um Wohnlichkeit und Lebensqualität. das ist nicht beliebig oder zufällig, da gibt es schon objektiv feststellbare Sachverhalte zu beachten. Die leider in der modernen Architektur weniger beachtet werden als im ganzen Rest der Menschheitsgeschichte. Mittelalterliche Häuser zeigen, dass auch schlicht und einfach schön sein kann.“

„Nein, Schönheit ist recht objektiv. Sie hat mit Gliederung und Proportionen zu tun, also Dingen, die in moderner Architektur grösstenteils abwesend sind.»

Haus Sodeck von Rudolf Linder und Vischer van Gaasbeck, 1898 © Staatsarchiv Basel-Stadt

WH: „ … und Schönheit liegt im Auge des Betrachters, ist dem Zeitgeschmack unterworfen. Es gibt Leute, die die moderne Architektur schön und ansprechend finden, die als hässlich empfinden. Ich beende das hier für mich. Ich finde in jeder Epoche Architektur, die mich anspricht und die ich schön finde, und ich lasse mir nicht vorschreiben, die Moderne abzulehnen.“

BS: „Nein, Schönheit ist recht objektiv. Sie hat mit Gliederung und Proportionen zu tun, also Dingen, die in moderner Architektur grösstenteils abwesend sind. Einfach mal beim nächst besten Kiosk gucken, welche Motive abgebildet sind… kaum je was Neues – ausser vielleicht der Roche Turm, der es in Null Komma Nix zur prägnanten Landmarke schaffte.“

 

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