Nur keine Panik

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«Nur keine Panik. Architektur wird überschätzt.» Mit diesen Worten beginnt ein lesenswertes Essay des österreichischen Architekten Hermann Czech. In Anbetracht der aktuellen Weltlage – Krieg und Klimakrise – scheint die Panik manchmal greifbar nahe. Umso wichtiger ist der Optimismus. Das hat unser Gespräch mit Kantonsbaumeister Beat Aeberhard gezeigt. Er sagte: «Ich bin optimistisch. Ich glaube an Lösungen.» Wir fragen: Reicht das? In seinem Kommentar fasst unser Redaktor Lukas Gruntz seine Perspektive fürs Klybeck-Areal zusammen.

Das Leitbild von klybeckplus hat eine grosse Stärke: Es verspricht ein breites Angebot an öffentlichem Grün- und Freiraum. Das ist für eine Arealentwicklung in Basel in diesem Ausmass aussergewöhnlich. Das gilt sogar in der dritten Dimension: Fast alle Dachflächen sollen für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Aber auch im übergeordneten Massstab verspricht das Leitbild einen ökologischen Mehrwert: Zwischen Wiese und Rhein entsteht ein «ökologischer Vernetzungskorridor». Die Klybeckmatte wird zum Volkspark für das ganze Kleinbasel. Insgesamt sollen 1’800 Bäume gepflanzt werden. Die angestrebte «Biomassendichte» ist hoch. Als eine der Referenzen für das Baumdach der «Esplanade» dient der Petersplatz in Basel. Einer der schönsten Plätze unserer Stadt. Vogt Landschaftsarchitekten haben ganze Arbeit geleitstet. Die Bearbeitungstiefe der Freiräume ist bemerkenswert. Auf dieser Ebene ist das Leitbild mehrheitsfähig.

© Architektur Basel / Armin Schärer

Die politische Debatte wird sich um Nettonull und Wohnraum drehen. Dass von letzerem gemäss Leitbild 25% gemeinnützig sein soll, ist ein Achtungserfolg für die Behörden. In Anbetracht der Initiative «Basel baut Zukunft» ist es dennoch zu wenig. In einem mehrheitsfähigen Gegenvorschlag müssten mindestens ein Drittel genossenschaftlicher Wohnungen festgeschrieben werden. Es irritiert zudem, dass die Abgabe von Land im Baurecht bisher nicht vorgesehen ist. Die argumentative Zögerlichkeit ist unverständlich. Da wird taktiert. Die Frage der Landabgabe ist wichtig: Die Stärke des Genossenschaftsmodells basiert darauf, dass auf das für die Erstellung notwendige Eigenkapital keine Rendite anfällt. Das garantiert langfristig günstige Mieten. Es steht die Idee im Raum, dass Rhystadt oder Swiss Life selbst Genossenschaften gründen. Das ist ein diskussionswürdiger Vorschlag. Wichtig wäre dabei die Einhaltung des Prinzips der Kostenmiete – und die Mieterinnen und Mieter sollen Genossenschafter, also Miteigentümer samt Mitbestimmungsrecht, werden. Genossenschaft bedingt Demokratie.

Beat Aeberhard wurde im Gespräch mit uns nicht müde zu betonen, dass es sich um einen Zwischenstand der Planung handle. Man solle das Modell und die Pläne nicht allzu wörtlich nehmen. «Das wird sich tatsächlich weiterentwickeln. So viel kann ich dir versprechen.» In der Tat steht die Präzisierung vieler städtebaulicher Fragen erst an. Die Anzahl der Hochhäuser sollte in Anbetracht der Klimakrise nochmals kritisch hinterfragt werden – ebenso der Anteil zu erhaltender Bestandesbauten. Hier müssen vor allem Rhystadt und Swiss Life einen Schritt in Richtung eines ökologischen Stadtumbaus machen.  Der vorgesehene, grossflächige Abbruch gilt es zu überdenken. «Basel wächst – die Stadt und ihr Umland sind als Wohn- und Arbeitsort äusserst attraktiv. Bestehende Firmen expandieren, neue siedeln sich an, und immer mehr Menschen lassen sich am Rheinknie nieder», liest man im Leitbild. Letztlich geht es um die Frage des «gesunden» Wachstums. Sind Wohnraum für 8’500 Menschen und 7’500 Arbeitsplätze genug? Oder ist es zu viel? Wie viel Wachstum erträgt unsere Stadt? Und unser Klima? Es sind politisch unpopuläre Fragen, denen die Debatte ebenso gebührt – und am Ende über ein Ja oder Nein entscheiden werden. Ich erinnere mich noch gut an die knappe Abstimmungsniederlage zur «Stadtrandentwicklung Basel Ost» vor acht Jahren.

© Kanton Basel-Stadt, Rhystadt AG, Swiss Life AG

«Nur keine Panik. Architektur wird überschätzt.» Es lohnt sich Czech wiederzuentdecken. Seine Gedanken zum Umbauen und Bauen im Bestand sind aktueller denn je. Eine Prise davon würde auch dem Klybeck guttun. Unkritisches Schulterklopfen unter Kollegen bringt unsere Stadt hingegen keinen Schritt weiter – oder um Matthias Ackermann zu zitieren: „Kultur ist Auseinandersetzung!“ Es braucht die Debatte – über die Esplanade, über Hochhäuser, über Freiraum, über Rendite, über Wachstum. Das Leitbild ist eine Hypothese. Nur keine Panik.

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel

Literatur
Czech, Hermann: «Nur keine Panik», in: protokolle, 1971, Wien/München.

 

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