Rationalität und Logik vereint in Stahlbeton und Glas

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Adolf Behne lehnt lässig am Betonwürfel neben dem Eingang des Biozentrums der Universität Basel. „Das gebaute Haus wächst weder, noch stirbt es“ (1), sagt er und blickt gedankenverloren auf das imposante Gebäude an der Klingelbergstrasse. Ein rationales Haus? Eine funktionale Struktur? Ein moderner Zweckbau?

Biozentrum Universität Basel von Burckhardt+Partner © Architektur Basel

Biozentrum Universität Basel von Burckhardt+Partner © Architektur Basel

Die Fassade geteilt durch fünf Fensterfelder à 1.50 m ergibt ein Achsmass von 7.50 m, welches das Tragwerk in Längsrichtung definiert. Neun Achsen ergeben eine Gebäudelänge von 67.50 m – zuzüglich Putzbalkon an der Stirnfassade von 1.50 m. In Querrichtung bestehen drei Raumschichten: Aussen je 7.55 m, in der Mitte 11.50 m breit. Die Gebäudehöhe beträgt 44.01 m. Untergebracht in drei Kernen sorgen sieben Aufzüge und zwei Treppenhäuser für die vertikale Erschliessung – und gleichzeitig sorgen die Kerne für die Aussteifung der Betonstruktur. „Das Haus ist Mathematik und weil es Mathematik ist, d. h. Gesetz, Ordnung, Reinheit, Gesundheit und Folgerichtigkeit (…)“, sinniert Behne. Das Biozentrum ist ein Haus der Naturwissenschaften: Rationalität und Logik vereint mit Stahlbeton und Glas wurden im Jahre 1971 von Burckhardt+Partner in architektonische Form umgemünzt.

Biozentrum Universität Basel von Burckhardt+Partner © Architektur Basel

Biozentrum Universität Basel von Burckhardt+Partner © Architektur Basel

„Ist der Bau Teil eines gebauten Ganzen, so erkennt er bestimmte, allgemein gültige Regeln an“, bemerkt Behne als wir zwischen Achse H und G das eindrückliche Gebäude betreten. Über den Windfang gelangt man in die Eingangshalle. Links geht’s in die Cafeteria, geradeaus erreicht man die Aufzüge und die Haupttreppe. „Es ist immer noch der Mensch, der Raum zu Raum ordnet.“ Die dunklen Aufzugstüren werden von schlichtem, brettergeschaltem Sichtbeton gerahmt, wodurch sich der tragende Kern manifestiert.

Grundriss Erdgeschoss Biozentrum Universität Basel © Burckhardt+Partner

Grundriss Erdgeschoss Biozentrum Universität Basel © Burckhardt+Partner

Das Einzige, was hier eine gewisse Extravaganz ausstrahlt, ist der Boden aus Travertin. Sehenswert ist zudem die Haupttreppe, die Schlichtheit mit Eleganz verschmelzen lässt. Auf zwei Beton-Untergurten sind die Tritte in Form von massiven Travertinplatten befestigt. Das zeitlos-schlichte, schwarze Stahlgeländer wurde zur Befestigung direkt in die Travertinplatten geschraubt. Die Zwischenpodeste liegen auf expressiv-auskragenden Betonkonsolen auf.

Biozentrum Universität Basel von Burckhardt+Partner © Architektur Basel

Biozentrum Universität Basel von Burckhardt+Partner © Architektur Basel

Der zweigeschossige Sockel beherbergte ursprünglich neben diversen Vorlesungssälen, eine grosse Bibliothek, sowie die Energiezentrale. Darüber befinden sich sechs Laborgeschosse. Durch das runde Fenster in der roten Türe erhaschen wir einen Blick in ein Labor. „Einseitige Zweckerfüllung führt zu Anarchie.“ Der Raum quillt über vor Reagenzgläsern, Ampullen, Pipetten, Messgeräten und sonstigen Biochemiker-Utensilien. Das Haus als Organismus?

Biozentrum Universität Basel von Burckhardt+Partner © Architektur Basel

Biozentrum Universität Basel von Burckhardt+Partner © Architektur Basel

„Der bauende Mensch ist am Ende nur noch der Mittler. Das vollkommene Haus wäre ihm jenes, das von selbst aus dem Boden wüchse wie eine organische Pflanze.“ Hier wird geforscht. Die Architektur hat sich dem Zweck, der Funktion, unterzuordnen. Die Rafflammellenstoren sind geschlossen, obwohl sich ein sehenswerter Blick über die Stadt böte. In der Geschosshöhe von insgesamt 4.10 m verbirgt sich hinter der blauen Alu-Abhangdecke ein Hohlraum von 1.20 m, wo Wärme, Luft, Elektrizität, Wasser, an den gewünschten Ort auf dem Geschoss geführt wird.

Biozentrum Universität Basel © Burckhardt+Partner

Biozentrum Universität Basel © Burckhardt+Partner

Die markante Fassade widerspiegelt den unverkrampften Umgang mit vorfabrizierten Betonelementen in den späten 1960er-Jahren. Die charakteristisch geriffelte Betonoberfläche mit gebrochenen Kanten hat etwas archaisches und schafft einen spannungsvollen Kontrast zu der hochtechnischen Labortwelt im Innern. Als wolle das Haus sagen: „Ich trete der Witterung, der Natur mit grösster Entschlossenheit entgegen und beschütze meine Bewohner …“. Zwischen den auskragenden Betonträgern werden die Elemente zu Viererpaaren «hochgeklappt». Durch das Auslassen jedes fünften Elements entsteht ein subtiler Rhythmus. Der umlaufende Balkon dient – ganz im Sinne des Funktionalisten – der Reinigung der Fenster und der Revision der Sonnenstoren.

Grundriss 7. Obergeschoss Biozentrum Universität Basel © Burckhardt+Partner

Grundriss 7. Obergeschoss Biozentrum Universität Basel © Burckhardt+Partner

„(…) weil er an die Dauer des Hauses denkt, das mehrere Generationen mit vielleicht wechselnden Ansprüchen sieht“, bemerkt Behne. Dass diese unverwüstliche Betonstruktur demnächst einem Neubau weichen soll, übersteigt das Vorstellungsvermögen des Rationalisten. Behne zündet sich eine Zigarette an: „Der Mensch steht zwischen Natur und Gesellschaft. Er entscheidet sich für die menschliche Gemeinschaft und steht dann in einer gewissen Spannung zur Natur. Er entscheidet sich für die Natur und steht in einer gewissen Spannung zur Gesellschaft.“ Kurz, kaum merklich nickt er uns zum Abschied zu.

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel


Biozentrum der Universität Basel
Adresse: Klingelbergstrasse 70, Basel
Architekten: Burckhardt Architekten (heute Burckhardt+Partner)
Baujahr: 1968-1971
Funktion: Bildung

Literatur

1          Behne, Adolf: Der Moderne Zweckbau, München, 1926.

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