Stilpluralismus mit lokaler Würze: Reformierte Kirche Arlesheim| Baselbieter Baukultur #61

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Das Portfolio des Ziefner Architekts Emanuel La Roche umfasst so ziemlich alle Neuinterpretationen gängiger Stilrichtungen von der Romanik über die Gotik bis hin zu Barock und Renaissance. Inmitten eines malerischen Wohnquartiers am Arlesheimer Stollenrain bündelte La Roche seine ganzen Stilkenntnisse und rührte sie sanft zu einer stimmigen Kirche mit Umschwung.

Grundriss, Reformierte Kirche Arlesheim

Grundriss, Reformierte Kirche Arlesheim

Der Baukörper der Reformierten Kirche umfasst im Wesentlichen ein Längsschiff oktogonalem Abschluss, eine niedrige Vorhalle mit geschwungenem Dach und einen Turm mit helmartigem Abschluss. Ein kleineres Ecktürmchen ist dem Hauptturm vorgestellt. Mit kleinen An- und Vorbauten, sowie abgerundeten Details nimmt La Roche der Kirche die Mächtigkeit. Gleichzeitig verhindert er auf diese Weise gekonnt eine klare stilistische Einordnung. Sehnt sich der Turm mit seiner schweren geschlossenen Fassade und den rundbogigen Schallöffnungen nach mittelalterlicher Romanik, so sprechen Helm, Dachreiter, Zifferblätter und Speier bereits mit zierlich-barockem Akzent.

Mächtiger Turm mit verspieltem Helm, Reformierte Kirche Arlesheim © Simon Heiniger / Architektur Basel

Mächtiger Turm mit verspieltem Helm, Reformierte Kirche Arlesheim © Simon Heiniger / Architektur Basel

Die Drillingsfenster der Giebelwand im Hauptschiff orientieren sich mit ihrer Abstufung wiederum an der Gotik und verleihen dem ansonsten sehr behäbigen Hauptschiff eine feine Prise Leichtigkeit. Die Vorhalle mit grosszügiger Verglasung könnte man fast als Laube verstehen, erschliesst sie neben dem Hauptraum auch den Turm und das Nebengebäude. An den Fenstern der Vorhalle finden sich – angelehnt an das Dach – geschwungene Elemente des Jugendstils.

Innenraum mit Empore, Reformierte Kirche Arlesheim © Simon Heiniger / Architektur Basel

Innenraum mit Empore, Reformierte Kirche Arlesheim © Simon Heiniger / Architektur Basel

Der Innenraum spricht wie erwartet ebenfalls mehrere Sprachen. Geben sich die Hauptfenster, der Altar und die Kanzel eher romanisch, so schwebt die sichtbare bemalte Holzkonstruktion des Daches in der Leichtigkeit eines Jugendstils beinahe davon. Ebenso die rückwärtige Empore und die Beleuchtungen. Die Halle vermag alle Stil zu fassen, ist sie doch ungewöhnlich offen gehalten. Die prominent platzierte Orgel ihrerseits steht frei und nutzt den hohen offenen Chorbereich als Klangraum.

Grosszügige Halle mit offener Orgel im Chorbereich, Reformierte Kirche Arlesheim © Simon Heiniger / Architektur Basel

Grosszügige Halle mit offener Orgel im Chorbereich, Reformierte Kirche Arlesheim © Simon Heiniger / Architektur Basel

2008 ergänzte Martin Plattner die Kirche um einen rückseitigen Anbau. Die eingeschossige Ergänzung nimmt mit ihrer perforierten roten Holzfassade die Ornamentik des Innenraums auf, ordnet sich aber in ihrer kubischen Erscheinung dem Hauptgebäude unter.

Trotz roten Fassadenplatten zurückhaltender Anbau, Reformierte Kirche Arlesheim © Börje Müller Fotografie

Trotz roten Fassadenplatten zurückhaltender Anbau, Reformierte Kirche Arlesheim © Börje Müller Fotografie

Dass der durchaus spezielle Kirchenbau sogar kantonal geschützt ist, hat vorallem einen Grund: La Roches Entwurf interpretiert zwar die meisten gängigen Stile im Sakralbau und setzt den Bau damit in eine vornehme, internationale Nachbarschaft, mischt die Stile aber gekonnt ohne einer bestimmten Richtung die Krone aufzusetzen. Letztlich wird der vorgeführte Stilpluralismus mit den vertrauten Mitteln der Heimatromanik abgerundet – oder ist schon jemandem das Krüppelwalmdach des Längsschiff aufgefallen? Diese Dachform erinnert uns doch eher an ein Berner Bauernhaus denn an eine Kirche und bringt das Gebäude wieder auf den Boden er Einfachheit runter.

Ungewohntes Krüppelwalmdach, Reformierte Kirche Arlesheim © Simon Heiniger / Architektur Basel

Ungewohntes Krüppelwalmdach, Reformierte Kirche Arlesheim © Simon Heiniger / Architektur Basel

Ein Stilmix nur um des Mischenswillens wäre wohl ein schlechter Berater. La Roche jedoch wusste die Stile richtig zu interpretieren und in abgewägtem Verhältnis anzuwenden. Die Kirche ist die einzige ihrer Art im Baselbiet.

Text: Simon Heiniger / Architektur Basel


Reformierte Kirche Arlesheim
Adresse: Stollenrain 20, 4144 Arlesheim
Architektur: Emanuel La Roche & Adolf Stähelin
Baujahr: 1911/12
Restaurierung: 1971
Anbau: 2008 (Martin Plattner)
Funktion: Kirche


Fotos:
© Simon Heiniger / Architektur Basel
Quellen:
– Hasche, K. & Hanak, M. (2010), Bauten im Baselbiet: eine Architekturgeschichte mit 12 Spaziergängen, Schwabe AG, Basel. ISBN: 978-3-7965-2664-0

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