Wohnsiedlung Biel-Benken von Peter Zumthor | Baselbieter Baukultur #35

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Mit einem ungewohnt hohen Nein-Stimmenanteil von 63.7% wurde die «Zersiedelungsinitiative» an den Eidgenössischen Abstimmungen vom 10. Februar 2019 abgelehnt. Die zugrundeliegende Problematik der «Hüsli-Schweiz» wird uns allerdings weiterhin beschäftigen, politisch wie im Alltag. Einen umso unaufgeregteren Beitrag zur Verdichtung finden wir am nordöstlichen Siedlungsrand von Biel-Benken.

Auf der Parzelle 68 plante und baute Architekt Peter Zumthor von 1989-1996 eine Wohnsiedlung aus drei länglichen Gebäuden, angeordnet um einen Innenhof. Die Parzelle liegt am Hang; alle drei Gebäude auf unterschiedlichen Höhen. Das oberste Gebäude verfügt über 3 Vollgeschosse und ist rund einen Meter höher als die beiden anderen. Jene, um ein Geschoss tiefere Bauten folgen dem abschüssigen Terrain und sind entsprechend terrassiert. Die Wohnüberbauung steht am Übergang der Bauzone W1 zu W2. Für das Vorhaben war allerdings ein eigener Quartierplan nötig. Die entscheidenden Unterschiede liegen in einer höheren Gebäudelänge und einer grösseren Ausnützungs- und Bebauungsziffer. Die maximale Gebäudehöhe liegt dabei im Mittel der beiden umgebenden Bauzonen. Aus heutiger Sicht präsentierte Zumthor mit der Siedlung Spittelhof also bereits vor mehr als 20 Jahren eine elegante Lösung zu aktuellen Fragen. In die Höhe zu bauen mag für ausgereizte Städte wie Basel die Maxime sein, für Ortschaften wie Biel-Benken liegt das Geheimnis wohl in einer geschickten Veränderung, bzw. Anpassung lokaler Parameter.

Wohnsiedlung Spittelhof, Biel-Benken © Architektur Basel

Wohnsiedlung Spittelhof, Biel-Benken © Architektur Basel

Trotz der verhältnismässig überlangen Gebäude fügt sich die Siedlung sowohl volumetrisch als auch optisch gut in die Nachbarschaft ein. Die zurückhaltende Materialisierung tut ihren Beitrag zum Gesamteindruck. Im Wesentlichen bestehen die Wohngebäude aus horizontalen naturfarbenen Betonscheiben, die allseitig auskragen. Die Bereiche dazwischen sind raumhoch mit anthrazitfarben gestrichenem Holz verschalt. Im Kontrast dazu stehen die hellen, ebenfalls raumhohen Holzfenster. Eine gelungene Mischung aus traditionell und modern geben die warmgrau gehaltenen Holz-Faltläden ab.

Einen sozialen Brennpunkt oder eine überbordende Kriminalität etwa sucht man trotz «Grossüberbauung» vergebens. Denn anonym ist hier niemand. Das hat aber weniger mit der dörflichen Struktur zu tun als mit der Architektur des Gebäudes selbst. Beim Gang durch die Siedlung fällt eines auf: die Fenster der Erdgeschosse sind alle fassadenbündig. Eine tatsächlich sehr ungewohnte Art und Weise, ziehen wir uns selbst doch nur zu gerne in den Schatten der Fensterleibung zurück. Hier jedenfalls entsteht wohl oder übel und sofort eine sehr direkte Beziehung zwischen Innenraum und Strasse. In den privateren Obergeschossen allerdings taucht die Leibung wieder auf. Ein durchaus interessanter Kniff.

Wohnsiedlung Spittelhof, Biel-Benken © Architektur Basel

Wohnsiedlung Spittelhof, Biel-Benken © Architektur Basel

Die Wohnsiedlung wurde 1997 mit der «Auszeichnung Guter Bauten» der Kantone Basel-Landschaft und Basel-Stadt prämiert. Wir gratulieren!

Wohnsiedlung Spittelhof, Biel-Benken
Funktion: Wohnen
Adresse: Schulgasse 27, Spittelhofstrasse 1-11, Am Rain 2-16, 4105 Biel-Benken
Baujahr: 1996
Renovation: 2016
Bauherrschaft: Beamtenversicherungskasse Baselland
Architektur: Peter Zumthor


Text & Fotos:
– Simon Heiniger / Architektur Basel
Quellen:
– Baudepartement Basel-Stadt, Hochbau- und Planungsamt, Bau- und Umweltschutzdirektion Kanton Basel-Landschaft, Liestal (1997), Auszeichnung Guter Bauten 1997 (keine ISBN verfügbar).

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